Freitag, 2. September 2011

Mythos Elektroauto - Wem nützen die Steuermilliarden wirklich? um 20:15 Uhr in #KONTRADTE in #EinsExtra [ARD-Digital]


Mythos Elektroauto -

Wem nützen die Steuermilliarden wirklich?

[KONTRASTE - Sendung vom 01.09.2011]
 
Widerholung um 20:15 Uhr am 02.09.2011 in EinsExtra
http://www.rbb-online.de/kontraste/archiv/kontraste_vom_01_09/mythos_elektroauto.html
 

1,5 Milliarden hat die Bundesregierung für die Förderung der E-Mobilität bereitgestellt. Ziel: Im Jahr 2020 sollen eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen rollen. Doch Kritiker bemängeln: Das Geld fließt in eine Technologie, die nur auf den ersten Blick umweltfreundlich ist. Wer profitiert wirklich von den Subventionen?

Auch die deutschen Automobilhersteller können finanziell nicht klagen: BMW, VW, Mercedes und Co haben die Wirtschaftskrise überraschend gut überstanden. Und VW will jetzt sogar Weltmarktführer werden! Selbst beim E-Auto sehen sich die Automobilkonzerne ganz vorne. Auch die IAA in Frankfurt in 2 Wochen steht ganz im Zeichen der E-Mobilität. Auf einmal sollen Elektroautos ganz schnell auf den Markt, angeblich dem Klimaschutz zu liebe. Aber welche Rolle spielen Elektroautos im Kalkül der Autobauer wirklich? Ursel Sieber und Kristina Klein mit überraschenden Antworten.

Wenn Silvia Zahn morgens zur Arbeit geht, entstöpselt sie neuerdings zuerst ihr Elektroauto. Das wurde über Nacht mit Strom betankt. Sylvia Zahn testet den Mini E- im Zuge der Modellversuche von BMW, die mit Steuergeldern gefördert werden.

KONTRASTE
"Würden Sie so ein Auto auch kaufen?"
Sylvia Zahn, Testfahrerin
"Ich könnte mir vorstellen so ein Auto zu kaufen, würde das dann allerdings als Zweitwagen nehmen, also den, der den Stadtweg jeden Tag zur Arbeit fährt. Wir bräuchten aber ein ganz normales konventionelles Auto, das gewisse Reichweiten erreicht."

Die Reichweite dieses Elektroautos liegt höchstens bei 150 km, noch weniger bei laufender Heizung. Silvia Zahn fährt den Mini E gerne. Aber wirklich alltagstauglich findet sie das Elektroauto noch nicht. Und wegen der teuren Batterie soll es etwa 10 000 Euro mehr kosten ein vergleichbares herkömmliches Auto. Für unausgereift hält Verkehrsexperte Axel Friedrich solche Fahrzeuge.

Axel Friedrich, Verkehrsexperte
"Es sind Spielzeuge, es sind keine realen Fahrzeuge, keine Fahrzeuge, die einen normalen Nutzen erfüllen, mit Fahrleistungen, die nicht vorhanden sind, mit Reichweiten, die nicht vorhanden sind, keine Wintertauglichkeit. Alles Dinge, die nicht vorhanden sind. Für wen baue ich ein solches Auto?"

Dennoch wollen die Autohersteller solche Elektroautos schnell auf den Markt bringen. Die Politik hilft So hat BMW bisher 26 Millionen Euro, VW 17 Millionen Euro und Daimler 63 Millionen vom Staat bekommen. Angela Merkel hat mit der Autoindustrie eine Allianz geschmiedet.

Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin
"Die Elektromobilität in Deutschland nicht nur zu verankern, sondern Deutschland sowohl zum Leitanbieter als auch zum Leitmarkt zu machen. Das ist unser Ziel."

2012 und 2013 soll Elektromobilität mit einer zusätzlichen Milliarde gefördert werden, darunter erneut viele Millionen für sogenannte Feldversuche.

Axel Friedrich, Verkehrsexperte
"Wenn hier Versuche gemacht werden, kann man doch verlangen, dass eine "arme" Industrie wie die Autoindustrie, die Riesengewinne macht, diese Versuche selber zahlt. Warum bezahlt das Daimler, bezahlt BMW, wieso bezahlt VW solche Versuche nicht selber? Wieso zahlt die Allgemeinheit?"

