Montag, 5. November 2012

Am 17. Oktober ging es beim Sender ATV-plus um Reichensteuern - Felber, Kolm und Reichensteuern [via tantejolesch]


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Tante Jolesch

Felber, Kolm und Reichensteuern

Eine TV-Analyse

[via tantejolesch.at]

http://tantejolesch.at/tjtrue.php?bild=reichensteuern.jpg&href1file=reichensteuern

 

Am 17. Oktober ging es beim Sender ATV-plus um Reichensteuern.

Eingeladen zur Diskussion waren

Barbara Kolm vom Hayek-Institut Wien,
Günter Stummvoll von der ÖVP,
Kai Jan Krainer von der SPÖ und
Christian Felber von attac.

Hier gehts zur Kurzfassung der Diskussion:



Barbara Kolm (Hayek-Institut)

Barbara Kolm vom Hayek-Institut kam gleich zu Beginn mathematisch ins Schleudern. Sie irrte sich um sage und schreibe vier Zehnerpotenzen.

Christian Felber von attac rechnete vor: Rund 1000 Milliarden an Vermögen besitzen die 10% reichsten Österreicher. Würde man dieses Vermögen mit nur 1 % zusätzlich besteuern, hätte man jährlich 10 Milliarden Euro mehr zur Verfügung - zB für Aufgaben wie Bildung, Pflege, Schuldenabbau. Barbara Kolm bestritt die Rechnung und meinte, diese Art Besteuerung erbrächte nur ungefähr 1,5 Millionen Euro.

Anmerkung:
In Frau Kolms Äusserungen kam so viel Pisa zum Vorschein, dass die Tante beschlossen hat, Frau Kolm bei Gelegenheit einen Volkshochschulkurs in "Prozentrechnen" zu spendieren. Um den Lernerfolg abzusichern, und damit Frau Kolm auch in Zukunft einen Irrtum von vier Zehnerpotenzen richtig einzuschätzen weiss, sollte zudem ihr monatliches Gehalt von 10.000 Euro auf 1,50 Euro pro Monat korrigiert werden.

Günter Stummvoll (ÖVP)

Günter Stummvoll ist offensichtlich der Joker der ÖVP. Sein Lächeln verliess ihn nie. Er rührte in gewohnter Weise alle Steuerarten in einem Bottich zusammen und erklärte: "Wir zahlen doch alle Steuern". So umarmte er wieder einmal volksparteilich die ganze Nation nach dem Motto "Wir sitzen doch alle in einem Boot!". Stimmt. Stummvoll und die Seinen auf dem Luxusdeck und der Rest in der Küche, auf der Krankenstation und im Maschinenraum des Liners "Österreich".


Kai Jan Krainer (SPÖ)

Kai Jan Krainer von der SPÖ litt sichtlich unter der Kälte und Abgebrühtheit seiner Kontrahenten. Je länger die Debatte ging, umso mehr. Er bemängelte, dass Vermögende, die leistungslos Zuwächse erzielten, darauf nur 25% Steuern zahlen, Arbeitnehmer hingegen müssten auf ihr durch Leistung erzieltes Einkommen 40% an Steuern und Abgaben berappen.

Zur Illustration der Fakten zog er eine Grafik mit drei Säulen aus der Tasche. Darauf war das Steueraufkommen der ärmsten 10%, der reichsten 10% und der Mitte der Bevölkerung dargestellt. Alle, so Krainer, trügen steuerlich gleich viel bei, obwohl die ärmsten und die Mitte viel weniger Vermögenssubstanz aufzubieten hätten.

Krainers Grafik war eher verwirrend als aufklärend. Klüger wäre es gewesen, einfach noch einmal vor Augen zu halten: die 10% reichsten Österreicher besitzen laut OeNB 68% des gesamten Privatvermögens, dem Rest, 90 % der Bevölkerung, gehören gerade einmal 32 %.

Nebenbei bemerkt: Die ärmere Hälfte (= 50% der Bevölkerung) in Deutschland verfügt inzwischen gerade noch über 1 Prozent des privaten Gesamtvermögens, so der Armuts- und Reichtumsbericht der deutschen Bundesregierung. In Österreich dürfte es tendenziell ähnlich aussehen.


Christian Felber (attac)

Nachdem sich bei seinen Gegenübern grosse Rechenschwächen und Wissenslücken gezeigt hatten, versuchte Christian Felber es mit einem Gleichnis. 10 Zwerge haben 100 Goldbarren. Ein Zwerg hat 70, die anderen 9 zusammen 30. Warum sollte der eine reiche Zwerg mit seinen 70 Goldbarren nicht einen oder zwei Goldbarren abgeben, um gemeinsame Aufgaben zu finanzieren?
Kolm und Stummvoll, stürzten sich, wie nicht anders zu erwarten, sofort auf die märchenhafte Szenerie und nicht auf den Inhalt der Geschichte.

Anstatt mit Zwergen sollte Felber das nächste Mal vielleicht mit einer naturnäheren Variante aufwarten. Wie wärs damit? In einem Bergdorf leben zehn Bauernfamilien. Eine hat 70 Ochsen, die anderen 9 haben zusammen 30 Ochsen. Die Strasse zum Ort befindet sich in einem beklagenswerten Zustand. Warum müssen die 9 Familien 3 Ochsen für die Strassensanierung abtreten, und die reiche Familie mit 70 Ochsen hilft nur mit einem aus?


