Neues Arbeiten
Erfolg ohne Chef und Einheitslohn für alle
Hermann Sussitz
[Der Standard]
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Demokratie in der Firma, das geht, sagt sich ein deutscher Unternehmer: Über Bezahlung, Boni und Investitionen wird abgestimmt.
Unternehmer geworden ist der Studienabbrecher Pflüger, der zuvor als Journalist und Musiker gearbeitet hatte, zufällig: "Ich kam wie die Jungfrau zum Kind." Der Neo-Chef bemerkte damals, dass sich seine Mitarbeiter, oft alte Bekannte, ihm gegenüber anders verhielten. "Ein Freund lachte auf Geschäftsterminen über Witze von mir, die er vorher nie lustig gefunden hatte, und begann meine Sachen zu tragen", schmunzelt Pflüger im Gespräch mit derStandard.at.
Kurz danach zog er die Reißleine. Die "dunkle Seite der Macht" war ihm allzu gefällig geworden. Gegen den Willen seines Steuerberaters und so manchen Familienmitglieds führte er seine "Wirtschaftsdemokratie" ein.
Karrierehöhepunkt schnell erreicht
Als Ideologe will Pflüger aber nicht gelten. Es tue dem Unternehmen einfach gut, dass seine Mitarbeiter frei arbeiten können. Die Firma zeichnet heute für multimediale Produktionen und Veranstaltungen verantwortlich, zählt 32 Köpfe und erwirtschaftet einen Umsatz von mehr als fünf Millionen Euro. Zwei Drittel der Mitarbeiter sind Männer, ein Drittel Frauen.
"Beim Eintritt in unsere Firma haben sie den höchsten Punkt ihrer Karriere erreicht", formuliert Pflüger überspitzt. Was leistungsfeindlich klingen mag, trage im Gegenteil zum explosiven Freisetzen von Kreativität bei. Der Unternehmer hofft auf den Einzug der Moderne in die Arbeitswelt. Schließlich sei man im Privatleben oder bei den politischen Verhältnissen schon lange soweit.
Der Einheitslohn begleitet die Firma, die auch für viele Mittelständler, die Deutsche Bank oder die katholische Kirche tätig ist, nunmehr seit 20 Jahren. Job und Alter spielen keine Rolle, alle, ob Kameramann, Cutter oder Graphiker, bekommen dasselbe. Wie viel, das will Pflüger nicht verraten, die Bezahlung sei aber übertariflich. Co-Geschäftsführer Thomas Lutz und er selbst verdienen mehr, es sei aber weniger als in dieser Branchenposition üblich.
Dabei gibt der Unternehmer Pflüger offen zu, dass ein Einheitslohn ungerecht sei. Es gebe aber eben keine gerechtere Lösung. Denn fange man an das Gehalt an die Leistung eines Menschen zu knüpfen, dann verhielten sich alle anders - je nachdem, wie Mehr- oder Minderleistung gemessen wird.
Das Gleiche gelte für den Chef. Der sei schon nötig und darf auch mehr verdienen, schließlich müsse jemand seine Unterschrift unter die Rechnungen setzen und das finanzielle Risiko tragen. Aber dass die Menschen ohne Hierarchie nach möglichst wenig Eigenverantwortung streben und nur auf Zuruf arbeiten würden, hält er für ein "Gebrüder-Grimm-Märchen".
Die Individualität bleibt
In der langen Unternehmensgeschichte wurde daher von der "Ein-Lohn-für-Alle-Regel" nur ein halbes Jahr lang abgesehen. Der damalige Plan: War man neu bei der Firma, sollte man in den ersten drei Jahren weniger als die alteingesessenen Mitarbeiter verdienen. Einmal mit der Etikette "schlechter bezahlt" versehen, gaben die Neulinge aber zusehends Verantwortung an die besser Bezahlten ab, die sich wiederum mit mehr Arbeit konfrontiert sahen. Da das in niemandes Sinne war, sah man von einer Lohndifferenzierung wieder ab, erzählt Pflüger.
Die Individualität im Unternehmen scheint aber trotzdem zu bestehen. Ein jeder habe seine Stärken und Schwächen: "Die Branche ist hart, da hat jeder seine individuelle Schmerzgrenze, an die er gehen kann", betont Pflüger. (Hermann Sussitz, derStandard.at, 14.9.2011)
Wissen: Gernot Pflüger hat auch ein Buch zum Thema geschrieben: "Erfolg ohne Chef. Wie Arbeit aussieht, die sich Mitarbeiter wünschen", erschienen im Econ-Verlag.
Noch weiter geht die Mitbestimmung beim brasilianischen Industrie- und Dienstleistungskonglomerat Semco. Bei der von Ricardo Semler geführten Gesellschaft wählen die Mitarbeiter ihre Vorgesetzten, Arbeitszeiten und Gehälter selbst. Die über 3.000 Arbeitnehmer erwirtschaften einen Umsatz von rund 400 Millionen Dollar (292 Millionen Euro).
Semco entwickelt und produziert Kühlgeräte und berät internationalen Firmen beim Eintritt in den brasilianischen Markt. Der Konzern ist auch an vielen Unternehmen beteiligt, darunter an dem Ethanol-Produzenten Brenco.
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