VON: REINHOLD SCHRAMM (BEREITSTELLUNG)
von Reinhold Schramm (Bereitstellung)
Altersarmut in Deutschland
Von den 1.075.000 über-64-Jährigen mit Anspruch auf Grundsicherung (Sozialhilfe) im Jahr 2007 bezogen nur 341.000 Grundsicherung und 734.000 keine Leistungen.
Von allen Menschen, die Anspruch auf Sozialhilfe oder Grundsicherung hätten, bekamen keine Leistungen: unter 65 Jahre 39 %, ab 65 Jahre 68 %; insgesamt 41 Prozent ohne staatliche Leistungen.
Im Jahr 2003 wurde die "Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung" eingeführt. Die Rentenversicherung wurde verpflichtet, Kleinrentner auf ihren potenziellen Grundsicherungsanspruch aufmerksam zu machen.
Die Verteilungsforscherin Irene Becker hat untersucht, wie sich die verdeckte Armut unter Älteren seit 2003 entwickelt hat. Ihr Fazit: Das Ziel des Gesetzes "ist offenbar nicht erreicht worden." Von gut einer Million Menschen ab 65 Jahren, denen 2007 die Grundsicherung zustand, bezogen nur 340.000 tatsächliche Leistungen. Die Dunkelziffer der Armut betrug 68 Prozent. Dabei wurden Personen mit Sparguthaben oder nur geringen Grundsicherungsansprüchen bei der Berechnung von Ansprüchen noch gar nicht berücksichtigt.
Bedürftigkeit im Alter ist meist keine Folge fehlender Rentenansprüche. Die Rente reicht aber nicht, um die Bezieher auf das (staatlich-juristisch-gesetzlich) zugestandene soziale und kulturelle Existenzminimum zu heben. Wer Grundsicherung im Alter bezieht, hat im Schnitt ein gesetzliches Alterseinkommen von 549 Euro brutto im Monat, bei den Anspruchsberechtigten ohne Grundsicherungsbezug sind es 610 Euro. Das entspricht nur 44 bzw. 49 Prozent des Altersruhegeldes, das nicht bedürftige Rentner im Durchschnitt erhalten.
Die hohe Dunkelziffer der Menschen ohne Leistungen sei ein Grund, das Gesetz zur Grundsicherung im Alter zu überarbeiten. Die Rentenversicherung sollte sich stärker um Rentner mit geringen Einkünften kümmern und sie beim Antrag auf Grundsicherung unterstützen. Zudem sollte "die Definition angemessenen Wohnraums überdacht" werden, empfiehlt die Wissenschaftlerin. Möglicherweise beantragen viele bedürftige Ältere auch deshalb keine Grundsicherung, weil sie fürchten, das Amt könnte auf dem Umzug in eine billigere Wohnung bestehen.
"Ein Umzug im Alter ist aber besonders belastend und der damit verbundene Verlust sozialer Kontakte meist nachhaltig", sagt die Forscherin. Es liege in der Verantwortung der gesamten Gesellschaft, Stigmatisierungen und Schuldzuweisungen zu vermeiden, damit sich mehr Menschen für ihren Rechtsanspruch auf Grundsicherung entscheiden.
[Ein modifizierter Auszug.]
Quelle: Irene Becker: Finanzielle Mindestsicherung und Bedürftigkeit im Alter, in: Zeitschrift für Sozialreform 2/2012. Vgl.: Böckler Impuls, Ausgabe 13/2012. Altersarmut: Grundsicherung erreicht Arme nicht
http://www.boeckler.de/40838_40861.htm
Artikel als PDF:
http://www.boeckler.de/impuls_2012_13_2.pdf
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