Donnerstag, 1. September 2011

#Gedanken #über die #Moral der "Hitler-Deutschen" - "Mit der Moral der Deutschen war es unter Hitler nicht weit her."

(...)

Gedanken zur Zeit 1978 28-08-11:


Gedanken über die Moral der "Hitler-Deutschen"

Nach dem so schrecklich blutig verlorenen Zweiten Weltkrieg und dem internationalen Bekanntwerden der unglaublichen Greuel von
Nazi-Deutschland an Juden und vielen als nicht-arisch eingestuften Menschengruppen haben die meisten Deutschen versucht, zwischen sich und den nationalsozialistischen Henkern einen Strich zu ziehen.
Haben sie nur unter Druck die Hand zum Hitlergruß gehoben, das Horst-Wessel-Lied gesungen und an Aufmärschen bis in die letzten Tage teilgenommen und von den Gräueln ohnehin nichts
gewußt?
Jetzt ist der britische Historiker Ian Kershaw mit seinem Buch "The End: Hitlers Germany, 1944-45" der Periode zwischen dem gescheiterten Aufstandsversuch vom 20. Juli 1944 und der
Kapitulation im Mai 1945 nachgegangen. Er wollte verstehen, wie es möglich war, daß ein ganzes Volk und das Militär, das doch über die aussichtslose Lage voll informiert war, dem
Führer bis in die letzten Tage in den Untergang gefolgt ist. Es war, so Kershaw ein geschichtlich einmaliger Vorgang, da sonst kriegsführende Völker den Krieg immer aufgegeben haben,
um der totalen Vernichtung zu entgehen, so auch Deutschland am Ende des Ersten Weltkriegs. Was war mit den Deutschen los? Waren sie so sehr selbst in den Tagen der Auflösung des Dritten Reiches
noch unter gewaltsamer Kontrolle der nationalsozialistischen Führungsgruppe, daß sie nicht anders konnten? Oder war etwa Volk und Führer eine in diesem Fall zutiefst unmoralische
Einheit, zusammengeschweißt bis in den Untergang?

Ich habe begonnen, das Buch zu lesen und habe noch keine klare Antwort auf diese Frage, ahne aber die Richtung schon. Zum Einstieg beschreibt
Kershaw eine Begebenheit in Ansbach kurz vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen, die schon vor den Toren standen. Der Kommandant der Wehrmacht wollte diese mittelalterliche und noch
unzerstörte Stadt bis zum Ende verteidigen, obwohl der Ausgang glasklar war. Ein junger Theologie-Student von 19 Jahren beschloß, etwas gegen den Untergang zu unternehmen. Er wußte,
wo das Telefonkabel aus der Kommandantur heraus verlief. Mit einer Zange schnitt er es durch, um so die Kommandantur informationslos zu machen und zur Aufgabe zu bewegen. Doch die war schon
ausgezogen, was er nicht wußte. Da beobachteten ihn zwei Kinder, die ihn sofort anzeigten. Deutsches Militär und Polizei kamen und schleppte ihn ins Rathaus, wo der Kommandant drei Richter
aus dem Militär ernannte, die den Unglücklichen innerhalb weniger Minuten zum Tode verurteilten. Er sollte auf der Stelle gehängt werden, denn wegen der anrückenden Amerikaner
schien Eile geboten.

Man legte ihm eine Schlinge um den Kopf. Doch er konnte sich freimachen und etwa einhundert Meter weglaufen, bis er wieder eingeholt und zurückgeschleppt wurde. Viele
Menschen hatten sich versammelt, brave Bürger von Ansbach. Sie beschimpften ihn und traten nach ihm. Dann wurde ihm ein zweites Mal die Schlinge um den Kopf gelegt. Doch diesmal riß das
Seil. Beim dritten Mal klappte das grausame Spiel dann. Der Kommandant erklärte, die Leiche solle hängen bleiben, bis sie faule, requerierte ein Fahrrad und türmte vor den Amerikanern,
die zu dieser Zeit einzumarschieren begannen. Sie schnitten dann die Leiche vom Seil.

