Mittwoch, 21. September 2011

Mainstreammedien machen ver.di-Chef Bsirske zum Linksradikalen. Mit der Realität hat das nicht viel zu tun [via Junge Welt]


Gemäßigter Hardliner

Mainstreammedien machen ver.di-Chef Bsirske zum Linksradikalen.

Mit der Realität hat das nicht viel zu tun

Von Daniel Behruzi, Leipzig

[Junge Welt]

 

Frank Bsirske punktet mit Antikapitalismus« und »Der letzte Hardliner«. So lauteten die Titel von Welt und FAZ zum diese Woche in Leipzig stattfindenden ver.di-Bundeskongreß. Bei den rund 900 in der sächsischen Metropole versammelten Delegierten stoßen die als Diffamierung gedachten Formulierungen nicht auf Empörung – im Gegenteil. »Ich bin stolz darauf.

Denn wenn wir uns durchsetzen wollen, müssen wir alle Hardliner werden«, brachte Jürgen Hohmann aus Hannover die Stimmung der Kongreßteilnehmer am Dienstag auf den Punkt. Dabei ist die Radikalität des zum zweiten Mal wiedergewählten ver.di-Chefs eine relative.

Zwar geißelt er wortreich »den entfesselten Kapitalismus«, wirbt in seinen Positionen aber für den Versuch der Zähmung, nicht der Abschaffung dieses Wirtschaftssystems.

Das gilt auch für Bsirskes Vorschläge zur Euro-Krise. Die Währungsunion habe einen »gravierenden Konstruktionsfehler«, stellte er in seiner Grundsatzrede am Dienstag fest. Ohne gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik fehle ihr das Fundament. Dieses gelte es zu schaffen, wofür eine Verfassungsänderung die Voraussetzung sei.

Eine Abschaffung des Euro als neoliberales Elitenprojekt hat Bsirske jedenfalls nicht im Sinn, denn: »Diese gemeinsame Währung ist eine sehr gute Sache, vor allem für Deutschland.« Um den Euro zu stabilisieren und »die Staaten aus dem Würgegriff der Finanzmärkte zu befreien«, forderte er statt dessen die Ausgabe von Euro-Bonds als gemeinsame Anleihen aller EU-Staaten.

»Finanzinstitute, die zu groß sind, um scheitern zu dürfen, können ganze Volkswirtschaften in den Abgrund reißen«, führte der alte und neue ver.di-Vorsitzende weiter aus. »Damit muß Schluß sein. Solche Institute müssen in voneinander unabhängige Teile zerlegt werden.« Angesichts dieser radikal klingenden Forderung warf Bernd Schumann aus dem ver.di-Landesbezirk Saar die Frage auf, warum man »lieber viele kleine Gauner statt wenige große« schaffen sollte.

Schließlich werde ohnehin jede Krise zu neuerlichen Konzentrationsprozessen führen. »Ackermann sitzt doch längst im Kanzleramt, und Merkel ist seine Sekretärin«, sagte Schumann und forderte, ver.di solle die Überführung der Banken in öffentliches Eigentum als Ziel formulieren. Bsirske antwortete mit dem Hinweis, daß auch öffentliches Eigentum kein Garant für vernünftiges Wirtschaften sei, wie man bei den Landesbanken gesehen habe.

In der Frage der Arbeitszeitreduzierung gab sich der »letzte Hardliner« gleichfalls eher gemäßigt. Zwar wäre kollektive Arbeitszeitverkürzung, »am Besten bei vollem Lohnausgleich«, richtig, erklärte Bsirske als Reaktion auf entsprechende Forderungen. Zunächst müßten jedoch die tatsächlichen an die tariflichen Arbeitszeiten angeglichen werden. Einem entsprechenden Kampf erteilte er eine Absage. »Arbeitszeitverkürzung auf die Tagesordnung zu setzen, dazu sind wir tarifpolitisch aktuell so gut wie nicht in der Lage.«



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