Montag, 3. September 2012

Wie in der Anstalt - Von der Leyen und die Altersarmut [via Junge Welt]


Wie in der Anstalt

Von der Leyen und die Altersarmut

Von Uli Schwemin

[via Junge Welt]

 

 
Bisher erfuhren wir Neues aus der Anstalt immer dienstags und nur im ZDF. Diesmal sollte es sonntags sein, und das Fernsehen hatte gar nichts damit zu tun. Die Arbeitsministerin Ursula von der Leyen selbst hatte sich offenbar einliefern lassen, um einen siebenseitigen Brief an die Mitglieder der »Jungen Gruppe« in der Unionsfraktion zu verfassen. Darin warnt sie, so heißt es unisono in den Medien, vor einer drohenden Altersarmut und legt »erstmals«, wie im Chor von der Presse kolportiert wird, Zahlen dazu vor.

Außerhalb der Anstalt hätte die Ministerin die Fakten zur Kenntnis nehmen können. Seit 2001 jagt eine Rentenreform die nächste. Alle hatten den erklärten Zweck, die Renten abzusenken, weil auskömmliche Renten für alle aus »demographischen Gründen« angeblich nicht mehr zu leisten wären. Bei dieser Zerschlagung des Sozialstaates versuchten sich, mit Ausnahme der Linkspartei, alle im Bundestag vertretenen Parteien gegenseitig zu übertreffen, und begonnen hatte damit die sogenannte rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder. Im gleichen Maße, wie diese Herrschaften den Leuten ihre Renten wegnehmen, erhöhen sie sich ihre eigenen, selbstverständlich ohne dafür auch nur einen Cent in die Kassen einzubezahlen. Aber was noch viel schlimmer ist: Sie lieferten die Rentenversicherung teilweise privaten, gewinnorientierten Versicherungskonzernen aus, die seither damit ihren Reibach machen. Die Linkspartei, die Gewerkschaften, die Sozialverbände sowie die ernst zu nehmenden Politik- und Sozialwissenschaftler haben vom ersten Tag an erklärt, daß diese Entwicklung direkt in die massenhafte Verbreitung von Altersarmut führt und dafür auch belastbare Zahlen vorgelegt.

Umsonst, die Hasardeure um Schröder und Merkel, Riester und von der Leyen haben immer noch einen drauf gesetzt. Zuletzt vorige Woche, als die Regierung die Senkung des aktuellen Rentenbeitragssatzes von 19,6 Prozent auf 19,0 Prozent beschloß. Natürlich nicht ohne zu behaupten, es ginge darum, die »Arbeitnehmer« in diesen »schwierigen Zeiten« zu entlasten. Konkret beläuft sich diese Entlastung bei einem Bruttoeinkommen von 3000 Euro auf ganze neun Euro, und noch konkreter bedeutet die Absenkung eine Lohnkürzung um ebenfalls neun Euro. Denn der sogenannte Arbeitgeber zahlt ja diese Summe auch weniger in die Rentenkasse. Nur diese Entlastung ist überhaupt das Ziel der Heuchler. Bezahlen müssen das die Lohnabhängigen mit Rente erst ab 67 oder höheren Abschlägen.

Aber zurück zum Ausgangspunkt. Hat von der Leyen irgend etwas begriffen, weil sie jetzt vor der Armut warnt? Nein, keine Sorge, ihr geht es gut, sie macht nur Wahlkampf. Sie muß die Zuschußrente gegen die FDP durchsetzen, ein Placebo für sehr wenige der Allerärmsten, die eine Aufstockung auf lächerliche 850 Euro monatlich erhalten sollen. Die Altersarmut, die von der Leyen und ihresgleichen für Hunderttausende und zukünftig Millionen organisieren, gerät dadurch nicht in Gefahr.


Posted via email from Dresden und Umgebung

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen