Freitag, 24. September 2010

Jahr 3 n.L. (nach Lehman): Warten auf die nächste Finanzmarktkrise?


global news wb27.59 23-09-10:

Jahr 3 n.L. (nach Lehman): Warten auf die nächste Finanzmarktkrise?

(jjahnke.net)


Die Regierungen hatten nach dem Lehman-Zusammenbruch, der wie ein Tsunami über die Kreditmärkte kam, nun bereits zwei Jahre Zeit, um uns gegen neue Krisen dieser Art zu schützen. Doch wenig ist geschehen. Auch wurde kein einziger der für die Krise Verantwortlichen weder strafrechtlich noch sonstwie zur Verantwortung gezogen.

Der Kommentator der New York Times beschrieb das unter der Überschrift "Niemand ist für Irgendetwas verantwortlich". Und Alan Greenspan, oberster Finanzmarktwächter während 18 Jahren meinte vor dem US Kongreß-Ausschuß, er hätte 70 % der Zeit richtig gelegen und nur 30 % falsch. Dazu der Kommentar: So könnte auch der Kapitän der Titanic sagen, er sei 70 % der Zeit auf dem richtigen Kurs gewesen.

In Deutschland ist z.B. Jörg Asmussen, der seinerzeit als Ministerialdirektor für die Bankenaufsicht im Finanzministerium verantwortlich war, selbst im Aufsichtsrat der IKB saß, die den Steuerzahler viel Geld kostete, und der in Deutschland die hochriskanten Verbriefungen von Forderungen aus Hypotheken salonfähig gemacht hatte, von Steinbrück noch zum Staatssekretär befördert worden. Sein Vorgänger Koch-Weser ging als Berater zur Deutschen Bank.

Vor allem wurde das Zeitfenster verpaßt, in dem die Bankenlobby schwach war. Jetzt kann sie wieder drohen, z.B. mit der Verweigerung von Krediten an die Wirtschaft, oder mit neuen Profiten neue Parteispenden starten. Entsprechend mager sind die Ergebnisse all der beschwörenden Worte aus der Politik, die jede weitere Krise durch entschlossene Reformen vermeiden wollte:

-> Die großen Investmentbanken, die den Tsunami überlebten, wurden nicht zerschlagen und sind wieder in voller Größe da, jedenfalls weiterhin groß genug, um die Regierungen im Notfall erpressen zu können. Zwar mußten in USA einige das Handtuch werfen, doch die überlebenden zwei ganz Großen, nämlich Goldman und Morgan Stanley, sind nun noch größer geworden. Sie betreiben wieder - in den denkwürdigen Worten des Goldman-Chefs - "Gottes Arbeit".

-> Zwar wurden etwas höhere Eigenkapitalsätze vorbereitet, die nun wahrscheinlich so verabschiedet werden. Doch - nicht zuletzt auf Druck der um die deutschen Landesbanken besorgten Bundesregierung - sind sie so niedrig angesetzt, das sie in schlimmen Fällen zur Krisenverhinderung nicht ausreichen werden. Wie stark die Eigenkapitalsätze über viele Jahrzehnte von einst 15 % bis 25 % auf nur noch 4 % bis 8 % z.B. für Großbritannien und USA heruntergerutscht sind, hat die Financial Times graphisch dargestellt (Abb. 16157); die deutschen Werte liegen noch unter den britischen.

Der neue Mindestsatz von 7 % wird nur sehr langsam über fast 10 Jahre eingeführt. Dabei hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in einer Studie selbst festgestellt, daß ein Prozent mehr Kernkapital längerfristig nur zu 0,1 % weniger Wirtschaftswachstum führt (Abb. 16158). Die Kreditverluste der amerikanischen Banken aus der letzten Krisen lagen bei etwa 7 %, also mehr als jetzt als Kernkapital vorgeschrieben wird, so daß die Quote bei einem Puffer von 4 % eigentlich bei 11 % liegen sollte.

-> Auch die neuen Eigenkapitalregeln beruhen auf dem in der letzten Krise diskreditierten System der Risikogewichtung von Anlagen, bei dem die Banken selbst das Ausmaß des Risikos aus bestimmten Anlagen einschätzen.

-> Der gigantische Handel mit Finanzwetten in Form von Derivaten ist weiter ungeregelt und hat erneut zugenommen, fast alles total intransparent (Abb. 03803). So können die Investmentbanken weiter mächtig spekulieren und ihre Gewinne und Bonuszahlungen hochfahren (Abb. 16156).

-> Hedgefonds, von denen viele den Banken gehören, entziehen sich immer noch jeder Kontrolle. Da die Finanzierung über Banken durch höhere Eigenkapitalvorschriften nun verteuert wird, besteht die Gefahr, daß das spekulative Geschäft noch mehr zu Hedgefonds und anderen wenig oder gar niicht kontrollierten Schattenbereichen außerhalb der Banken abwandert. Auch die immer größeren Hedgefonds können zu systemischen Risiken werden, die den Steuerzahler fordern.

-> Die Bonuszahlungen für Top-Manager der 100 Top-Unternehmen in der Listung der Financial Times liegen bereits wieder nahe dem Vorkrisenniveau. Nach einer neuen Untersuchung lag das Bonusniveau bei 100 % des Basisgehaltes, und bei den Top 30 sogar bei 140 %. Eine Steuer auf Bonuszahlungen ist am Widerstand der Banken gescheitert.

Selbst die Manager der HRE haben vor kurzem Bonuszahlungen in der Gesamthöhe von 25 Millionen Euro erhalten. Mitarbeiter der verstaatlichten Bank hätten nach einem Bericht im SPIEGEL auf alte Zusagen gepocht und mit Klagen gedroht, obwohl ihr Arbeitgeber allein 2009 einen Verlust von 2,2 Mrd Euro gemacht hat. Einige Banker hätten so jeweils mehr als eine Million Euro kassiert, während die Gehälter der HRE-Vorstände nach wie vor auf 500 000 Euro begrenzt sind.

-> Ein international zu regelnder Notfonds mit Beiträgen der Banken scheiterte am Widerstand einzelner Länder.

-> Der Markt für Verbriefungen ist nach dem Absturz mit den miesen Hypothekenpapieren noch nicht wieder zu neuem Leben erwacht. Doch haben die Regierungen keine international abgestimmten Maßnahmen beschlossen, um ihn besser zu überwachen, falls er wieder auflebt.



Posted via email from Beiträge von Andreas Rudolf

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