Dienstag, 27. September 2011

Zur #besonderen #Verankerung der #Union #bei #Medien u. #Vorfeldorganisationen ein paar Beispiele aus der letzten Woche


Albrecht Müllers Wochenrückblick:

Zur besonderen Verankerung der Union bei Medien und Vorfeldorganisationen.

[via Nachdenkseiten]
 
http://www.nachdenkseiten.de/?p=10818
 

Bei den Wahlen in Berlin am vor-vergangenen Sonntag ist die FDP abgestraft worden. Die CDU nicht. Warum eigentlich nicht? Die Politik von Merkel (CDU) und Schäuble (CDU) in der wichtigen Frage, wie man mit der Finanzkrise und der Krise um Griechenland umgeht, ist nur in Nuancen kompetenter.

Auch diese beiden haben die Spekulation im Zusammenhang mit Griechenland immer wieder angeheizt. Und sie huldigen der populären aber falschen Vorstellung, mit Sparabsicht könne man immer und überall einen Sparerfolg erzielen.

Die Union kommt trotz ihrer wirtschaftspolitischen und finanzpolitischen Inkompetenz besser weg als die FDP, und als SPD, Grüne und Linke sowieso, weil CDU und CSU in den Medien und auch in anderen wichtigen Einrichtungen ausgezeichnet vertreten ist.

Albrecht Müller.

Zur besonderen Verankerung der Union bei Medien und Vorfeldorganisationen ein paar Beispiele aus der letzten Woche:

Die Woche endete gestern Abend mit einem Soloauftritt der Bundeskanzlerin in der Talkshow von Jauch. Der Auftritt kam auf Anregung von Merkel zu Stande, wie Spiegel Online unter der Überschrift

"Kanzlerin bei Jauch" (http://www.spiegel.de/kultur/tv/0,1518,druck-788295,00.html) berichtet:

"Eigentlich wollte Günther Jauch über den Papst plaudern. Mit Thomas Gottschalk zum Beispiel. Dann aber rief Angela Merkel an: Sie hätte auch Zeit am Sonntag."

Das Ergebnis war entsprechend den Wünschen der Bundeskanzlerin (CDU):

"So plätschert das Ganze dahin, unaufgeregt, ohne Schärfe und Klamauk, ganz in Merkels Sinn. Am Fernsehgerät dürfte sich mancher wieder ganz geborgen gefühlt haben bei dieser Frau und ihrer zur Schau gestellten Gelassenheit. "Mutti", so wird die Kanzlerin ja gern genannt, bis in die Reihen der CDU. Und Jauch, der gilt als der perfekte Schwiegersohn. Mutti und der Schwiegersohn – das ist Krisen-TV zum Wohlfühlen. Alles im Griff, alles wird gut. Ob bei dieser Inszenierung aber auch die eigenen Leute mitspielen, muss sich in dieser Woche erst noch zeigen."

Keine Sorge, die eigenen Leute werden vom Erfolg dieser Inszenierung beeindruckt sein.

Selbstverständlich ist ein solcher Auftritt, und die Tatsache, dass sich der Talkshowgast selbst einlädt, nicht. Bei den früheren Bundeskanzlern der SPD, bei Brandt und Schmidt, war das so nicht möglich. Aber schon Kohl hat so über die Medien regiert. Er hatte dank seiner Freundschaft zum Medienmacher Kirch und seiner zu Gunsten von Kirch betriebenen Kommerzialisierung des Fernsehens bei SAT 1 eine eigene Sendung arrangiert bekommen.

Auf ein herausragendes Beispiel von Kampagnenjournalismus zu Gunsten der Regierenden von der Union haben wir in den NachDenkSeiten am 21. September aufmerksam gemacht – die

gleichgeschaltete und unkritische Berichterstattung zum so genannten Glücksatlas. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=10783) (Nebenbei muss ich zu diesem das heute journal des ZDF und andere Medien kritisch betrachtenden Beitrags korrigierend nur anmerken, was einer unserer Leser moniert hat: Auch beim heute journal des ZDF gibt es manchmal einen Lichtblick – dann, wenn Marietta Slomka moderiert.)

Die Union hat ihren Einfluss in den Medien systematisch ausgebaut. Angela Merkel pflegt den besonderen Kontakt zu den entscheidenden Frauen bei Springer und Bertelsmann, zu Liz Mohn und Friede Springer. Der Einfluss der Union bei den lokalen und regionalen Medien ist traditionell groß. Durch die Übernahme bzw. die Einflussnahme konservativer Verleger auf Blätter wie die Süddeutsche Zeitung und die Frankfurter Rundschau ist der linksliberale Geist auch dort auf dem Rückzug. Seit dem ersten Machtverlust im Jahr 1969 baut die Union systematisch den Einfluss in den Rundfunkanstalten aus. Das in der letzten Woche erlebte Beispiel der Berichterstattung über den Glücksatlas im ZDF ist die Spitze eines Eisbergs. Fast überall wurde vom Glücksgefühl der Deutschen berichtet. Das zahlt genau auf das Anliegen von CDU und CSU aus, den Eindruck zu vermitteln, es gehe uns rundum gut, ihre Politik sei erfolgreich. – Der von der Union wie von der FDP betriebene Schmäh gegenüber anderen Ländern, gegenüber Griechenland, Italien, Spanien, Portugal und Irland, wird von den meisten Medien unterstützt und angefeuert. Damit lenkt man erfolgreich von den eigenen Fehlern und der großen Verantwortung der deutschen Politik für die Fehlentwicklungen im Euro-Raum ab.