Man schüttelt sich vor Grausen, wenn man diese wahre Geschichte liest. Was waren das nur für
Menschen, die Militärs, die noch Zeit fanden, einen Menschen zu ermorden, bevor sie sich selbst in Sicherheit brachten, und die Menschen, die sich an dem zum Tode Verurteilten vergriffen, der
nur geglaubt hatte, ihre Stadt vor der Vernichtung retten zu können.
Hier ein Sprung nach 1970, fünfundzwanzig Jahre später. Ich war damals im Bundeswirtschaftsministerium und hatte
mir angewöhnt zu versuchen, aus dem Verhalten älterer Kollegen darauf zu schließen, was sie wohl im Dritten Reich getan hatten. Einigen traute ich eine Menge zu. Einer brüstete
sich sogar in heftigen Diskussionen, daß er die Nahkampfspange getragen hätte. Andere konnten sich nicht damit abfinden, daß Deutschland geteilt war. Diese Menschen waren teilweise
aus dem Reichswirtschaftsministerium und dem seinerzeitigen Auswärtigen Amt in die neu entstehende Bundesverwaltung übernommen worden. Hier eine kleine Auswahl von früheren
Mitarbeitern des Bundeswirtschaftsministeriums, die dort erstaunliche Karrieren machen konnten; die Informationen hatte ich 1970 im Braunbuch der DDR gefunden:

Nieschling (Marinekriegsgerichtsrat
sowie Mitglied von NSDAP und SA), Dr. Woratz (Blockleiter und Rechtsberater der Gaurechtsstelle der NSDAP Ostpreußen; Voruntersuchungsführer beim Kreisgericht der NSDAP in
Königsberg), Dr. Baetzgen (Sonderbeauftragter bei der faschistischen Horthy-Regierung in Budapest; NSDAP; SS-Führer), Beck (1939 beim Reichsprotektor in Böhmen und Mähren in Prag,
Hauptabteilung Wirtschaft und Arbeit; NSDAP; SS-Führer), Dr. Britsch (Reichstreuhänder für die ehemaligen Rothschildschen Vermögen, aktiv an "Arisierungsmaßnahmen"
beteiligt), Dr. Coelln (Leiter des "Judenreferats" im Reichswirtschaftsministerium; Blockleiter der NSDAP), Humbert (im Reichswirtschaftsministerium im sogenannten Judenreferat tätig, 1943
Vertreter des Generalreferenten für Sonderaufgaben im Planungsamt des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion), Möhrke (Leiter des Referates "Entjudung der Wirtschaft"
im Reichswirtschaftsministerium), Dr. Rother (Reichswirtschaftsministerium, Mitwirkung an "Arisierungsmaßnahmen" im Handel und Gewerbe; galt als "unersetzliche Führungs- und Fachkraft";
Blockleiter der NSDAP), Dr. Rust (Oberkriegsverwaltungsrat und Gruppenleiter des berüchtigten Wirtschaftsstabes Ost beteiligt; Referatsleiter im Reichsministerium für die besetzten
Ostgebiete) Schulz (stellvertretender Abteilungsleiter beim Wirtschaftsstab Ost - Chefgruppe W; NSDAP; SS-Führer), Dr. Töpfer (Chef der Leitungsgruppe im Planungsamt des Reichsministeriums
für Rüstung und Kriegsproduktion; Aufsichtsratsmitglied des Prixkonzerns (eines Zellwollekonzerns), der ausländische Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge ausbeutete).



Mit der Moral
der Deutschen war es unter Hitler nicht weit her. Das einige der unangenehmsten Typen später im demokratischen Deutschland schöne Karrieren machen konnten, verlängert den Schatten
dieser schlimmen Zeit.

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