Judenmörder und BND
Walter Rauff und andere:
Aus der Schußlinie genommen,
aber kein Verzicht auf ihre Dienste
Für die »Organisation Gehlen«, dem späteren BND, gilt das im besonderen Maße. Von 1946 an ist ein Netzwerk von Naziaktivisten und Kriegsverbrechern entstanden, das sich auch in Bundeswehr, Verfassungsschutz und Polizei ausbreitete.
Forschungsergebnisse
Zur Zeit der DDR bestand die Möglichkeit, auf deren zentrale Archive und Karteien sowie auf solche befreundeter Staaten zurückzugreifen, vor allem in Polen und in der Sowjetunion. Dadurch war es möglich, entsprechendes Material zu sichern. Man kann nur hoffen, daß auf die damaligen Erkenntnisse beim Erforschen der Vergangenheit des BND zurückgegriffen wird – wenn es für erforderlich gehalten wird, möge man sie prüfen. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Untersuchungsergebnisse des BND-Historikers Erich Schmidt-Eenboom verwiesen (Der BND, 1993. Am 26. September erscheint im Ch. Links Verlag: Matthias Ritzi/Erich Schmidt-Eenboom: Im Schatten des Dritten Reiches. Der BND und sein Agent Richard Christmann)
Zur Vorgeschichte von Geheimdiensten und anderen Behörden der BRD gehört vor allem die Beteiligung vieler Mitarbeiter und führender Personen an der nazistischen Judenverfolgung. Spätestens mit dem Pogrom vom 9. November 1938 war eine neue Stufe erreicht, mit der Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 die systematische, industriemäßige Vernichtung der europäischen Juden ratifiziert. Sie gehört zu den abscheulichsten Verbrechen des faschistischen Staates. Im Juli 1944 schrieb der britische Premier Winston Churchill dazu: »Es besteht kein Zweifel, daß dies wahrscheinlich das größte und schrecklichste Verbrechen darstellt, das jemals in der Weltgeschichte begangen wurde (…). Es ist völlig klar, daß alle an diesem Verbrechen Beteiligten, die uns in die Hände fallen, einschließlich jener Leute, die nur Befehlen gehorchten, indem sie das Gemetzel ausführten, hingerichtet werden müssen.«
Rattenlinien
Zu ihnen gehörte auch Rauff. Er geriet im April 1945 in Mailand in alliierte Gefangenschaft. Im Ergebnis der Vernehmung wurde eine »lebenslange Internierung« empfohlen, aber im Dezember l946 gelang ihm die Flucht. 1947/1948 versteckte er sich in verschiedenen Klöstern Italiens, unterstützt von Bischof Alois Hudal, einem der Akteure für die »Rattenlinien«, d. h. die Ausschleusung von Kriegsverbrechern nach Südamerika und Nordeuropa. Vom Juli 1948 bis August 1949 arbeitete Rauff in Syrien in verantwortlichen Geheimdienstfunktionen und baute u.a. das »Zweite Büro« nach Gestapo-Vorbild auf. Nach einem Zwischenaufenthalt in Italien reiste er l949 nach Ecuador und von dort im Oktober 1958 nach Chile. Hier begann, nach den nunmehr freigegebenen Unterlagen, die Zusammenarbeit mit dem BND, die bis 1962 dauerte. Obwohl 1961 durch das Amtsgericht Hannover ein Haftbefehl erwirkt wurde, reiste er im Auftrag des BND 1962 mit gefälschten Papieren zur Schulung in die BRD ein in Kenntnis und unter Mißachtung der Haftanordnung.
Besonders bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang eine Befragung Rauffs 1972 in Santiago de Chile, d.h. während der Regierungszeit Salvador Allendes. Damals lief die CIA-Aktion »Centauro« zum Sturz des chilenischen Präsidenten bereits auf Hochtouren. Zur Einvernahme Rauffs als Zeugen am 28. Juni 1972 in der BRD-Botschaft waren ein Untersuchungsrichter und ein Staatsanwalt des Landgerichts Hamburg angereist.
Die Vernehmer gaben sich dabei laut Protokoll mit solchen Erklärungen Rauffs zufrieden wie: »Ich habe niemals offiziell erfahren, auf welchem Befehl die Tötung der Juden beruhte. Zwar ist mir nach dem Kriege bekanntgeworden, daß es einen sogenannten Führerbefehl gab, ich kann mich jedoch nicht daran erinnern, daß mir schon während des Krieges jemals gesagt worden wäre, daß ein derartiger Befehl vorliege.« Oder: »Von den Liquidierungsmaßnahmen in Polen muß ich aus den Amtschefbesprechungen erfahren haben.
Übrigens wurde die BRD-Botschaft in Santiago de Chile damals von Botschafter Kurt Luedde-Neurath (1911–1984) geleitet. Dieser lehnte nach dem Militärputsch vom 11. September 1973 gegen Allende die Aufnahme von Asylsuchenden ab, hielt die Tore für in Lebensgefahr befindliche Chilenen geschlossen und wies leitende Funktionäre der Allende-Regierung zurück. Erst im November wurde auf internationalen Druck hin mit der Aufnahme ausgewählter Asylanten begonnen. So schließen sich Netzwerke in der BRD.
Unser Autor ist Oberst a. D. der Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Er war verantwortlich für die Bearbeitung von Geheimdiensten
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