Kritische Gegengewichte?

Gelegentlich gibt es ja Lichtblicke in der unseligen Debatte zu Euro und Finanzkrise – so am vergangenen Mittwoch in der Financial Times Deutschland. Dort erschien ein Leitartikel auf der ersten Seite mit einem Plädoyer dafür, auf die drohenden Gefahren einer massiven Rezession mit einer expansiven Geld- und Konjunkturpolitik zu antworten. Immerhin wird in der gleichen Ausgabe des Blattes auf den Teufelskreis von Einsparungen und fallendem Wachstum hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, dass die Ursünde (eine Ursünde, würde ich sagen) der jetzigen Krise vom Duo Merkel/Steinbrück begangen wurde, als diese beiden vor drei Jahren auf nationale Lösungen bei der Bankenrettung setzten. Damals rettete dieses Duo die Münchner HypoRealEstate und damit über 80 Milliarden Forderungen von privaten Gläubigern an dieses Institut. Gezahlt haben wir. Die Bankenrettung ist eine wesentliche Ursache für den Schuldenanstieg – hierzulande wie auch bei den meisten der geschmähten anderen Völker.

Beiträge gegen den Strich wie in der erwähnten Ausgabe der Financial Times Deutschland sind in den deutschen Medien selten, in der ökonomischen Wissenschaft sowieso. Das ist in Frankreich etwas anders. Dort wird in der Wissenschaft der Ökonomie wenigstens etwas differenzierter diskutiert. In der Politik sieht es unter dem Einfluss der Vorherrschaft der deutschen ideologischen Debatte auch düster aus. Die sechs Kandidaten der sozialistischen Partei für die Nominierung als Präsidentschaftskandidat haben sich dem deutschen Vorbild zugewandt. Über diesen erstaunlichen Schwenk wie auch über die französische Debatte berichtete Le Monde am 20. September. Gerhard Kilper hat die beiden Artikel dankenswerterweise für die NachDenkSeiten reportiert. Siehe Anhang 1.

Anzeichen der großen Verankerung der Union im Vorfeld der Medien

Am vergangenen Freitag, 23 September, strahlte der Deutschlandfunk in der Serie "Das Kulturgespräch" die Diskussion einer Runde zum Thema

"Deutsche Krisenbewältigung. Zwischen Entzauberung und Rechthaberei" (http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturgespraech/1561873/) aus. Dieses Gespräch war in mehrerer Hinsicht interessant:

Erstens wird hier eine Diskussion mit Gertrud Höhler, Heinz Bude, Gerd Langguth und Michael Naumann als Diskussion mit Wissenschaftlern und Experten und als "Kulturgespräch" angedient. (Zu den einzelnen Personen siehe Anlage 2.) Keine und keiner der Teilnehmer kann als Experte für das gestellte Thema gelten. Ihre wissenschaftliche Qualität muss ebenfalls infrage gestellt werden. Entsprechend waren die Einlassungen zum Thema. Zum Beispiel wurde die Bewunderung der extrem hohen deutschen Exportüberschüsse nachgebetet, so als sei dies nicht gerade ein großes Problem des Euroraums. Zum Beispiel diente Michael Naumann die Theorie an, die Finanzkrise sei eine Folge der um den Globus jagenden Geldmengen. Von politischer Korruption, von der Abhängigkeit der Politik von der Finanzindustrie, von der kriminellen Energie, wie sie bei der Verbriefung amerikanischer Hypothekenschulden sichtbar wurde – keine Rede. Wenn das eine Runde von Intellektuellen war, dann muss man feststellen: Die Intellektuellen sind über weite Strecken inkompetent und erzählen das nach, was sich die Meinungsmacher und Strategen im Hintergrund ausgedacht haben. Was Intellektuelle auszeichnen sollte, ein kritischer Verstand, geht den heute bei uns "Intellektuelle" genannten offenbar ab.

Zweitens: Die Runde war ausgesprochen rechtslastig. Der ehemalige Kulturstaatsminister Gerhard Schröders und Rechtsaußen bei der Hamburger SPD, Michael Naumann, war der Linksaußen dieser Runde, die sich Kulturgespräch nennt.

Gertrud Höhler ist bekanntermaßen wirtschaftsnah, Heinz Bude ist bekannt als eifriger Vertreter der Agenda 2010, ein neoliberal eingefärbter Soziologe mit Nähe zu Blair und Schröder.

