Dienstag, 27. November 2012

"Magdeburger Aktionsplan", Barrierefreiheit und Inklusion - Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen am 3. Dez


Pressemitteilung von Montag, 26. November 2012
Landeshauptstadt Magdeburg

"Magdeburger Aktionsplan", Barrierefreiheit und Inklusion
Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen am 3. Dez.

Ottostadt Magdeburg. Zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember, der vor rund 20 Jahren von den Vereinten Nationen proklamiert wurde, ist für Magdeburgs Behindertenbeauftragten Hans-Peter Pischner Anlass, auf das abgelaufene Jahr zurückzublicken und seine Ergebnisse für Menschen mit Behinderungen zu hinterfragen.

In Magdeburg leben rund 25.000 Menschen mit einer anerkannten Behinderung, darunter rund 18.000 Schwerbehinderte. Dies sind 7,8 % der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt. Damit liegen wir weit unter dem Bundesdurchschnitt (8,9 %). Da dies den demographischen Gegebenheiten und auch allen persönlichen Erfahrungen widerspricht, müsste man das für die Anerkennung zuständige Landesverwaltungsamt (Versorgungsamt) fragen, woran das liegt.

Aktionsplan beschlossen
Die Stadt Magdeburg hat es sich in diesem Jahr ganz offiziell auf die Fahne geschrieben, die UN-Behindertenrechtskonvention zu beachten und barrierefreie und inklusive Lebensbedingungen zu schaffen, die nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern allen Menschen zugute kommen.

Deshalb hat der Stadtrat am 12.04.2012 einen "Magdeburger Aktions- und Maßnahmenplan" beschlossen, der 85 Maßnahmen umfasst, die acht Handlungsfeldern zugeordnet sind, z.B. Arbeit, Bildung, Gesundheit oder auch der Verbesserung der Barrierefreiheit. Diese Maßnahmen gilt es nun mittelfristig umzusetzen.

Allen Beteiligten ist dabei klar, dass nicht alle noch bestehenden baulichen oder informationstechnischen Barrieren von heute auf morgen beseitigt werden können, schon gar nicht die vorhandenen sozialen Barrieren oder Defizite bei der inklusiven Bildung. Dies ist nicht nur eine Frage von Bereitschaft und gutem Willen, sondern natürlich auch der verfügbaren Mittel, etwa für Investitionen und zur Förderung von Angeboten der sozialen Infrastruktur. Wer die Beratungen zum Haushalt im Stadtrat verfolgt, wird das bestätigen können.

Weitere Schritte für mehr Barrierefreiheit
Immerhin sind die Ämter, Fachbereiche und Eigenbetriebe der Stadt darum bemüht, alles was mit den beschränkten Mitteln realisiert wird, auch barrierefrei zu gestalten. Beispiele aus dem zu Ende gehenden Jahr sind das Kunstmuseum im Kloster Unser Lieben Frauen, der Anbau des Kulturhistorischen Museums oder der 2012 endlich fertig gestellte Aufzug für das Soziokulturelle Zentrum Feuerwache. Auch bei der Sanierung von Schulen und Kindertagesstätten wird die Forderung nach Barrierefreiheit beachtet.

Wo möglich achtet die Stadt darauf, dass auch private Bauherren barrierefrei bauen, jedenfalls wenn solche Bauten auch der Öffentlichkeit dienen, etwa bei Bürogebäuden und Geschäftshäusern. Defizite gibt es noch im Bereich barrierefreier Wohnungen, die auch bezahlbar sein müssen, und bei Gaststätten, die meist unzureichend für mobilitätseingeschränkte Menschen zugänglich sind.
Ein weiteres Problem sind nicht barrierefreie Arztpraxen, wobei heute oftmals die Frage, als Patient angenommen zu werden und Termine zu erhalten, das brennendere Problem darstellt.

Nicht unerwähnt bleiben sollen auch die Bemühungen der Magdeburger Verkehrsbetriebe, die bei zuweilen durchaus berechtigter Kritik schrittweise ihre Angebote barrierefrei ausbauen. Denken wir an die bevorstehende Inbetriebnahme der Streckenverlängerung nach Reform oder die neu angeschafften Niederflurfahrzeuge. Allerdings sind noch erhebliche Anstrengungen erforderlich, vor allem im südlichen und westlichen Teil der Stadt. Dazu gehören barrierefreie Haltestellen in Richtung Diesdorf, Sudenburg und von Buckau bis Westerhüsen sowie bessere Ansagen in Fahrzeugen und an Haltestellen. Auch viele Blindenleitstreifen entsprechen nicht mehr den heutigen Anforderungen.

Inklusion
Das neue Zauberwort der Teilhabe behinderter Menschen heißt "Inklusion". Es bedeutet ganz einfach, eine Gesellschaft für alle zu schaffen, mit ungehindertem Zugang zu allen Lebensbereichen auch für Menschen mit Behinderungen. Das schließt natürlich die entsprechenden Hilfsangebote und Zugangsbedingungen ein.

