Gedanken zur Zeit 1989 09-4-12:
"Piraten ahoi!": Die Dummheit vieler deutscher Wähler ist schon beachtlich
In anderen alt-demokratischen Ländern hätte eine Partei mit solchem Namen keine Chance und würde schlicht ausgelacht, statt in den Umfragen auf dem Wege zur drittstärksten Partei über 10 % zu steigen. Das scheint diese Partei auch selbst zu spüren und so plakatiert sie in NRW mit "Lieber einen albernen Namen als lächerliche Politik". Andere Wahlplakate sind in ihrer Primitivität ähnlich dämlich und überbieten damit teilweise noch die anderer Parteien, wie "Du bist systemrelevant", "Nicht käuflich, nur wählbar", "Mensch statt Markt" oder "Fahrscheinfreier ÖPNV".
Und auf der NRW-Webseite kommt diese Partei noch pompöser daher; hier ein par Auszüge zum Thema Politik:
"Die Piratenpartei setzt sich mit den entscheidenden Themen des 21. Jahrhunderts auseinander. Im Zuge der Digitalen Revolution aller Lebensbereiche stellen sich Fragen, die die bisherige Politik nicht schlüssig beantworten kann. Diese Lücke füllen die Piraten. Diese Revolution gefährdet die Freiheit und die Würde des Menschen in bisher ungeahnter Weise. Diese Entwicklung muss durch eine umfassend Transparenz des Staatswesens unterstützt werden.
Durch die fortschreitende Vernetzung wird außerdem Wissen und Kultur globalisiert. Dadurch werden die bisherigen sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf den Prüfstand gestellt. Falsche Antworten auf diese Frage führen zur zunehmenden Kontrolle des Internets und seiner Benutzer.
Die Piraten verstehen sich als eine Partei von vernüftigen Menschen und treffen daher nur Aussagen über Themenbereiche die sie wirklich verstehen. Sie wollen nicht durch plakative sondern durch durchdachte Aussagen glänzen. Piraten beschäftigen sich daher auch mit vielen verschiedenen Themen, die nicht im Parteiprogram aufgeführt sind, um dort künftig vernünftige Ansichten vertreten zu können."
Dabei wimmelt es auch und gerade bei dieser Partei von plakativen Aussagen. Die digitale Vernetzung ist - entgegen der Behauptung - sicher nicht das Hauptproblem unserer Gesellschaft. Und zu den eigentlich entscheidenden Themen des 21. Jahrhundert gibt es entgegen dem Anspruch bei den "Piraten" keine bestimmten und verläßlichen Aussagen. Der Einteilung von "rechts" und "links", die allein eine politische Lokalisierung erlauben würde, wollen sie entgehen. Das liest sich dann ziemlich hilflos so:
"Wir Piraten sehen uns außerhalb der Gerade zwischen den Extremen "rechts" und "links". Trotzdem sind wir nicht irgendwo in der Mitte dieser (gedachten) Geraden anzutreffen, sondern außerhalb dieser - unserer Meinung nach zu simplen - eindimensionalen Betrachtungsweise von politischen Positionen. Wir stehen für den Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung, wie sie durch das Grundgesetz gedacht ist. Freiheit ist ein zentrales Element unserer Vorstellungen.
Wir stehen außerhalb der eindimensionalen Schemata, mit denen Politik üblicherweise kategorisiert wird. Die Frage des 21. Jahrhunderts lautet nicht "rechts" oder "links", "konservativ" oder "sozialdemokratisch". Es geht um Freiheit oder Autoritarismus. Wir positionieren uns ganz klar auf der Seite der Freiheit. Oberste Autorität für uns ist die freiheitliche und demokratische Grundordnung nach unserem Grundgesetz."
Doch auch die "Freiheit" ist in Deutschland bestimmt nicht das entscheidende Thema des 21. Jahrhunderts, auch wenn eine Partei, deren meiste Aktivisten aus dem gesättigten Teil des Bürgertums kommen dürften und nicht so malochen, daß sie nicht so viel freie Zeit für das Netz hätten, das so sieht. Das entscheidende Thema ist nach dem Abschied von der "Sozialen Marktwirtschaft" im Zuge einer neoliberalen Hyperglobalisierung mehr denn je die ständig zunehmende soziale Teilung der Gesellschaft und der damit verbundene steigende Angstpegel. Dieses Thema läßt sich nun mal nur über "rechts" und "links" einigermaßen verorten, vor allem wenn es um die Steuerpolitik geht. Zur Steuerpolitik herrscht im
Themen A-Z der Piraten allerdings Fehlanzeige. Auch wer im Grundsatzprogramm unter "Steuer" sucht, findet so gut wie Nichts. Im neuesten Wahlprogramm für Schleswig-Holstein, will man sich zwischen Erhöhung oder Senkung der Steuern wieder nicht festlegen, obwohl das die eigentlich entscheidende Frage ist:"Die Piratenpartei versteht sich weder als "Steuersenkungs-" noch als "Steuererhöhungspartei". Fakt ist, dass wir ein gerechteres und transparentes Steuersystem benötigen, das unsere Infrastruktur verbessert, damit unser Land auch weiterhin als attraktiver Wirtschaftsstandort bestehen kann. Das jetzige System der Steuergesetzgebung ist weder reformier- noch vermittelbar und hat die Folge, dass "Steuersparen" zu einem Volkssport geworden ist, so dass wir einen Schnitt und einen Neuanfang wagen müssen."
Während also die künftige Steuerpolitik weitgehend tabu ist, setzt sich die Partei andererseits in ihrem Parteiprogramm für Lösungen ein, die eine sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe individuell und bedingungslos garantieren. Die NRW-Piraten fordern ausdrücklich, eine allgemeine Grundsicherung einzuführen. Wie das ohne Steuererhöhung möglich sein soll, bleibt ein Piratengeheimnis.
Tatsächlich werden die "Piraten" zum Zünglein an der deutschen Waage zwischen rechts und links werden. Der Wahlforscher Max Güllner von Forsa hat wohl recht, wenn er vermutet, daß die Piraten Merkels Chancen auf einen dritten Wahlsieg stärken:
"Anders als seinerzeit die Grünen sind die Piraten viel breiter. Sie sind eine kleine Volkspartei wie die CDU.
Es ist schon ziemlich wahrscheinlich, daß die Piraten bei den Bundestagswahlen die 5 %-Schwelle überschreiten werden. Das würde mit großer Sicherheit SPD und Grüne genug Sitze für eine eigene Koalition rauben und Frau Merkel die Wahl einer Koalition mit einer der beiden Parteien lassen."
Irgend etwas an dieser Partei erinnert mich an den Romantizismus, der im Unterschied zu dem viel rationaleren Frankreich oder erst recht Großbritannien immer wieder Deutschland heimgesucht hat. Ist es mit der politischen Reife des deutschen Bürgertums doch nicht so weit her oder sind die etablierten Parteien einfach zu unbeweglich?
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