Gerd Langguth wird uns als objektiver Professor für Politische Wissenschaft verkauft. Es bleibt unerwähnt, dass er aktiver Kämpfer in den Reihen der Union, Bundestagsabgeordneter, RCDS-Vorsitzender, Funktionär der Konrad Adenauer Stiftung, Mitglied des Bundesvorstandes der CDU und, zusammen mit Miegel, Aktivist des rechtskonservativen Bürgerkonvent war. Bis heute ist definitiv ungeklärt, woher die Millionen zur Finanzierung des Starts jener Vorfeldorganisation der Union stammt.

Mit dem Auftauchen von Gerd Langguth in dieser Runde wie in vielen anderen Runden wird drittens an dieser Runde des Deutschlandfunks nicht nur erkennbar, wie weit die Union in die öffentlich-rechtlichen Medien beherrscht. Es wird auch schlaglichtartig eine besondere Spielart der Einflussnahme der Union sichtbar: In ihrem Vorfeld tummeln sich

Personen wie Gerd Langguth, Michael Hüther, Warnfried Dettling und Meinhard Miegel, um nur vier Personen aus dem Vorfeld der Union zu nennen, die als objektive Beobachter des Zeitgeschehens und sogar als Wissenschaftler firmieren und jeweils in die Talkrunden, in Interviews und andere Diskussionen eingeschoben werden. Erstaunlich dabei ist schon, wie leicht dieser Betrug zu bewerkstelligen ist.

Denn dass die genannten Personen der Union eng verbunden sind, der Wirtschaft nahe stehen und keinesfalls unabhängige Wissenschaftler sind, ist ausgesprochen leicht zu erkennen.
Vielleicht beobachten Sie selbst im weiteren Geschehen, wie oft Ihnen diese Personen begegnen.

Der Einfluss der Union auf Medien und Vorfeldorganisationen wird von einer miserablen Personalpolitik der SPD gestützt

Das angebliche "Kulturgespräch" unter Leitung des Moderators Norbert Seitz wie auch die Sendung des heute journals zum Glücksatlas und die Ignoranz der maßgeblichen Kräfte in Deutschland gegenüber den Folgen der so genannten Sparpolitik in der jetzigen konjunkturpolitisch labilen Phase reizen zu einigen Anmerkungen zur Medien- und Personalpolitik der SPD:

"Aufseher" und Chef des Moderators der Sendung zum Glücksatlas, Klaus Kleber, ist der Chefredakteur Peter Frey. Er ist seit 2010 in diesem Amt und ist dies auf dem so genannten SPD-Ticket geworden. Auch Norbert Seitz ist vermutlich auf Betreiben der SPD zum Angestellten des Deutschlandfunks gemacht worden und moderiert jetzt so rechtslastige Runden wie das Kulturgespräch. Er war früher für ein Medienorgan, die Frankfurter Hefte/Neue Gesellschaft, tätig, das zum Einflussbereich der SPD gehört.

Einer der Hauptmatadore der neoliberal eingefärbten Wirtschafts- und Finanzpolitik, der ehemalige Bundesbankpräsident Weber, ist dies durch Entscheidung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) geworden. Der Vertreter der Finanzwirtschaft in der deutschen Politik und jetzt bei der EZB, Jörg Asmussen (SPD), verdankt seine Ämter und seinen Einfluss den sozialdemokratischen Finanzministern Eichel und Steinbrück. Merkel hat ihn konsequenterweise übernommen und weiter promoviert. Nicht wegen seines angeblichen fachlichen Könnens, sondern wegen seiner Interessenverbundenheit mit der Finanzwirtschaft. Auch Bert Rürup und das Mitglied des Sachverständigenrates, Professor Beatrice Weder di Mauro verdanken ihren unrühmlichen Einfluss der SPD.

Es ist offensichtlich ein Markenzeichen der SPD-Personalpolitik, dass die von ihr Ausgewählten auf jeden Fall aus dem angepassten Spektrum stammen müssen. Im Zweifel ist ein Konservativer immer noch besser als ein linker Sozialdemokrat – so diese erkennbare Marschroute. Das ist die Grundregel, sie hat bisher verheerende Folgen für die Debatte und für politische Entscheidungen. Auch dank dieser falschen Personalpolitik weht der Geist rechts, soweit er als solcher überhaupt noch auszumachen ist.

