Mittwoch, 25. April 2012

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Neues vom deutschen Imperialismus (12)

 

von Frank Behrmann   
 
[via Linke Zeitung]
 
http://www.linkezeitung.de/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=13298&Itemid=248
 

Gegen die Euro-Krise! Commerzbank empfiehlt: Investitionsbedingungen verbessern, Löhne senken - Schweizer Studie empfiehlt: Kerneuropa - Präsident des Europaparlaments empfiehlt: Euro beibehalten 

Seit Beginn der Staatsschuldenkrise der Euro-Länder wird darüber diskutiert, was zu ihrer Überwindung getan werden muss und wie die Wirtschaft der südeuropäischen Länder konkurrenzfähig gemacht werden kann. In ihrem aktuellen Bericht (Economic Research, 13.4.12) bewertet die Commerzbank unter Bezugnahme auf Daten der Weltbank die Rahmenbedingungen für Unternehmen in den Krisenländern (Infrastruktur, Steuern, Bürokratie). Die Abweichung eines Landes von einem abstrakten Idealwert soll dessen Standortqualität ausdrücken. Deutschland zum Beispiel wich 2009 um 28 % vom Ideal ab, verschlechterte sich 2011 aber auf 34 % und liegt damit im Mittelfeld dieses Rankings.

Allheilmittel Nr. 1: Investitionsbedingungen verbessern

Portugal erreichte schon länger einen relativ guten Wert (2009: 34,6 %) und konnte sich durch die Vereinfachung von Grunderwerb und Baugenehmigungen auf 32,4 % verbessern. Auch Spanien habe sich durch Erleichterung von Unternehmensgründungen und Außenhandelsabwicklung positiv entwickelt - von 43,9 % auf 41,7 %, biete aber noch immer keine ausreichenden Rahmenbedingungen. Italien und Griechenland machten hingegen keine Fortschritte. Italien sei "ein sehr schlechter Standort für Unternehmen": Gerichtsprozesse seien teuer und langsam, eine neuer Stromanschluss brauche ein halbes Jahr, 70 % der Gewinne gehen als Steuern oder Sozialabgaben an den Staat. Die Wertung blieb kostant bei 52,5 % - nur Tschechien und Griechenland wurden schlechter bewertet. Letzteres fiel sogar um 4 Prozentpunkte auf jetzt 54,7 %, obwohl eine Firmengründung mittlerweile fast doppelt so schnell wie zuvor geht und die Körperschaftssteuern leicht gesenkt wurden.

Dass das Abrutschen Griechenlands an der brutaen Austeritätspolitik liegt, die dem Land aufgezwungen wurde und seine Wirtschaft weiter drosselt, kommt der Commerzbank genauso wenig in den Sinn wie die Folgen des einsetzenden brain drain, des Abwanderns junger, gut ausgebildeter Menschen, die in ihrem Land keine Perspektive mehr sehen. Stattdessen schwingt sich ausgerechnet die Commerzbank, die doch gerade erst vom deutschen Staat mit Milliardenbeträgen gerettet werden musste, auf´s hohe Ross: "Wir sind nach wie vor der Meinung, dass die Staatengemeinschaft Griechenland irgendwann den Geldhahn zudreht und es dann zu einem offenen Zahlungsausfall kommt." Zudem drängt sich der Verdacht auf, dass die hier beschworenen Investitionsbedingungen so bedeutsam nicht sein können, denn an erster Stelle - das Land mit den besten Standortfaktoren in der EU - steht in diesem Ranking ausgerechnet Irland!

Allheilmittel Nr. 2: Löhne ´runter

In dem zugrunde liegenden doing business-Report der Weltbank geht es nur um die genannten "engeren Rahmenbedingungen" für Standortqualität. Die Commerzbank ergänzt sie um eigene Einschätzungen bezüglich Lohngestaltung und Tarifbindung in diesen Ländern. Portugal wird gelobt, weil es "den Unternehmern erleichtern (möchte), von zentralen Lohnabschlüssen abzuweichen", und Spanien, weil "Unternehmen ... jetzt ohne Zustimmung von Gewerkschaften und Betriebsräten von Tarifverträgen abweichen" können. Italien erhält einen Tadel, denn es habe "den übertriebenen Kündigungsschutz nicht wesentlich gelockert" und seine "sehr zentralisierte und starre Lohnfindung nicht liberalisier(t)".

Griechenland wird an dieser Stelle nicht eigens erwähnt; doch auch seine "Retter" sind von der skizzierten Politik überzeugt: EU-Kommissionspräsident Barroso verlangt eine Absenkung der Lohnstückkosten von 15 % in den nächsten Jahren (Tagesschau, 18.4.12). Bank-AnalystInnen und führende PolitikerInnen sind sich darin einig, dass ein Aushebeln der Tarifverträge und die Lockerung des Kündigungsschutzes Wege aus der Krise sind - das Einmaleins des Neoliberalismus!

