Journalismus und PR sind vielfältig durchmischt.
Die Journalisten wollen es nur nicht wahrhaben.
(Nachdenkseiten)
Deutschlandfunk (Einleitungstext)
Erstens: Public Relations ist älter und kommt massiver vor, als viele denken
Es ist Sommer 1969. Die Mitarbeiterin eines Bonner Wirtschaftsjournalisten lacht mich aus, als ich, damals Ghostwriter des Bundeswirtschaftsministers Karl Schiller, zu erkennen gebe, dass ich nicht weiß, wie tief ein Teil der Bonner Wirtschaftsjournalisten in die PR-Arbeit von Verbänden, Sparkassen, Banken und anderen großen Unternehmen integriert ist.
Die Honorare beziehungsweise die Gehälter für die journalistische Arbeit ihres Chefs seien ein kleiner Teil dessen, was er für Artikel, Broschürentexte und andere Produkte für die Bonner Lobby verdient. Selbstverständlich färbten diese Honorare auf die journalistische Arbeit ab. Das ist auch der Sinn der Zahlungen für die Produkte jenseits der eigentlichen journalistischen Arbeit.
Einige Wochen später, Ende 1969, werde ich mit der Information konfrontiert, dass ein einziger Agenturjournalist und seine Gehilfin für PR Arbeit also neben seinem Gehalt über eine halbe Million DM für freundliche Artikel im Humantouch-Bereich bezogen hat innerhalb eines kurzen Zeitraumes von ungefähr neun Monaten.
Es gab also auch vor 40 Jahren schon massive PR und auch damals schon die Vermischung von PR Arbeit und journalistischer Arbeit.
Das ist bis heute so und dafür gibt es auch deutliche Belege. Im Feature werden eine Reihe von guten Beispielen genannt, unter anderem: die PR-Begleitung des ersten Golfkriegs, die PR der Deutschen Bahn AG mithilfe von BerlinPolis und Partner, die PR Versuche der pro-Stuttgart 21- Akteure, Joachim Gauck und seine Kandidatur als PR Produkt (sehr schön dargestellt, endlich!).
In den NachDenkSeiten und unseren Büchern finden Sie eine Kette von weiteren eindrucksvollen Belegen für massive PR:
Es gäbe keine Riester-Rente, wenn die PR Maschinerie der Versicherungswirtschaft und der Banken zusammen mit der Politik und einigen so genannten Wissenschaftlern das so genannte demographische Problem nicht hochgezogen hätten. Es gäbe deshalb auch keine Rente mit 67.
In diesem Themenbereich finden sich auch gute Beispiele für gelebte Public Relations:
Im Kapitel 21 von "Meinungsmache" über "Das Verschwinden der Medien als kritische Instanz" findet sich ein eigener Abschnitt zu PR: "Wo Journalismus geht, kommt die PR". Seite 378-388. Hinweisen möchte ich auch auf ein grundlegendes Buch zur Entwicklung in den USA, auf McChesney Rich Media, Pure Democracy von 1999. Siehe hier. McChesney skizziert das Zusammenspiel von Madison Avenue und Wallstreet. In der Finanzkrise wurden auch wir Opfer dieses Zusammenspiels. Dass wir nämlich so lautlos Hunderte von Milliarden für die Banken zahlen, ist die Folge sehr erfolgreicher Public Relations-Arbeit der Finanzwirtschaft. Fazit: Ansätze massiver Public Relations-Arbeit gibt es schon lange. Die Dimension jedoch dürfte gewaltig gestiegen sein. So verstehe ich auch die Darstellung in dem Feature des Deutschlandfunks. Zweitens: Die Vermischung von Journalismus und Public Relations ist eindrucksvoll und der Versuch von Journalisten, diesen Eindruck zu verwischen, ist beachtlich. Über die neueren eigenen Erfahrungen zur Weigerung vieler Journalisten, ihre Bedrohung durch Public Relations und ihre Einbindung in Kampagnen wahrzunehmen, habe ich hier (Kampagnenjournalismus das Gespinst von Verschwörungstheoretikern?) (http://www.nachdenkseiten.de/?p=5538) und hier (Die Traumwelt maßgeblicher Journalisten: Die Pluralität unseres Medienangebots) (http://www.nachdenkseiten.de/?p=7252) vor kurzem berichtet. Auch bei den Einspielungen von Interviews im Feature des Deutschlandfunks wird dieses Abwiegeln sichtbar. Der Chefredakteur des Spiegel erweckt den Eindruck, als würde man bei Spiegel und Spiegel Online genau darauf achten, PR aufzuspüren und vor der Tür zu halten. Das ist wirklich ein toller Versuch der Reinwaschung. Denn Spiegel und Spiegel Online sind ein Musterbeispiel für die permanente Vermischung von PR und Journalismus sowie der Vermischung von Kampagnen als Teil der PR mit der ehrlichen Arbeit von Journalisten. Spiegel Online hatte seit dem Frühsommer z.B. ständig gleich mehrere Artikel parat, in denen des Wirtschaftsministers Brüderle Botschaft, wir hätten einen Aufschwung XL und ein neues Wirtschaftswunder mit feurigen Worten beschworen und wiederholt wurde und wird. Die Tatsache, dass wir mit Glück wieder auf dem Niveau von 2008 landen, und die Tatsache, dass die Wachstumsraten mit 3,7 % oder 2 % keineswegs berauschend sind, spielt keine Rolle. Die Produkte mehrerer Spiegel Online Redakteure erinnern an den oben skizzierten Fall des Doppellebens Bonner Wirtschaftsjournalisten. Spiegel Online stützt nahezu ausnahmslos die Arbeitgeberlinie. Spiegel Online hat über weite Strecken Reklame für private Altersvorsorge gemacht. So auch am 10.11. wieder mit "Banksparpläne Richtig riestern trotz Niedrigzinsen" (http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/0,1518,druck-728208,00.html) und der Berufung auf "Finanztest" und keinerlei Distanz zu diesem Medium, das nachweisbar und in der NachDenkSeiten mit vielen Beispielen belegt Public Relations für die Finanzindustrie macht. Zur Ehre der Spiegelgruppe sei angemerkt, dass es in anderen Medien ähnlich zugeht und dass außerdem auch in den Redaktionen bei Spiegel und Spiegel Online Journalisten tätig sind, die ihrem wahren Beruf nachgehen. Die Beispiele für den Einfluss von Public Relations auf redaktionelle Entscheidungen sind Legion: Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, diese PR Organisation der Metallarbeitgeber, subventionierte über die Produktion Ederer Fernsehfilme für die ARD zum Sozialstaat. Ist das keine Vermischung von PR und redaktioneller Arbeit? Das Familienministerin finanzierte Hörfunkbeiträge und Zeitungsartikel. Siehe Hinweis Nummer 19 hier: Alles sauber? (http://www.nachdenkseiten.de/?p=2596) Die Allianz Lebensversicherung AG informierte ihre Vertreter in einer Vertreterinformation darüber, dass in der Bild-Zeitung nicht nur mit Anzeigen für die Riester Rente der Allianz, die VolksRente, geworben wird, sondern auch im redaktionellen Teil. Der ehemalige Pressesprecher der Allianz AG, Oliver Santen, wechselte schon vor Jahren von der Allianz zur Bild-Zeitung und betreibt dort die "Informationsarbeit" zu Gunsten der Privatisierung der Altersvorsorge. Das zuvor erwähnte Beispiel, dass der für den Versicherungskonzern WWK werbende Reinhold Beckmann eine Sendung macht, zu der er Norbert Blüm in Kombination mit der ebenfalls für WWK tätig gewesenen Nina Ruge einlädt und selbstverständlich keine Distanz zur Werbung für Privatvorsorge wahrt. Auf der zweiten Seite der zuvor erwähnten Studie des BerlinInstituts war zu lesen, dass die Studie von der Deutschen Krankenversicherung AG mitfinanziert ist. Das hätte jeden Journalisten Abstand nehmen lassen müssen. Nichts davon. Massenweise haben sie das PR Produkt übernommen nach und vor dem 15. März 2006. Die Themenplanung und die Liste der Eingeladenen bei einer Reihe von Talkshows und Diskussionsrunden stehen für jeden halbwegs Eingeweihten deutlich erkennbar unter dem Einfluss von PR Agenturen und ihren Auftraggebern. Das liegt ja auch nahe. Auch bei öffentlich-rechtlichen Sendern ist nämlich die Produktion einschließlich der Planung der einzelnen Sendungen natürlich unter Beteiligung der öffentlich-rechtlichen Redaktionen in private Produktionsgesellschaften ausgelagert: So zum Beispiel bei Hart aber fair, bei Anne Will, usw.. Es war bei Christiansen schon so. Und es war dort schon erkennbar, dass der gemeinsame PR Berater von Frau Christiansen und von Bundesfinanzminister Hans Eichel seine Finger im Spiel hatte, um seinen Minister zum Sparkommissar auch mithilfe der ARD-Sendung vom Sonntag Abend hoch zu stilisieren. Dem PR-Berater kann man das nicht übel nehmen. Aber den Journalisten, auch hochmögenden Journalisten, die immer noch so tun, als wäre ihr journalistischer Bereich PR-rein, muss man diese Verschleierung schon ankreiden. Angesichts dieser Vermischung von journalistischer Arbeit und PR hätte der Autor des Features bei manchen Interviewten kritischer rangehen können. Einer der Interviewten tat das: der ausgefuchste PR-Mann Klaus Kocks. Sein wichtigster Rat in diesem Kontext war: Nichts glauben! Nicht glauben! Auch seine Bemerkung zum NetzwerkRecherche ist interessant: er notierte bei diesem eine "vor-kritische" Haltung. Es sind in Anbetracht der wirklichen Situation Zweifel angebracht, ob der Untertitel der Sendung der Realität gerecht wird. Hier kommt keine fünfte Gewalt zur vierten Gewalt hinzu. Hier vermischt sich etwas, nämlich PR mit der journalistischen Arbeit. Die Public Relations unterwandern die vierte Gewalt. Viele Journalisten wollen das nicht sehen, obwohl diese Entwicklung gerade den wirklichen Journalisten das Leben schwer macht. Denn ein Journalist kann im Verbund mit den Auftraggebern der PR leichter und schneller Material ranschaffen und Geschichten auftun. Vorgeschriebene Texte beschleunigen sein Handwerk. Daraus folgt eine Wettbewerbsverzerrung zulasten des unabhängigen Journalismus. Leider wollen die meisten Journalisten diese Bedrohung nicht sehen. Der Corpsgeist im Journalismus ist groß. Er schützt bisher den PR-Einfluss.
Posted via email from Daten zum Denken, Nachdenken und Mitdenken
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