Der Papstbesuch gehört auch zum Vorfeld der Union

Ein Wochenrückblick ohne Blick auf den Papstbesuch geht eigentlich nicht, könnte man meinen. Da ich mit meinem Beitrag vom 22. September (

Steht die Kirche des Papstes auf den Boden der FDGO?) (http://www.nachdenkseiten.de/?p=10795) das, was mich angesichts dieses Besuches bewegt, schon geschrieben habe und nichts zurückzunehmen habe, kann ich mich auf wenige Anmerkungen beschränken:
  • Meines Erachtens gab es viel zu viel mediale Aufmerksamkeit für diesen Besuch. Es kam das Oberhaupt einer Kirche, nicht "der Kirche". Mein Hinweis auf diesen falschen Sprachgebrauch im oben genannten Beitrag hatte keinerlei Wirkung. Immer wieder las ich und hörte ich von den Vertretern und Vertreterinnen der Medien: "Die Kirche". Gemeint war die römisch-katholische Kirche.
  • Das Medienecho war auch deshalb zu groß, weil es diesem Oberhaupt einer Kirche erkennbar um die innerorganisatorische Stärkung ging. Gut getroffen die Schlagzeile meiner Regionalzeitung von heute: "Benedikt XVI. ruft deutsche Katholiken zu Demut, Treue und Einheit auf." Die Befolgung solcher Sekundärtugenden ist offensichtlich gewünscht. Aber das ist ein innerorganisatorisches Problem, dass die deutsche Öffentlichkeit eigentlich nicht zu interessieren braucht.
  • Früher haben katholische Priester und Pfarrer von den Kanzeln direkt zur Wahl von CSU und CDU aufgerufen. Das gibt es heute wohl nur noch selten. Insofern gibt es einen Fortschritt. Aber der so breit aufgemachte Medienauftritt des Papstes aus Rom wird seine Wirkung nicht verfehlen. Mich würde es nicht wundern, wenn die Union in den nächsten Umfragen nach oben klettern würde.

    Der Papst ist besonders belobigt worden für eine Anmerkung in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag. Er hat die "ökologische Bewegung in der deutschen Politik seit den siebziger Jahren" besonders gelobt. Wörtlich:

    "Ich würde sagen, dass das Auftreten der ökologischen Bewegung in der deutschen Politik seit den 70er Jahren zwar wohl nicht Fenster aufgerissen hat, aber ein Schrei nach frischer Luft gewesen ist und bleibt, den man nicht überhören darf und nicht beiseite schieben kann, weil man zu viel Irrationales darin findet.
    Jungen Menschen war bewusst geworden, daß irgend etwas in unserem Umgang mit der Natur nicht stimmt. Daß Materie nicht nur Material für unser Machen ist, sondern daß die Erde selbst ihre Würde in sich trägt und wir ihrer Weisung folgen müssen.
    Es ist wohl klar, daß ich hier nicht Propaganda für eine bestimmte politische Partei mache – nichts liegt mir ferner als dies. Wenn in unserem Umgang mit der Wirklichkeit etwas nicht stimmt, dann müssen wir alle ernstlich über das Ganze nachdenken und sind alle auf die Frage nach den Grundlagen unserer Kultur überhaupt verwiesen."

    Auch wenn der Papst ausdrücklich betont, er wolle nicht Propaganda für eine bestimmte politische Partei machen, waren die Grünen besonders glücklich über die Bemerkung. Auch die Union kann glücklich sein, denn diese Bemerkung zahlt sich mit Sicherheit für Überlegungen für schwarz-grüne Koalitionen aus. Es lockert die Barrieren zwischen den beiden Parteien. So ist es aus meiner Sicht auch gedacht. Diese päpstliche Bemerkung war vermutlich eine Auftragsarbeit.

    Der Papst fälscht mit dieser Bemerkung im übrigen die deutsche Geschichte. Die Fenster für den Umweltschutz in Deutschland wurden sehr viel früher aufgerissen. Aber zu einer ehrlichen und wahrheitsgemäßen Beschreibung der deutschen Geschichte hat dieser Papst nicht die Kraft und nicht die Absicht. Er müsste nämlich Willy Brandt loben für dessen Öffnung zur Umweltpolitik Anfang der sechziger Jahre. Er müsste die sozialliberalen Koalition und die von ihr 1969 begonnene konkrete Umweltpolitik mit einer Fülle von Gesetzen und Verordnungen loben und den Bundeskanzler Helmut Schmidt kritisieren, weil dieser das ökologische Erbe seiner Partei zerstört und den Grünen den Weg bereitet hat. Der Papst müsste den ehemaligen IG Metall-Vorsitzenden Otto Brenner loben für dessen Engagement und weitsichtiges Arrangement einer Konferenz zum Thema Lebensqualität und Umweltschutz im April 1972. Aber Willy Brandt und Otto Brenner zu loben, das wäre ja fast schon eine Todsünde.

    Über die Geschichtsfälschung mithilfe der Meinungsmache habe ich für mein Buch "Meinungsmache" ausführlich recherchiert. Die entsprechende Passage finden Sie in Anhang 3.

  • Die letzte Anmerkung zum Papstbesuch gilt einer Hoffnung in der Medienlandschaft unseres Landes und zugleich einem Zeichen von Niedergang dieses von vielen als Hoffnung betrachteten Organs, des "Freitag". Wenn man liest, was der Verleger dieses Blattes, Jakob Augstein, über den Papstbesuch schreibt, kann man vorausahnen, wo dieses Organ einmal landen wird – da wo die FR, die SZ und andere ehedem linksliberale Organe heute schon sind. – Unter der Überschrift
"Papa ist der Beste" (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,787711,00.html) heißt es:

"Die Kirche verdient unseren Respekt, und der Protest gegen Benedikt XVI. ist pubertär, meint Jakob Augstein. Wir haben alle etwas vom Papst, Katholiken und Nicht-Katholiken – aus einem wichtigen Grund: Ethik ist in der Politik nicht gut aufgehoben."