Schweizer Studie: EU ist international geschwächt

Die Strategic Trends 2012 der ETH Zürich widmen ein ausführliches Kapitel der EU. Vor dem Hintergrund der Währungskrise hätten "innereuropäische Machtverschiebungen, politische Fragmentierung, Kräfte der Renationalisierung, abnehmendes öffentliches Vertrauen in die EU ... das europäische Projekt in seine bisher größte Krise gebracht". Die "Rolle der EU als Stabilitätsanker in Europa" werde dadurch geschwächt.

Das wahrscheinlichste Zukunftsszenario sei "ein Sich-weiter-durchwursteln. ... Für die krisengeschüttelten Peripherieländer bedeutet das lange Perioden des Elends mit wachsenden sozialen Kosten." Helfen könne nur eine Umwandlung der EU in ein quasi-staatliches Gebilde: "Es sei festgehalten, dass das Vertrauen der Märkte nur vollständig wieder gewonnen werden kann, wenn die Währungsunion durch eine Fiskal- und politische Union komplettiert wird."

Natürlich ist dem Autor Daniel Möckli nicht verborgen geblieben, welches Land in einer derartigen Union das Sagen hätte: Die deutsche Position in der Euro-Krise sei so zentral, "dass alle Augen auf die Entscheidungen in Berlin gerichtet sind". Noch nie in der Geschichte der EU habe ein einziger Staat eine solche Rolle gespielt. Durch die relative Schwäche Frankreichs und Großbritanniens sei die bisherige trilaterale Führung der EU schwieriger geworden. Auch die Rede von "Merkozy" könne nicht davon ablenken, dass Paris zum Juniorpartner Berlins herabgestuft worden sei.

Revival des Kerneuropakonzepts

 "Außenpolitisch schrumpft der Einfluss der EU aus Mangel an Zusammenhalt, Geld und politischem Willen", so die Strategic Trends. Europas "Anteil an der wirtschaftlichen Macht schrumpft immer schneller", und ihr fehlten derzeit die Kapazitäten, um die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik hinreichend auszustatten. Außenpolitik werde renationalisiert, wodurch es der EU schwerer falle, für Stabilität in der Nachbarschaft zu sorgen und mit seinem ökonomischen Gewicht eine weltweite Rolle zu spielen. Für die Streitkräfte stehe nicht genügend Geld zur Verfügung.

Als Ratschläge werden das "Europa der zwei Geschwindigkeiten" und die "konzentrischen Kreise" ins Spiel gebracht. Beides Varianten einer vertieften europäischen Union für Staaten, die das wollen und können, sowie einer abgestuften Anbindung aller anderen an dieses Zentrum. Das sind politische Optionen, die althergebrachten Kern- oder Mitteleuropakonzepten zum Verwechseln ähnlich sind (dazu

http://goo.gl/eNwkm), und in jedem Falle Deutschland als wirtschaftlichen und politischen Kern ansehen, dem Führung zukomme. In moderneren Spielarten wird Frankreich zum partnership in leadership eingeladen.

Die Erwartungen an die künftige internationale Politik der EU sind gering: Europas "weltweite Fußabdrücke bleiben begrenzt, trotz der gegenteiligen Ambitionen. Die Währungskrise in Europa wird weiter die Schwäche der EU als einer globalen Macht heraustellen." Ich kann allerdings nicht erkennen, was schlecht daran sein soll, wenn ein aggressiver global player wie die EU zeitweise einen Gang zurückschalten muss!

Ob Commerzbank-Research oder Strategic Trends, beides sind wissenschaftliche Untersuchungen im Dienste der herrschenden Klasse. Aus ihnen werden direkt Handlungsoptionen für deren politisches Personal abgeleitet. Auf die öffentliche Debatte nehmen sie insofern Einfluss, als sie einer Wirtschaftspolitik in blankem Kapitalinteresse akademische Weihen verleihen.

Europaparlamentspräsident Schulz: Euro unbedingt halten!

Desöfteren ist zu hören, Deutschland solle einfach auf den Euro verzichten, zumindest aber müssten die Krisenländer aus der Euro-Zone verschwinden. Dem widerspricht Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments (FAZ, 13.4.12). Der Euro sei eines der "größten Symbole" der EU, und sein Scheitern würde das gesamte "Integrationskonzept" scheitern lassen. Und obgleich auch die Euro-Rettung "gewaltige Risiken" berge, sei sie nötig, denn schon ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro löse womöglich eine "Kettenreaktion (aus, die) wir alle nicht überstehen" würden.

Die Rückkehr zu nationalen Währungen sei vor allem für Deutschland schlecht, denn es "würde zu massiven Auf- und Abwertungen kommen. In der Folge drohten dann Marktabschottungen, die insbesondere die exportabhängige deutsche Wirtschaft treffen würden." Der Euro nützt dem deutschen Kapital. Und die Bundesregierung bestimmt den Kurs der Gemeinschaft: "Im Europäischen Rat steht es meistens 26 gegen eine. Am Ende stimmen doch alle Frau Merkel zu." Der Sozialdemokrat Schulz empfindet das als "eine große Leistung". Ich hingegen würde es deutsche Hegemonie nennen!



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