Nebelkerze Fluchtgefahr

Immer wenn sich unabweisbar zeigt, dass ausgerechnet die Vermögendsten vom Staat übermässig steuerlich begünstigt werden, kommt von den Verfechtern dieser Zustände das "Argument" Vorsicht Fluchtgefahr! Die Reichen bleiben nur im Land, wenn man sie steuerlich hätschelt.

Seit Jahrzehnten werfen die Vertreter der Reichsten im Lande diese Nebelkerze.

Leider kontern die Kritiker ebenfalls mit immer den gleichen Mitteln. Die Standardentgegnung lautet: Wenn ganz Europa oder die ganze Welt gleiche Steuergesetze hätte und wenn der Kapitalverkehr besser kontrolliert würde, bestünde keine Fluchtgefahr. Auch würden etliche Reiche gern mehr Steuern zahlen. Visionen mit "Hätte-Würde" und Einzelfälle generöser Reicher überzeugen die Mehrheit nicht.


Warum fragt man die Fluchtbeschwörer nicht einfach zurück?

Wohin wollen sie denn fliehen, die Reichsten?

Nach Holland, Italien, Spanien, in die Schweiz? Dort zahlen sie das Dreifache an vermögensbezogenen Steuern wie in Österreich, nach Frankreich dort betragen die Vermögenssteuern das Vierfache. In die USA, nach Kanada oder Grossbritannien? Dort betragen die vermögensbezogenen Steuern das 6- bis 7fache im Verhältnis zum österreichischen Aufkommen.

Würde stimmen, dass die Reichsten das Land verlassen, wenn sie mit drei-, vier-, fünfmal höheren Vermögenssteuern wie in Österreich zum Gemeinwohl beitragen müssen, dann wären Länder wie Italien, Frankreich, Kanada, USA, Grossbritannien leergefegt von Millionären. Sind sie aber nicht. Denn die Reichsten dort tragen derzeit mit ihren vermögensbezogenen Steuern zwischen 2,5 und 4 % vom BIP zu den Staatsaufgaben ihrer Länder bei. In Österreich sind es gerade einmal 0,6 Prozent.
(Quelle: OECD, Revenue Statistics, 2010, in Margit Schratzenstaller: Vermögensbesteuerung – Chancen, Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten -
http://library.fes.de/pdf-files/wiso/07994.pdf -Seite 30/32)

Da ist also viel Luft, um die Reichsten in Österreich, - wenigstens wie anderswo üblich -, angemessen am Gemeinwohl zu beteiligen.


Menschenbild, Metaphysik, Askese und Privilegien

Der Verlauf der Debatte zeigte, Kolm und Stummvoll beurteilen den Wert von Menschen offensichtlich vor allem nach dem Vermögen. Wer viel besitzt oder auf dem Konto hat, den nennen sie Leistungsträger. Sie sehen als starkes Motiv für Arbeit anscheinend die Anhäufung von Vermögen. Die meisten Menschen schuften jedoch, um des puren Überlebens willen, für Kinder, Miete, Essen, Sozialversicherung - und wenn dann noch Kraft und Zeit bleibt, zeigen sie Einsatz für Ziele wie Freundschaft, Solidarität, Mitgefühl, Lust am Kreativen. Vermögensanhäufung als Selbstzweck oder wegen des damit verbundenen Prestiges findet sich unter der Mehrheit der Bevölkerung recht selten.

Gegen Ende der Diskussion wurde es metaphysisch. Beim Stichwort "Gerechtigkeit" machte Barbara Kolm einen Ausflug in die Theologie. Sie meinte, es gäbe eben keine Gerechtigkeit auf Erden, und man müsse sich mit der ungleichen Verteilung der Vermögen abfinden. Askese also für die Armen. Dass es bei der Debatte um Reichensteuern nicht darum geht, himmlische Zustände herzustellen, sondern gefährliche Auswüchse zu beschneiden, machte ihr leider niemand aus der Diskussionsrunde klar.

"Enrichissons-nous!"

Als Barbara Kolm darauf angesprochen wurde, dass erst ein im Ansatz gerechter Ausgleich dafür sorgt, dass auch jene Menschen eine reelle Chance bekommen, die ganz ohne ihre Schuld in arme Verhältnisse hineingeboren wurden, meinte sie wörtlich: "Pech. So what?".

An dieser Stelle wurde schlagartig klar, dass es den eifrigen Vertretern der Vermögendsten im Lande gar nicht um die vielbesungene Chancen- oder Leistungsgerechtigkeit geht, sondern darum, ihre ererbten Privilegien und Millionen zu schützen und möglichst unbehelligt auszuweiten. Es geht diesen Kreisen - wie schon im Rokoko - vor allem um ein schlichtes "Enrichissons-nous!" (Bereichern wir uns!).

Dieses Konzept hat die letzten Jahrzehnte glänzend funktioniert. Vor 30 Jahren verfügten die 10 % Reichsten in Österreich über geschätzte 45 Prozent des Privatvermögens, heute laut OeNB über nahezu 70 Prozent. Da stellt sich die Frage: Wie weit wollen die Kolms und Stummvolls es noch treiben (lassen) – so weit wie in Russland, wo die 10 % Reichsten mehr als 90 % des Privatvermögens besitzen?

Günter Stummvoll wird vermutlich auch diese Frage mit seinem ins Gesicht geschnitzten Lächeln beantworten.



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