Dann Augstein wörtlich:

"Der Papst ist da! Und alle Reflexe funktionieren. Wenn der alte Mann aus Rom an diesem Donnerstag im Bundestag auftritt, wird wohl die Hälfte der Linke-Abgeordneten seine Rede boykottieren, jeder Dritte der Grünen und jeder Fünfte der SPD. Da will man den Kollegen Parlamentariern zurufen: Gut gebrüllt, Löwe! Aber die katholische Kirche ist die älteste Institution der Welt. Ob es uns gefällt oder nicht: Wir Abendländer entstammen alle ihrem Schoß. Der Protest gegen den Papst ist pubertär. Die Kirche verdient Respekt."

Das steht in einem Beitrag von SPON, dessen Dachzeile lautet "Im Zweifel links" Darunter firmieren die Kolumnen des Gastautors Augstein. Komplette Sprachverwirrung – Armes Deutschland.

Anhang 1

Zur Diskussion der Sparpolitik in Frankreich
Übersetzungen/Berichte von Gerhard Kilper

In Frankreich ist die Diskussion um die Sparpolitik voll entbrannt, nach dem sich alle 6 sozialistischen Vorwahlkandidaten für den PS-Präsidentschaftskandidaten in einer Fernsehdiskussion mehr oder weniger auch zum Schwenk zur Sparpolitik bekannt haben. Für die NachDenkSeiten zwei Le Monde-Artikel. G.K.:

  1. Claire Guéland: Ökonomen, Sparpolitik und Sparpolitik-Übertreibungen

    In der Pariser Tageszeitung" Le Monde vom 20.9.2011 (S.2) als "Blog des Tages" zur innerfranzösischen Diskussion um die öffentliche Sparpolitik erschienener Artikel.

    Originaltitel: "Les économistes, la rigueur et ses excès".

    Claire Guéland ist Le Monde-Journalistin.

    Es erscheint paradox, dass der Schwenk der sechs sozialistischen Vorwahlkandidaten für die PS-Präsidentenkandidatenwahl hin zu einer Politik öffentlicher Schuldenreduktion genau in dem Augenblick erfolgt, in dem immer mehr Ökonomen vor übermäßigem öffentlichem Sparen oder vor einer Verallgemeinerung der Sparpolitik überhaupt warnen (Fernsehdebatte der sechs Kandidaten im öffentlichen Fernsehkanal FR2 am 15.9.2011).

    Vorreiter der Sparpolitik ist die deutsche Politik, die den Übergang zu einem strukturellen Defizit von quasi null (0,35% des BIP) ab dem Jahr 2016 in der Verfassung verankerte und in der Euro-Zone auch schon einige Partnerstaaten fand, die ihrem Beispiel folgen wollen.

    Die beiden Forscher am Konjunkturforschungsinstitut OFCE, Henri Sterdyniak und Cathérine Mathieu, erklärten in einer am 7.9.2011 verbreiteten öffentlichen Verlautbarung, die "goldene Finanzierungsregel" der Deutschen sei in dieser Form (wissenschaftlich) unhaltbar. Die von Paul Leroy-Beaulieu im 19. Jahrhundert formulierte, "echte" goldene Finanzierungsregel für den Staatshaushalt erkenne ausdrücklich das Recht des Staates an, für die Vornahme von öffentlichen Investitionen ein Haushaltsdefizit in Kauf zu nehmen.

    Ein Null-Saldo öffentlicher Finanzen lasse sich weder mit der klassischen oder neoklassischen Theorie, noch mit der von Keynes weiter entwickelten und neu formulierten Makrotheorie begründen.

    Die beiden Forscher meinen weiter, im Jahr 2006 sei in Frankreich ein Defizit von 2,3% des BIP konjunkturpolitisch angemessen im Sinne der "echten goldenen Finanzierungsregel" gewesen. Im Jahr 2009 dagegen habe, entsprechend der geänderten wirtschaftlichen Situation, ein Defizit von 7,5 % des BIP dieser Regel entsprochen.

    Bei schwachem Wachstum, bei hoher Arbeitslosigkeit und bei schon niedrigen Zinssätzen könne eine Reduktion des öffentlichen Defizits (d.h. der staatlichen Nachfrage als Teil der allgemeinen Umsatztätigkeit und damit der Einkommen der Produktionsfaktoren) keine Priorität haben. Vielmehr komme es in einer solchen Konjunkturlage darauf an, die private Nachfrage (bzw. die allgemeine Umsatztätigkeit) zu stützen.