Die Antwort ist einfach: Die deutsche Autoindustrie baut immer noch viel zu große Autos. Mit ihnen macht sie den meisten Profit.

Das Problem: Verbrennungsmotoren großer, schwerer Autos produzieren auch überdurchschnittlich viele schädliche Klimagase. Ein Beispiel: Die Autoflotte von Daimler Benz. Alle in Europa verkauften Neuwagen dieses Herstellers belasten die Umwelt im Durchschnitt immer noch mit rund 160 g des Klimagases CO2 pro Kilometer.

Eine EU - Verordnung aber erlaubt ab 2015 für Neuwagen nur noch einen Grenzwert von 130 Gramm CO2 pro Kilometer je PKW. Sonst drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Viel Geld, auch für die hochprofitable deutsche Autoindustrie.

Welche Rolle spielen Elektroautos im Kalkül der Autobauer, fragen wir Prof. Kagermann. Er ist der Vorsitzende eines Gremiums, vorwiegend aus Industrievertretern, das die Kanzlerin zur Elektromobilität berät.

KONTRASTE
"Braucht die Autoindustrie die Elektroautos, um die EU-Klimaziele zu erreichen?"
Prof. Henning Kagermann, Regierungsberater Elektromobilität
"Mit Elektromobilität sollen viele Ziele erreicht werden - eins ist natürlich auch die Auflagen zu erreichen, die die EU gesetzt hat - wir werden noch eine ganze Menge an Verbesserungen haben in den Verbrennungsmotoren, das wird aber nicht ausreichen. Von daher gesehen ist es ein Ziel, zu sagen, wir brauchen genügend Elektroautos, damit wir in Summe, im Flottendurchschnitt diese Ziele bekommen."

Flottendurchschnitt - das ist das Zauberwort, mit dem sich dank EU - Verordnung schmutzige Autos sauber waschen lassen.

Dabei man tut man so, als wären Elektroautos komplett emissionsfrei. Obwohl jeder weiß: Das Elektroauto ist nur so sauber, wie der deutsche Strommix. Und der besteht auch in den nächsten Jahren zu rund 60 Prozent aus Kohlestrom. Nicht null, sondern rund 120 g C02 fallen also bei einem Elektroauto wie dem E-Mini an. Trotzdem: Die EU - Verordnung, die den Grenzwert für die Autos festlegt, setzt das Elektroauto einfach generell auf null.

Und es kommt noch besser: Wenn 2015 Strafgelder drohen, wird jedes einzelne Elektroauto gleich anderthalbfach in die Klimabilanz der Flotte eingerechnet. Mit jedem verkauften Elektroauto kann man also die Emissionen gleich mehrerer Spritschleudern klein rechnen.

Dieses Schönrechnen lohnt sich. Ein Beispiel: Angenommen die Daimler -Flotte läge 2015 theoretisch noch bei 150g CO2- also weit über dem EU-Grenzwert. Es würden Strafgelder fällig von über 1 Milliarde Euro.

Verkauft Daimler pro 500.000 Neuwagen aber zusätzlich noch 20 000 Elektroautos, dürfen gemäß EU - Verordnung 30.000 Autos mit null Emission eingerechnet werden. Damit könnte Daimler rein rechnerisch den durchschnittlichen CO2-Ausstoss seiner Flotte senken - auf 141,5 g CO2. Daimler könnte so Strafgelder sparen von 403 Millionen Euro. Eine einfache Rechnung.

Prof. Henning Kagermann, Regierungsberater für Elektromobilität
"Sie haben Recht, die Strafzahlungen sind hoch. Von daher gesehen macht es sicherlich auf Sinn, vielleicht Elektroautos vielleicht am Anfang im Markt mit weniger Gewinn oder gar keinem Gewinn in den Markt zu bringen, um Strafzahlungen zu vermeiden, das wird natürlich von den Automobilherstellern auch durchgerechnet."

Kein Wunder also dass Daimler im kommenden Jahr offenbar 10.000 E-Smarts in den Verkauf bringen will. VW, Audi und BMW werden folgen - auch dank der Hilfe durch die Politik.

Beitrag von Ursel Sieber und Kristina Klein

Dieser Text gibt den Sachstand vom 01.09.2011 wieder. Neuere Entwicklungen sind in diesem Beitrag nicht berücksichtigt.


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