Am schwierigsten gestaltet sich das neben dem Arbeitsmarkt im Bereich der schulischen Bildung, wo immer noch die Förderschule die Regel ist, der gemeinsame Unterricht mit nichtbehinderten Schülern dagegen noch die Ausnahme. Immerhin steigt die Zahl der Schüler im gemeinsamen Unterricht von Jahr zu Jahr, derzeit besuchen 434 Schüler mit Förderbedarf eine Regelschule, dagegen 1.124 eine von 10 Förderschulen. Ein Jahr zuvor waren es 347 bzw. 1.171 Schüler.

Anzustreben wäre das umgekehrte Verhältnis. Hier ist das Land gefordert, die nötigen gesetzlichen und inhaltlichen Voraussetzungen zu schaffen sowie die pädagogischen Kapazitäten bereitzustellen. Es gilt allerdings auch, bestehende Vorurteile bei Lehrern und Eltern nicht behinderter Schüler abzubauen. Bei den Kindertagesstätten funktioniert die gemeinsame Erziehung schließlich auch.

Soziale Schieflagen
Man kann auch 2012 nicht darüber hinweg sehen, dass die Möglichkeiten für Inklusion und umfassende Teilhabe durch die schwierige soziale Situation vieler Betroffener arg eingeschränkt sind. Viele Menschen mit Behinderungen und ihre Familien leben von Hartz IV oder Grundsicherung. Gerade bei letzteren wird durch juristische Interpretationen oder unklare gesetzliche Bestimmungen an den Leistungen gekürzt, etwa durch "Abzweigung" von Kindergeld oder andere Leistungsreduzierungen.

Viele Betroffene klagen zunehmend über Restriktionen bei der Versorgung mit Verbrauchsmaterial für die Pflege und mit Hilfsmitteln durch die Krankenkassen. Für passende Hilfsmittel, etwa Rollstühle, werden dabei belastende Zuzahlungen fällig, wenn das pauschalisierte Standardmodell nicht reicht. Diese Probleme liegen allerdings nicht im Einflussbereich der kommunalen Ebene.

Die Gesamteinschätzung fällt also recht differenziert aus, und Betroffene sehen sich mit allerlei Problemen in ihrem Alltag konfrontiert, die eine wirkliche Inklusion und Teilhabe erschweren. Es bleibt also genug zu tun.

Allen, die sich für die Belange von Menschen mit Behinderungen auch im Jahr 2012 auf der kommunalen Ebene engagiert haben, sei an dieser Stelle gedankt, etwa für Anträge zur Barrierefreiheit im Stadtrat, für die Mitwirkung in der AG Menschen mit Behinderungen, für den Gewinn mehrerer Medaillen bei den Paralympics in London (Andrea Eskau und Marie Brämer-Skowronek), den Veranstaltern des "Behindertentages" beim FCM oder den Mitwirkenden am Europäischen Aktionstag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am 5. Mai 2012.

Hintergrund:
In Sachsen-Anhalt leben derzeit ca. 175.500 anerkannte Schwerbehinderte (7,6 % der Bevölkerung). In der Landeshauptstadt sind mit Stand vom Dezember 2011 rund 18.000 Menschen amtlich als Schwerbehinderte anerkannt (7,7 %), einschließlich der Behinderten mit einem Grad der Behinderung (GdB) unter 50 sind bis zu 25.000 Menschen betroffen (11 %).

Von den Magdeburger Schwerbehinderten sind rund 10.200 in ihrer Mobilität wesentlich beeinträchtigt (Merkzeichen aG und G), Schätzungsweise 2.000 von ihnen sind auf einen Rollstuhl angewiesen. 322 sind blind, 200 gehörlos und ca. 4.400 haben Anspruch auf die Mitnahme einer Begleitperson im ÖPNV (Merkzeichen B). Als hilflos gelten ca. 2.200 Menschen (Merkzeichen H). Über 2.400 Magdeburger waren bisher aufgrund von Behinderung von der Rundfunkgebührenpflicht befreit (Merkzeichen RF). 59,6 % der Betroffenen sind bereits 65 Jahre und älter, während nur 2 % jünger als 18 Jahre sind 52,1 % der Behinderten sind weiblich.

An den beiden Magdeburger Werkstätten für Menschen mit Behinderungen sind rund 950 Betroffene beschäftigt. 870 Menschen mit Behinderungen leben in stationären Einrichtungen (Heime bzw. Wohnstätten an den Werkstätten). Etwa 6.000 Magdeburger sind pflegebedürftig, rund 2.600 von ihnen werden in stationären Einrichtungen gepflegt, die übrigen in der Familie oder von ambulanten Pflegediensten.

Nähere Informationen:
Hans-Peter Pischner, Behindertenbeauftragter, Telefon 0391/540 2342
E-Mail: behindert@magdeburg.de
 

Kontaktdaten:
Stadt Magdeburg
Frau Dr. Cornelia Poenicke
Büro des Oberbürgermeisters
Teamleiter Öffentlichkeitsarbeit und Bürgeranliegen, Pressesprecherin
Alter Markt 6
39104 Magdeburg
Telefon: (03 91) 5 40 27 69
FAX: (03 91) 5 40 21 27
E-Mail:
presse@magdeburg.de
URL: www.magdeburg.de



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