    Nicht nur an Keynes orientierte Ökonomen denken so. Auch der Nichtkeynesianer Christian de Boissieu, Professor an der Universität Paris-I, sagt offen, er wisse nicht, woher die Deutschen die Zahl von 0,35 % Defizit her haben und was es mit ihr auf sich haben könne.

    Patrick Artus, Direktor des Forschungsinstituts Naxitis ist der Meinung, die von den Deutschen vorgebrachte goldene Finanzierungsregel sei schon deshalb problematisch, weil sie dem Staat das Recht aberkenne, zur Vornahme von öffentlichen Investitionen Kredite aufzunehmen und weil sie das langfristige Staatsziel einer öffentlichen Nullverschuldung habe. Dies sei jedoch ökonomisch gesehen absurd, genauso unhaltbar simplifizierend sei das Verbot der Schuldenfinanzierung laufender Staatsausgaben.

    Das bedeutet für die Fernsehdebatte der Vorwahlkandidaten, dass Arnaud Montebourg mit der Meinung, "es könne keinen Wettbewerb zur möglichst schnellen Schuldenreduktion geben", sachlich am wenigsten daneben lag.

    (Die schwankende) Martine Aubry wird in der ökonomischen Literatur gut fundierte Argumente finden, die sie ihrem Konkurrenten François Hollande (dem Favoritenkandidaten der frz. Presse und der frz. Meinungsmacher) entgegen setzen kann, der das frz. Haushaltsdefizit als gewählter Präsident bis 2017 auf Null bringen will.

    Der Fall Griechenlands, das zwei Jahre nach dem ersten Sparprogramm in die Rezession abgerutscht ist, zeigt anschaulich, dass die Gesundung der öffentlichen Finanzen Zeit und ein gewisses Dosierungs-Fingerspitzengefühl braucht.

    "Wenn zu schnell zu viel an Staatsausgaben gestrichen wird, werden Wachstum abgewürgt und wirtschaftlichen Aktivitäten verlangsamt oder aber man verschärft eine Rezession", meint Christian de Boisseau.

    Wenn die Sparpolitik das Wirtschaftswachstum bremst und die Erholung der öffentlichen Finanzen verhindert, wird die allgemeine Sparpolitik der Euro-Zone in der jetzigen Phase wirtschaftlicher Stagnation zu einer weiteren depressiven Abwärtsspirale ("negative Multiplikatorprozesse") führen, warnt inzwischen eine wachsende Zahl französischer Ökonomen.

  2. Martin Wolf, Berlin entscheidet über das Schicksal Europas

    Inhalte eines in der Ökonomie-Beilage der Pariser Tageszeitung Le Monde vom 20.9.2011 (S.2) erschienenen Artikels.

    Originaltitel: "Le choix cornélien de Berlin".

    Martin Wolf ist Chef-Leitartikler der Financial Times London.

    "Eines Tages werden die Historiker den Maastricht-Vertrag als entscheidenden Schritt auf dem Weg zu einem stabilen und mächtigen Europa sehen. Aber auch ein eher düsteres Szenario ist denkbar: der Versuch, Staaten zusammenzubringen, kann zu enormen zwischenstaatlichen Reibereien führen". Das schrieb ich vor 20 Jahren, meine damaligen Befürchtungen scheinen sich heute zu bestätigen.

    Die aktuelle Krise zeigt, dass nicht nur das Maastricht-Ausgangskonzept einer Währungsunion unzulänglich angelegt war, was vielen aufgeklärten Analysten schon damals klar war. Die aktuelle Krise zeigt in verschärfter Art und Weise auch das Fehlen von Grundvertrauen bzw. Identitätsbewusstsein der Völker, die man zusammen bringen wollte und die sich heute wie in einer gescheiterten Ehe aneinandergekettet sehen.

    Das Ausmaß des Scheiterns der Maastricht-Verträge wurde mir bei einem Rom-Besuch deutlich, als ein hoher Regierungsvertreter sagte: "Wir verzichteten (mit der Währungsunion) auf die üblichen ökonomischen Ventile Inflation und Abwertung, die niedrige Zinssätze ermöglichten. Heute gibt es keine Option mehr für niedrige Zinssätze". Und er fügte hinzu: "Es wäre besser die Währungsunion zu verlassen als 30 Jahre wirtschaftliche Entbehrungen ertragen zu müssen."

    Diese Äußerungen zeugen vom Vertrauensverlust sowohl in das europäische Projekt als auch in die europäischen Partner.

    Jean-Claude Trichet, der scheidende EZB-Präsident, hob in seiner letzten Pressekonferenz die ausgezeichnete Bilanz seiner Institution im Kampf gegen die Inflation hervor. Der bescheidene Preisanstieg verdeckt allerdings die entstandenen makroökonomischen Ungleichgewichte innerhalb der Währungsunion und das Fehlen von Mitteln bzw. von politischem Willen zur Lösung dieser Probleme.

    In der Folge besteht heute die reale Möglichkeit der Zahlungsunfähigkeit eines Mitgliedsstaates oder das Zerbrechen der Währungsunion oder beides.

