Dienstag, 3. April 2012

7 Städte erinnern gemeinsam an d. #Opfer der #Neonazi-Mordserie - in Kassel wird Platz nach Halit Yozgat benannt


Pressemitteilung von Dienstag, 3. April 2012
documenta-Stadt Kassel

Sieben Städte erinnern gemeinsam an die Opfer der Neonazi-Mordserie – in Kassel wird Platz nach Halit Yozgat benannt

Kassel und die Städte Nürnberg, Hamburg, München, Rostock, Dortmund und Heilbronn werden gemeinsam an die Opfer der von Neonazis zwischen 2000 und 2007 verübten Mordserie erinnern. In allen Städten werden Gedenktafeln an die ermordeten zehn Opfer, die dahinter stehende menschenverachtende Ideologie sowie die Tatsache erinnern, dass den staatlichen Ermittlungsbehörden der fremdenfeindliche Zusammenhang über einen langen Zeitraum, in dem neue Taten verübt werden konnten, entgangen ist.

Die Tafeln werden die Inschrift haben:

Neonazistische Verbrecher haben zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen in sieben deutschen Städten ermordet: Neun Mitbürger, die mit ihren Familien in Deutschland eine neue Heimat fanden, und eine Polizistin. Wir sind bestürzt und beschämt, dass diese terroristischen Gewalttaten über Jahre nicht als das erkannt wurden, was sie waren: Morde aus Menschenverachtung. Wir sagen: Nie wieder!

Wir trauern um

Enver Şimşek, 11. September 2000, Nürnberg

Abdurrahim Özüdoğru, 13. Juni 2001, Nürnberg

Süleyman Taşköprü, 27. Juni 2001, Hamburg

Habil Kılıç, 29. August 2001, München

Mehmet Turgut, 25. Februar 2004, Rostock

İsmail Yaşar, 5. Juni 2005, Nürnberg

Theodoros Boulgarides, 15. Juni 2005, München

Mehmet Kubaşık, 4. April 2006, Dortmund

Halit Yozgat, 6. April 2006, Kassel

Michéle Kiesewetter, 25. April 2007, Heilbronn

Gemeinsame Erklärung der Städte Nürnberg, Hamburg, München, Rostock, Dortmund, Kassel und Heilbronn, April 2012

Die einzelnen Städten entscheiden, in welcher Weise dieser Text in den Städten installiert wird - in Gestalt einer Tafel, einer Plakette oder als Inschrift - ob an einem Ort der Mordserie, an einer als Ort des Gedenkens gestalteten Fläche oder in sonstiger Form.

In Kassel wird der Ort des Gedenkens der Platz Ecke Holländische Straße/ Mombachstraße gegenüber dem Philipp-Scheidemann-Haus sein, der in unmittelbarer Nähe zu dem Tatort Holländische Straße 82 liegt, wo das Kasseler Opfer Halit Yozgat in seinem Internetcafé ermordet wurde. Nicht weit entfernt ist auch die elterliche Wohnung. Der Ort wird Halit-Platz benannt, die Inschrift zur Erinnerung und Mahnung dort aufgestellt.

Die Stadt Kassel plant, den Ort des Gedenkens zügig einzurichten. Zudem setzt sich Oberbürgermeister Bertram Hilgen für die Umbenennung der Haltestelle Mombachstraße ein.

OB Hilgen sagte, dass alle Städte gemeinsam nach einer Form des Gedenkens gesucht hätten, mit der die Fassungslosigkeit angesichts der Vorgänge beschrieben werden kann und gleichzeitig in würdiger Form an die Opfer erinnert wird. "Wir müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass Täter aus der rechten Szene jahrelang morden konnten, ohne entdeckt zu werden. Es ist von besonderer Bedeutung, dass nicht nur in Kassel, sondern in allen Städten, die Opfer zu beklagen haben, diese Ungeheuerlichkeit nicht in Vergessenheit gerät, damit dies nicht wieder geschehen kann. Halit Yozgat, das vorletzte Opfer der Mordserie, könnte noch leben, wenn die Ermittlungsbehörden die Tatzusammenhänge früher erkannt hätten. " Die Initiative für einen Ort des Gedenkens sei von Kassel ausgegangen, doch sehr schnell hätten alle Städte ihre Bereitschaft und ihr Interesse an einer Zusammenarbeit signalisiert.

Oberbürgermeister Hilgen betonte, dass die Rede von Ismail Yozgat bei der zentralen Gedenkfeier in Berlin dabei eine wichtige Rolle gespielt habe. Der Vater des ermordeten Kasselers hatte dort angeregt, die Holländische Straße in Kassel in Halitstraße umzubenennen, um eine dauerhafte Erinnerung an seinen Sohn zu schaffen. "Die Stadt Kassel", so OB Hilgen, "hat diesen Anstoß und verständlichen Wunsch der Eltern aufgenommen und sorgfältig geprüft." Auch durch die Umbenennung der Holländischen Straße wäre die erschreckende Dimension der Mordserie, die der Staat nicht als solche erkannt und verhindert habe, nicht zum Ausdruck gekommen. Deshalb habe man einen anderen Weg gewählt.

Mit den Eltern und der Familie von Halit Yozgat ist die Entscheidung für die Benennung eines Platzes mit seinem Namen und die Anbringung einer Gedenktafel besprochen worden, bevor die Entscheidung an die Öffentlichkeit ging.

Oberbürgermeister Hilgen wird am Freitag, 6. April, dem sechsten Jahrestag der Ermordung von Halit Yozgat, vor dem Gebäude Holländische Straße 82 Blumen niederlegen. An der Gedenkveranstaltung wird auch der türkische Generalkonsul Ilhan Saygili teilnehmen.

Hintergrund

Die Holländische Straße ist eng mit Kassels Geschichte verbunden

Kassels hat durch seine geografische Lage in der Mitte Deutschlands - nur unterbrochen durch die Zonenrandlage während des Kalten Kriegs - schon immer eine besondere Rolle gespielt: Fern der bedeutenden Macht- und Handelszentren lag Kassel im Schnittpunkt von Verkehrswegen, die diese miteinander verbanden. Seit Kassel 1277 hessische Hauptstadt wurde, hat die Stadt immer in Maßstäben und Bezügen gelebt, die weit über die eigene Umgebung hinauswiesen; es existierte eine jahrhundertealte Ausrichtung auf europäischen Zentren von Kunst und Wissenschaft.

Dies kommt auch im Straßennamen "Holländische Straße" zum Ausdruck. Die Holländische Straße war lange Zeit ein holländischer Postkurs und somit ein Teil eines großen, alten Verkehrswegs zum Niederrhein und nach Holland; unter Landgraf Philipp dem Großmütigen wurde 1545 eine regelmäßige Postverbindung nach Leipzig mit einer Relaisstation bei Wanfried eingerichtet, die als Fortführung der Strecke nach Holland gedacht war.
Weitere "Holländische Straßen" in der Region verweisen ebenso auf diesen Zusammenhang.

Diese geschichtlichen Bezüge würden durch eine Umbenennung verloren gehen.

Die Straße ist ferner eng mit der neueren Wirtschafts- und Industriegeschichte Kassels verbunden. Holländische Straße, Holländisches Tor, Holländischer Platz: Damit verbinden sich die große Industrietradition der Familie Henschel sowie die Entstehung des innenstadtnahen Arbeiterviertels.

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