Freitag, 26. April 2013

Der blaue Dunst zwischen Medizin, Politik und Kommerz

Der blaue Dunst zwischen
Medizin, Politik und
Kommerz
Editorial
klinikarzt
2006; 35 (8) 301
Der blaue Dunst zwischen Medizin,
Politik und Kommerz
D
as Ausland zeigt den Weg: Irland
(2004), Italien
(2005) und Spanien (2006) haben
strenge Nichtraucherschutzgesetze
in Kraft gesetzt und damit
auch in Deutschland die Diskussion
um das Rauchen
und den Nichtraucherschutz wieder
angestoßen. Von
medizinischer Seite aus steht man
dieser Diskussion etwas
ratlos gegenüber, weil die Fakten, die
gegen das
Rauchen sprechen, schlicht
überwältigend sind. Lungenkrebs,
koronare Herzkrankheit (KHK),
Myokardinfarkt,
Schlaganfall oder chronisch
obstruktive Lungenerkrankung
(COPD) stehen nachgewiesenermaßen
unmittelbar mit dem Rauchen in
Verbindung. Darüber
hinaus ist das Aktivrauchen direkt
verantwortlich für
20% aller Todesfälle und Ursache für
30% aller Krebstodesfälle.
Die negativen Folgen des Rauchens
sind also
hinlänglich bekannt.
Die möglichen schädlichen Folgen des
Passivrauchens
wiederum wurden über viele
Jahrzehnte intensiv diskutiert.
Einerseits wurden die Gefahren oft
heruntergespielt,
andererseits gab es immer wieder
Vermutungen,
dass Ergebnisse über die negativen
Folgen des Passivrauchens
der Öffentlichkeit vorenthalten
wurden. Jetzt
liegen definitive wissenschaftliche
Ergebnisse vor. Vor
allem der Nebenstromrauch, also der
Rauch, der beim
Glimmen der Zigarette entsteht, ist
es, der besonders
viele toxische und krebserregende
Substanzen enthält –
mehr als der so genannte
Hauptstromrauch, der vom
Raucher ausgeatmet wird. Eine
interessante Broschüre
zum Thema "Passivrauchen – ein
unterschätztes Gesundheitsrisiko",
die großen Anklang in den Medien
gefunden
hat, hat das Deutsche
Krebsforschungszentrum (DKFZ),
Heidelberg, im letzten Jahr
herausgegeben.
Allein in der erwachsenen Bevölkerung
unseres Landes
sind mehr als 35 Millionen Menschen
im Beruf oder
in der Freizeit oder bei beiden
Anlässen den schädigenden
Folgen des Passivrauchens ausgesetzt.
Doch die Gefahr
beginnt schon viel früher: Etwa 170
000 Kinder werden
in eine Raucherumgebung
"hineingeboren". Man
nimmt deshalb an, dass mehrere
tausend Todesfälle im
Jahr in Deutschland als Folge des
Passivrauchens auftreten,
70% davon betreffen Frauen. Diese
Menschen sterben
also, weil sie im Beruf, in der
Öffentlichkeit oder zu Hause
toxischen Stoffen ausgesetzt sind, für
deren Entstehung
Andere verantwortlich sind und denen
sie nicht entgehen
können.
Passivrauchen ist demnach
unzweifelhaft eine der
großen Gefahren in unserer
Gesellschaft, der Schutz der
Nichtraucher ein wesentliches
gesundheitliches Anliegen.
Probate Maßnahmen, den
Nichtraucherschutz in die
Tat umzusetzen, gibt es durchaus. In
vielen Fällen wird
damit gleichzeitig eine primäre
Raucherprophylaxe betrieben.
Außerdem gibt es erprobte
Raucherentwöhnungsprogramme.
Irland, Italien und Spanien zum
Beispiel
haben gezeigt, dass das komplette
Rauchverbot am
Arbeitsplatz, in öffentlichen
Einrichtungen, in Einkaufszentren
und Verkehrsmitteln sowie das
eingeschränkte
Rauchverbot in Gaststätten
durchführbar ist und den
Tabakkonsum reduziert. Die Anhebung
des Preises und
ein Verbot der Werbung für
Tabakprodukte oder auch
Medienkampagnen gegen das Rauchen
sind weitere effektive
Mittel zur Reduktion des
Tabakkonsums. Helfen
könnte auch eine deutliche Reduktion
der Zahl der Zigarettenautomaten,
was vor allem den Zigarettenkonsum
der Jugendlichen reduzieren würde.
Denn dieser hat
beträchtliche Ausmaße angenommen:
Etwa 20% der
Jugendlichen rauchen, das
Anfangsalter liegt bei etwa 14
Jahren, und die hohe Zahl rauchender
junger Mädchen
und Frauen ist erschreckend.
All dies wird bei uns in Deutschland
jedoch nur zögerlich
oder überhaupt nicht umgesetzt. Über
die Ursachen
kann man nur spekulieren: Fürchtet
der Staat um die Erlöse
der Tabaksteuer? Ist die Lobby der
Werbeindustrie zu
stark? An dieser Stelle kollidieren die
gesundheitlichen
Interessen mit den Interessen der
Politik. Es gibt noch
andere Nebenkriegsschauplätze:
Weshalb sind viele Kassen
zögerlich mit der Unterstützung von
Raucherentwöhnungskampagnen?
Fragen über Fragen also. Dabei sind
die gesundheitlichen Vorteile der
Beendigung des Rauchens
geradezu umwerfend: So sinkt das
Herzinfarktrisiko
innerhalb von zwei Jahren um 50% –
ein Erfolg, der mit
keiner anderen Maßnahme erreicht
wird und einen weiteren
positiven Nebeneffekt besitzt: Auch
andere Menschen
werden nicht gefährdet.

Bei so vielen guten Argumenten muss Nichtraucherschutz
und das Durchsetzen von
Raucherentwöhnungskampagnen
ein primäres Anliegen aller Ärzte sein.

Unterstützen kann hierbei die vor einiger Zeit gegründete Ärzte-
Initiative Raucherhilfe e.V., die
strukturierte Programme
für Ärzte anbietet, die so eine
kompetente Raucherentwöhnung
erlernen wollen ( www.air-
raucherhilfe.de ).

Eines sollte man dabei allerdings nicht vergessen:
Eine Voraussetzung für den Erfolg
solcher Kampagnen ist,
dass man selbst mit gutem Beispiel
vorangeht!

Prof. Dr. A. Weizel, Mannheim
Ich danke Herrn Prof. Dr. K.D.
Kolenda, Krohnshagen, für seine
Mitarbeit an diesem Editorial.

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