    Das durch diese Situation ausgelöste Sicherheitsstreben einer nur theoretisch integrierten Währungsunion mit Schutz-Maßnahmen nach außen, birgt die Gefahr einer Implosion der ganzen Gemeinschaft.

    Wir sind aktuell Zeuge einer tödlichen Interaktion zwischen staatlichen Zahlungsschwierigkeiten, zunehmender öffentlicher Illiquidität und resultierenden Spannungen auf den Finanzmärkten.

    Der europäischen Währungsunion fehlen offensichtlich die für ihr Funktionieren wesentlichen Institutionen. Insbesondere fehlt eine europäische Zentralbank, die letzte Geldgeberinstitution für alle wichtigen Märkte ist, die über einen umfangreich ausgestatteten Rettungsfonds zur Garantie der Liquidität des Anleihen-Marktes verfügt und die effizient ein Hilfsnetz für in Zahlungsschwierigkeiten geratene Staaten oder Banken aufbauen kann.

    Mangels fehlender starker eigener Institutionen wurden für die europäische Währungsunion politische Grundhaltungen und Politik der zentraleuropäischen Länder wegweisend.

    Wie andere so schätze auch ich die Leistungen der Deutschen beim wirtschaftlichen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und nach der Wiedervereinigung, sowie ihre Vorliebe für wirtschaftliche Stabilität und hohe Qualität ihrer Industrieprodukte, mit der sie erfolgreichen Export betreiben.

    Doch das reicht als wirtschaftspolitisches Konzept nicht aus. Die verantwortlichen deutschen Politiker sehen die Welt der Ökonomie aus der Perspektive ihrer im internationalen Maßstab doch relativ kleinen, wenn auch nach außen offenen und sehr wettbewerbsfähigen Volkswirtschaft. Die Euro-Zone als Ganzes ist keine kleine offene Wirtschaft, sondern ein großer, nach außen relativ abgeschlossener Wirtschaftsraum.

    Deutschland als Motor dieses Wirtschaftsraums muss auch den weniger zahlungskräftigen Mitgliedsländern, die ihre Haushaltsdefizite nicht mehr zu finanzieren in der Lage sind, bei der Schaffung eines dynamischen Marktes helfen und es muss notfalls bereit sein, deren Defizite direkt zu finanzieren.

    Wenn der private Bankensektor seine Finanzierungsaufgabe nicht ausreichend wahrnimmt, muss der öffentliche Sektor selbst einspringen. Tut er das nicht, wird eine breite Welle privater und öffentlicher Zahlungsunfähigkeiten ausgelöst, die auf den Finanzsektor zurückschlagen und am Ende das Wirtschafts-Motor-Land selbst treffen werden.

    Die Unfähigkeit der deutschen Politiker, diese Zusammenhänge ihrer Bevölkerung vernünftig zu erklären, verhindert die Lösung der aktuellen Krise. Die deutschen Politiker verbreiten im Gegenteil die Illusion, jemand anders (als die Deutschen) könne der Geldbeschaffer sein.

    Kleine offene Volkswirtschaften wie Lettland oder Irland können wahrscheinlich über eine Deflations-Politik wieder wettbewerbsfähig gemacht werden, aber für größere Volkswirtschaften wie Italien wäre eine solche Rosskur nicht nur unerträglich, sondern praktisch nicht durchsetzbar.

    Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble mag zwar zur rigiden Sparpolitik aufrufen, doch diese wird nicht realisiert werden. Vor dem Neubeginn einer "feuerfesteren" Euro-Zonen-Politik müssen zunächst vorrangig die Hauptbrände gelöscht werden.

    Die am wenigsten schlechte Option eines Neubeginns wäre die unbegrenzte Bereitstellung von EZB-Ziehungsgeldern für Staaten und gesunde Bankinstitute. Es müsste intellektuell möglich sein, zu verdeutlichen, dass der Ankauf öffentlicher Anleihen mit der Aufrechterhaltung der Geldwertstabilität kompatibel ist, wächst doch die Geldmenge im Euro-Raum jährlich nur um ca. 2% .

    Politisch wird im Euro-Raum eine heikle Situation entstehen, wenn am 1. November 2011 der Italiener Umberto Draghi die Funktion des EZB-Präsidenten übernimmt.

    Angesichts der Unzulänglichkeit des anvisierten Euro-Rettungsschirms könnte die Situation eintreten, dass Draghi im Fall von Zahlungsschwierigkeiten größerer europäischer Volkswirtschaften weitere EZB-Finanzhilfen gewähren wird. Die Politiker müssten dann den Mut aufbringen, ihn dabei zu unterstützen.

    Was geschieht, wenn Berlin sich solchen Initiativen verweigert?

