Das Kapitel und seine deutschen Lohndrücker
Der "Sachverständigenrat", ein Schwindelunternehmen der Bundesregierung?
[Ein Auszug.]
Die Lohnstückkosten in Deutschland sind seit dem Jahr 2000 deutlich geringer gestiegen als in allen übrigen (hier betrachteten) EU-Ländern. Unter diesen Ländern ist Deutschland das einzige, das über mehrere Jahre sinkende Lohnstückkosten verzeichnete, was maßgeblich daran lag, dass die Lohnstückkosten in der deutschen Industrie von 2003 bis zum Beginn der Krise Jahr für Jahr deutlich zurückgegangen sind.
Der unterproportionale Anstieg der Lohnstückkosten verbesserte die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gegenüber Konkurrenten aus dem Euroraum und stärkte ihre Wettbewerbsposition diesen gegenüber nicht nur auf dem europäischen Absatzmarkt, sondern auch auf Drittmärkten. Parallel dazu begann Deutschland zunehmende Leistungsbilanzüberschüsse zu verzeichnen.
Grundsätzlich lassen sich zur Beurteilung der Veränderung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit eines Landes sowohl die gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten als auch die in der Industrie heranziehen. Die gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten dürften allerdings besser geeignet sein, die preisliche Wettbewerbsfähigkeit einer ganzen Volkswirtschaft abzubilden: Zum einen, weil Dienstleistungsimporte und -exporte in einigen Ländern einen hohen Anteil am gesamten Außenhandel haben, und zum anderen, weil es sinnvoll ist, den Kosteneffekt, der sich aus der Vorleistungsverflechtung mit dem Dienstleistungssektor ergibt, mit einzubeziehen.
Der Sachverständigenrat ignoriert in seinem Jahresgutachten 2011/12 den sogenannten Verbundeffekt bei der Beurteilung der Entwicklung der Lohnstückkosten im Verarbeitenden Gewerbe. Auch wählt er das Jahr 1991 ohne Begründung als Basis zur Beurteilung der "angemessenen" Höhe der Lohnstückkosten. Dabei hätte der Sachverständigenrat bei der Beurteilung der "angemessenen" Höhe der Lohnstückkosten keinesfalls ein beliebiges Basisjahr verwenden dürfen. Die Wahl des Jahres 1991 ist zudem besonders ungünstig, weil die wirtschaftliche Entwicklung durch den Beginn der deutschen Einheit stark von Sondereffekten geprägt ist. Dazu gehörte eine sich stark verschlechternde Leistungsbilanzsituation aufgrund des Nachfragesogs aus Ostdeutschland.
Basierend auf dem vom Sachverständigenrat gewählten Basisjahr 1991 wird aktuell eine relativ ungünstige Wettbewerbssituation für das Verarbeitende Gewerbe in Deutschland abgeleitet.
Frankreich und die USA, zwei Länder mit Leistungsbilanzdefiziten im Jahr 2011, werden vom Sachverständigenrat bei industriellen Erzeugnissen als deutlich wettbewerbsfähiger dargestellt als Deutschland mit seinem hohen Leistungsbilanzüberschuss. Normiert man in der Abbildung des Sachverständigenrats das Basisjahr allerdings auf das Jahr 2000/2001, dann sieht die Wettbewerbsposition der deutschen Industrie ganz anders aus und ist z. B. deutlich besser als die Frankreichs und viel besser als die des Euroraums insgesamt. Unter Einrechnung der Verbundeffekte verbessert sie sich dann noch einmal.
Berücksichtigt man zudem, dass die USA im Jahr 2001 ein hohes Leistungsbilanzdefizit in Höhe von 400 Mrd. US-Dollar aufwiesen, dann ist der Vergleich des deutschen mit dem US-amerikanischen Lohnstückkostenniveau methodisch äußerst problematisch. Bei einer sachadäquaten Analyse der deutschen Lohnstückkosten kann der Sachverständigenrat nicht mehr von der Notwendigkeit zur "Korrektur lohnpolitischer Fehlentwicklungen" sprechen, sondern müsste stattdessen höhere Löhne fordern.
[Ein modifizierter Auszug.]
Quelle: IMK-Report 77, November 2012: Zu schwache deutsche Arbeitskostenentwicklung belastet Europäische Währungsunion und soziale Sicherung. Arbeits- und Lohnstückkosten in 2011 und 1. Halbjahr 2012. Studie von Ulrike Stein, Sabine Stephan und Rudolf Zwirner. Redaktionsleitung: Andrew Watt. Herausgeber: Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.
www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_77_2012.pdf
VON: REINHOLD SCHRAMM (BEREITSTELLUNG)
Posted via email from Daten zum Denken, Nachdenken und Mitdenken
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