Retter müssen warten -
Notfallmanager der Bahn im Notfall zu spät
Die Lokomotive brannte mitten im Berliner Ostbahnhof. Die Feuerwehr war sofort vor Ort, blieb aber eine halbe Stunde zur Untätigkeit verdammt. Der Grund: Die Bahn schaffte es nicht, den Strom abzuschalten. Der Berliner Landesbranddirektor übt heftige Kritik am Sicherheitsmanagement der Bahn.
Verstehe einer die Deutsche Bahn: Da werden Milliarden investiert in modernste Bahnhöfe und High-Tech-Züge, nach dem Motto, immer schneller, immer weiter, immer höher - doch wenn ein Notfall passiert, wo es auf schnellstes Handeln ankommt, ist die Bahn extrem schlecht vorbereitet. Das zeigen gleich ZWEI Beinahe-Katastrophe aus jüngerer Zeit. Der Chef von Deutschlands größter Feuerwehr übt jetzt scharfe Kritik am Notfallmanagement der Bahn. Detlef Schwarzer.
Dienstag, 26 Juli. Flammen schlagen aus der Lok eines Regionalzugs im Berliner Ostbahnhof. Die Fahrgäste konnten den Zug gerade noch verlassen. Der Bahnhof wird geräumt.
"Bitte sofort den Bahnsteig räumen, bitte alle vom Bahnsteig, bitte sofort den Bahnsteig räumen."Die Leitstelle der Berliner Feuerwehr. Um 15.39 Uhr geht hier der erste Notruf ein. Es wird Großalarm gegeben, mehr als 100 Feuerwehrleute rücken aus. Die Feuerwehr will sofort löschen, doch sie darf nicht. Die Oberleitung ist auf die Waggons gefallen. Die Feuerwehrleute sind zur Untätigkeit verurteilt. Der Zug steht unter Strom. 15000 Volt. Der Chef der Berliner Feuerwehr, der größten in Deutschland, übt heftige Kritik an der Deutschen Bahn. Wilfried Gräfling, Landesbranddirektor Berliner Feuerwehr
"Also für Feuerwehrleute ist das eine ganz, ganz schwierige Situation, auch für Rettungskräfte, vor Ort zu sein - möglicherweise verletzte Personen zu sehen. Hier ist das glücklicherweise nicht der Fall gewesen, aber das kann man ja nicht ausschließen. Man steht davor, man könnte handeln, auch von seinem Inneren her, aber man kann nicht handeln." Die Feuerwehr muss warten und warten. Bahnmitarbeiter sagen zwar, der Strom sei abgeschaltet, doch auf mündliche Ansagen können sich die Feuerwehrleute nicht verlassen.
Erst eine halbe Stunde später geht in der Leitstelle das entscheidende FAX der Deutschen Bahn ein, die offizielle Bestätigung, dass der Strom im Bahnhof abgestellt ist. Wilfried Gräfling, Landesbranddirektor Berliner Feuerwehr
"Dreißig Minuten sind aus der Sicht der Feuerwehr definitiv zu lang. Denn wir müssen handeln. Wir sind in wenigen Minuten da, stehen vor diesem brennenden Zug oder verunglückten Zug und können nicht handeln!" Zu spät kommt auch der zuständige Notfallmanager der Deutschen Bahn. Er müsste eigentlich innerhalb von 30 Minuten am Brandort sein. Wilfried Gräfling, Landesbranddirektor Berliner Feuerwehr
"Hier ist es nicht der Fall gewesen, warum wissen wir nicht. Das ist auch, denke ich, nicht in unserer Verantwortung. Da muss die Bahn mal nachschauen und prüfen, warum das so lange gedauert hat." Erst jetzt kann die Feuerwehr richtig löschen. Wären in den Waggons oder in der Lok Verletzte gewesen, die Rettungskräfte hätten nichts für sie tun können. Die Deutsche Bahn: sie spielt den Fall herunter. Auf Anfrage von Kontraste teilt sie uns mit, Zitat:
"Die in Ihren Fragen anklingende Kritik der Feuerwehr können wir so nicht nachvollziehen." Und weiter, Zitat:
"Das Grundprinzip des Notfallmanagements bei der Deutschen Bahn hat sich über Jahre bei vielen tausend Einsätzen bewährt."
Von wegen. KONTRASTE berichtete bereits vor zwei Monaten über einen ebenso spektakulären Fall. Ein Güterzug mit Gefahrgut entgleist kurz vor dem Bahnhof des badischen Städtchens Müllheim. Großes Glück im Unglück: der Unfall geschieht 200 Meter vor den Bahnsteigen , die zu diesem Zeitpunkt voller Menschen sind. Wenige Minuten später rückt die freiwillige Feuerwehr Müllheim aus. Die Feuerwehrmänner wollen sofort an die Arbeit, nach Verletzten suchen, die brisante Ladung bergen. Doch sie wissen nicht, worum es sich handelt. Ist die Ladung giftig oder explosiv? Doch hier ist die Bahn noch langsamer als in Berlin , braucht mehr als 1,5 Stunden, bis die Anlage stromfrei ist und die Einsatzkräfte endlich an die Waggons können. 1,5 Stunden ohne Hilfe. Ein Skandal - meint der Innenminister von Baden-Württemberg Reinhold Gall, (SPD) Innenminister Baden-Württemberg
"Die Zeitspanne 1,5 Stunden ist eindeutig zu lang, insbesondere dann, wenn mit einem solchen Einsatz der örtlichen Feuerwehren unter Umständen noch die Rettung von Menschen einhergeht. Das kann man nicht akzeptieren, das ist überhaupt keine Frage. Und die Bahn ist gefordert, dem Abhilfe zu schaffen." Zwei schwere Bahnunfälle in so kurzer Zeit. Zwei Beispiele, die zeigen, dass die Deutsche Bahn ihr Sicherheitskonzept grundlegend überarbeiten muss. Und mit dem Argument knappe Kassen kann die Bahn sich da schlecht herausreden: Kürzlich erst hat sie das beste Halbjahresergebnis ihrer Geschichte bekanntgegeben! Beitrag von Detlef Schwarzer
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