    Die EZB müsste ihren eingeschlagenen Weg weitergehen, um eine Abfolge von Zusammenbrüchen zu verhindern. Die Deutschen stünden vor der Wahl, ob sie – vielleicht zusammen mit Österreich, den Niederlanden und Finnland – aus der Währungsunion austreten. Sie müssten sich dann allerdings darüber im Klaren sein, dass ein solcher Schritt eine brutale Erhöhung ihres Währungs-Wechselkurses, eine massive Absenkung der Rentabilität ihrer Exporte, einen enormen Finanzschock und ein Absinken ihres Brutto-Inlandsprodukts nach sich ziehen wird.

    Politisch wäre der Zerfall der Währungsunion das Ende des Projekts von zwei Generationen, die einen soliden Rahmen für ein vereintes Europas schaffen wollten.

    Gegen die Ausweitung von EZB-Haushalts-Hilfen hat Deutschland natürlich ein Veto-Recht. Angesichts der Schwere der Krise für Europa und die Weltwirtschaft hätte jedoch allein die EZB adäquate Handlungsmöglichkeiten.

    Demgegenüber wären die Kosten ihres Nichthandelns schlimm. Wahrscheinlich würde eine politische Krise, ganz sicher jedoch eine verheerende Wirtschaftskrise ausgelöst.

    Am Ende der Rechnung hat Deutschland die Wahl zwischen

    1. einer Euro-Zone, die nicht Groß-Deutschland ist und
    2. überhaupt keiner Euro-Zone.

    Ich verstehe, dass deutschen Politikern und der deutschen Bevölkerung die anstehende Schicksalsentscheidung unangenehm ist. Frau Merkel muss jetzt den Mut aufbringen, sich klar und deutlich für die richtige Wahl zu entscheiden.

Anhang 2:

DAS KULTURGESPRÄCH

23.09.2011 · 19:15 Uhr

Deutsche Krisenbewältigung
Zwischen Entzauberung und Rechthaberei

Moderation: Norbert Seitz

Seit Wochen hagelt es Hiobsbotschaften aus der europäischen Finanzwelt. Die aufwendigen Rettungsmaßnahmen sind umstritten, das Vertrauen in das politische Krisenmanagement scheint begrenzt. Wie reagieren die Deutschen auf die Krise, nachdem ihnen in kritischen Perioden der Nachkriegszeit häufig ein "Hang zur Apokalypse" unterstellt worden ist?
Diskussion mit Wissenschaftlern und Experten.

Es nehmen teil:

Gertrud Höhler
em. Professorin für Literatur an der Universität Paderborn, Unternehmensberaterin und freie Publizistin (u.a. "Götzendämmerung. Die Geldreligion frisst ihre Kinder")

Heinz Bude
Professor für Soziologie an der Universität Kassel sowie am Hamburger Institut für Sozialforschung (u.a. "Bildungspanik. Was unsere Gesellschaft spaltet")

Gerd Langguth
Professor für Politische Wissenschaft an der Universität Bonn (u.a. "Kohl – Schröder – Merkel. Machtmenschen")

Michael Naumann
Herausgeber des Monatsmagazins "Cicero"

Quelle:

dradio.de  http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturgespraech/1561873/

Anhang 3:

Auszug aus Albrecht Müller: "Meinungsmache", Seiten 30 und 31:

Auch wichtige Impulse für den Umweltschutz kamen in den sechziger und siebziger Jahren nicht nur von den politischen Spitzen, sondern aus den verschiedensten Ecken, zum Beispiel aus den Wirtschaftswissenschaften: In der Nationalökonomie waren die theoretischen Ansätze Jahrzehnte vorher in den soge nannten Welfare Economics formuliert worden. Lange vor der öffentlichen umweltpolitischen Debatte wurde hier die Vorstellung entwickelt und formuliert, dass es bei der Produktion von Gütern und Dienstleistungen externe Effekte geben könne (»external economies« und »diseconomies«) . Wenn ein Lkw von Rotterdam nach Basel fährt, verursacht er Kosten, die nicht beim Spediteur anfallen, sondern bei den Menschen, die entlang der befahrenen Strecke wohnen, und bei uns allen, die wir mit unseren Steuern für die Straßen aufkommen und unter der Belastung des Klimas leiden. Dass der Markt in diesen Fällen versagt und deshalb staatliche Entscheidungen getroffen werden müssen, die die externen Effekte in die privaten Kalkulationen zwingen, war unter Ökonomen, die sich mit diesen Fragen beschäftigten, unstrittig. In den Sechzigern erreichte die einschlägige wissenschaftliche Diskussion allmählich die publizistische und politische
Ebene. 1972 erschien der Bericht des Club of Rome »Die Grenzen des Wachstums«. Im April desselben Jahres veranstaltete die IG Metall unter dem Vorsitz von Otto Brenner eine Konferenz zum Thema Lebensqualität.

Der Begriff zierte dann ein halbes Jahr später den Titel des SPD-Wahlprogramms. Diese öffentliche Debatte hatte immerhin den Effekt, dass ab 1969 eine größere Zahl von politischen Entscheidungen pro Umweltschutz getroffen wurde. Erst 1979/80 gründeten sich die Grünen, die den Umweltschutz zum Leitmotiv ihres Parteiprogramms machten.





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