Mittwoch, 27. Oktober 2010

Kultur: #Die #illusionistische #Welt #der #Manager [Potsdamer Neueste Nachrichten]


Die illusionistische Welt der Manager

Eine sehenswerte Inszenierung trotz bisweilen fehlender Schärfe:

"Enron" im Hans Otto Theater (25.10.10)

Von Babette Kaiserkern

(Potsdamer Neueste Nachrichten)

http://www.pnn.de/potsdam-kultur/343321/



Schneller als gedacht sind die drei Hauptverantwortlichen eines der größten öffentlich gewordenen Finanzskandals der jüngsten Zeit auf den deutschen Bühnen angekommen. Wenn man in Theaterzeitdimensionen denkt, wo 2000 Jahre alte Tragödien oft nichts an Aktualität einbüßen.

Nur einen Tag nach der Nürnberger Premiere brachte das Hans Otto Theater das Theaterstück "Enron" der britischen Autorin Lucy Prebbles am Sonntag im großen Saal heraus.
Am Broadway fiel das semidokumentarische Bühnenwerk zwar durch, doch in London lief es erfolgreich in der letzten Saison. "Enron", geschrieben im Jahr 2009, erzählt die Geschichte des gleichnamigen texanischen Energieunternehmens, das mit Schiebungen, Täuschungen und falschen Versprechungen einen Riesenberg von Schulden aufbaute und verschleierte.

Noch im Jahr seines Untergangs wurde das einst siebtgrößte amerikanische Unternehmen vom Fortune Magazine zum sechsten Mal in Folge als das innovativste Firma ausgezeichnet. Den Schaden trugen die Bürger, entlassene Firmenangestellte und Tausende von Klein-Anlegern. Von den drei Hauptverantwortlichen ist der Vorstandvorsitzende Ken Lay kurz vor der Verkündung des Strafmaßes gestorben.

Die beiden anderen, Präsident Jeffrey Skillings und Finanzchef Andy Fastow, büßen derzeit Haftstrafen ab.
Das Stück erzählt nicht von den belogenen und betrogenen Opfern, sondern von den Akteuren in der Schaltzentrale des Konzerns, die das Unternehmen im Jahr 2001 in den Ruin getrieben haben. Damit wird natürlich viel Potenzial verschenkt.

An die Stelle eines potenziellen menschlichen Dramas ist eine Szenenfolge aus Dokument und Revue getreten. Zur ersten Kategorie zählen bekannt gewordene Namen, Zahlen und Fakten, die in schnellen Szenen aufgezählt werden. Aufgelockert wird dieser trockene, schon vielfach dokumentierte Stoff mit revueartigen Einlagen. Ein Angelpunkt der Potsdamer Inszenierung von Niklas Ritter ist die Fernsehserie "Dallas" aus den Achtzigern. Film- und Videoeffekte, Pantomime, Puppenspiel und Gesang ("God bless America") beleuchten, mal sarkastisch, mal schillernd die illusionistische Welt der Manager. Überhaupt arbeitet Regisseur Niklas Ritter gern mit optischen Hinweisen.


Reliefs von antiken Kriegern im Hintergrund der schrägen Bühnenebene sollen wohl überzeitliche Brisanz andeuten. Eine brillant inszenierte Videokampfspielszene verweist auf die mentale Verstrickung des trickreichen Finanzchefs Andy Fastow in einer Fantasy-Welt. Er wird von Simon Brusis mit nüchterner Präsenz gespielt, als Zahlenmensch, dessen persönliche Abgründe geheim bleiben. Den bigotten Vorstandschef Ken Lay gibt Christoph Hohmann mit kaugummi-breiter Diktion und triefenden Reden: "Lasst uns beten und dann wählen gehen." Gleich dreifach taucht George Bush als Gruß-Marionette auf, mit eindeutiger, nicht wenig anzüglicher Gestik. Jeffrey Skilling, der Präsident, erscheint in Wolfgang Voglers Darstellung als blasser Typ, dem man den großen Betrüger kaum abnehmen will.
Möglicherweise gehört die wenig bühnenwirksame Fadheit der Figuren zum Konzept. Die einzige Frau in dieser Männerwelt und auch die einzige erfundene Figur ist Claudia Roe, eine Managerin. Sie wird von Nele Jung mit beiläufiger Glätte gespielt und fast ohne Betonung gesprochen. Als "Raptoren", sowie in vielen weiteren Rollen brillieren Meike Finck, Jan Dose und Holger Bülow. Für manch einen ihrer kabarettistischen Auftritte als Richter, Wirtschaftsprüfer, Journalisten und Händler erhalten sie sogar Szenenapplaus.
Zwar fehlt es dem auf 80 Minuten gekürzten Stück bisweilen an Schärfe und Absurditäten. Dennoch bleibt festzuhalten, dass das Hans Otto Theater mit "Enron" eine sehenswerte Inszenierung zu einem hochaktuellen Thema vorlegt. In einer Art Epilog finden sich drei der Enron-Schädiger rauchend und whiskytrinkend an einem Tisch zusammen. Trotz Verlust von Haus, Job und Vermögen trösten sie sich gegenseitig und beteuern ihre Unschuld. Optimismus oder Illusion – diese Frage bleibt offen, wie vieles andere nach dem Platzen der großen Finanzblase.

Nächste Vorstellung am Samstag, 30. Oktober, 19.30 Uhr im Hans Otto Theater in der Schiffbauergasse. Kartenreservierung unter Tel.: (0331) 98 11 8


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