Montag, 18. Juni 2012

Zur #Entwicklung der #Vermögensungleichheit in #Deutschland [Berliner Journal für Soziologie: 2009]

   

Berliner Journal für Soziologie
© VS-Verlag 2009
10.1007/s11609-009-0112-1

Abhandlungen

Zur Entwicklung der Vermögensungleichheit in Deutschland

Joachim R. FrickContact Information und Markus M. Grabka1

(1)  Sozio-oekonomisches Panel (SOEP), DIW Berlin, Mohrenstrasse 58, 10117 Berlin, Deutschland

Contact Information Joachim R. Frick
Email:
jfrick@diw.de

Online publiziert: 18. Dezember 2009
Zusammenfassung  Einkommensungleichheit und relative Einkommensarmut dominieren seit langem die sozialpolitische Diskussion in Deutschland, während – auch aus Gründen eingeschränkter Datenverfügbarkeit – die personelle Vermögensverteilung vergleichsweise unzureichend erforscht ist.

 

Der vorliegende Beitrag nutzt Mikrodaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und stützt sich dabei auf individuelle Angaben zum Geld- und Sachvermögen der Jahre 2002 und 2007. Innerhalb dieses 5-Jahreszeitraums hat die Konzentration der Vermögen ebenso wie die der Einkommen deutlich zugenommen. Detaillierte Sozialstrukturanalysen belegen neben signifikanten Unterschieden in der Vermögensausstattung nach Migrationshintergrund, Bildung, Region und Einkommenslage eine ausgeprägte Lebenslaufabhängigkeit.

 

Diese Querschnittsdimension wird auf Basis der Längsschnittdaten des SOEP erweitert um multivariate Regressionsanalysen, die neben der Relevanz des individuellen Erwerbs- und Einkommensverlaufs für den Vermögensaufbau auch die nachhaltige Bedeutung intergenerationaler Transmissionsmechanismen (insbesondere Erbschaften) für die individuelle Vermögensakkumulation und -mobilität belegen.

Schlüsselwörter  Vermögensungleichheit - Vermögensmobilität - Vermögensakkumulation - SOEP


Wealth inequality and mobility in Germany
Abstract  For a long time, the social policy discussion in Germany has been heavily dominated by income inequality and poverty risk rates, while at the same time the analysis of personal wealth distribution was underdeveloped, last but not least due to a severe lack of appropriate data. Using representative micro data from the German Socio-Economic Panel Study (SOEP), this paper analyzes individual level information on net wealth for 2002 and 2007. This five year period saw a pronounced increase in both income and wealth inequality. More detailed analyses by SES reveal significant differences in wealth holdings by migration status, education level, region, income level as well as across age groups. This cross-sectional perspective is being enriched by panel analyses focusing on correlates of individual wealth holdings as well as on determinants of wealth mobility. Using a multivariate regression framework we find clear indication for the relevance of the individual employment and income career as well as a sustaining importance of intergenerational transmission (by means of bestowals and inheritance) for both wealth accumulation and mobility.

Keywords  Wealth inequality - Wealth mobility - Wealth accumulation - SOEP


Le développement des inégalités de patrimoine en Allemagne
Résumé  Les inégalités de revenu et la pauvreté relative dominent depuis longtemps les débats sociaux et politiques en Allemagne. Par comparaison, la répartition du patrimoine individuel est insuffisamment étudiée, en raison entre autres de la quantité limitée de données disponibles. Cet article utilise les microdonnées du Panel socio-économique (SOEP) en se basant sur les indications fournies par les personnes interrogées au sujet de leur patrimoine financier et matériel en 2002 et 2007. Ces cinq années ont vu une nette hausse de la concentration du patrimoine et des revenus. L'analyse détaillée des structures sociales fait non seulement apparaître des écarts de patrimoine significatifs en fonction de l'origine migratoire, du niveau d'éducation, de la région et des revenus mais aussi une forte dépendance par rapport au parcours biographique. À cette perspective transversale s'ajoutent des analyses de régression multivariable établies sur la base des données longitudinales du SOEP qui montrent non seulement l'importance du parcours professionnel et de l'évolution des revenus individuels pour la constitution du patrimoine mais aussi l'influence durable des mécanismes de transmission intergénérationnelle (en particulier les héritages) sur l'accumulation et la mobilité du patrimoine individuel.

Mots-clés  Inégalités de patrimoine - Mobilité du patrimoine - Accumulation du patrimoine - SOEP

Joachim R. Frick   geb. 1962. Dr. rer. soc., stellvertretender Leiter des "Sozio-oekonomischen Panels (SOEP)" am DIW Berlin. Forschungsschwerpunkte: International vergleichende Panelforschung, personelle Einkommens- und Vermögensverteilung, Sozialpolitik, Bevölkerungsökonomie. Ausgewählte Veröffentlichungen: (mit J. Goebel) Regional income stratification in unified Germany using a Gini decomposition approach. In: Regional Studies 42, 2008; (mit C. D'Ambrosio) Income satisfaction and relative deprivation: An empirical link. In: Social Indicators Research 81, 2007; (mit M. M. Grabka) Imputed rent and income inequality: A decomposition analysis for the U.K., West Germany, and the USA. In: Review of Income and Wealth 49, 2003.

Markus M. Grabka   geb. 1968. Dr., wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung "Sozio-oekonomisches Panel (SOEP)" am DIW Berlin. Forschungsschwerpunkte: Personelle Einkommens- und Vermögensverteilung, Mikrosimulation, Sozialpolitik, Gesundheitsökonomie. Ausgewählte Veröffentlichungen: (mit J. Schwarze und G. G. Wagner) How unification and immigration affected the German income distribution. In: European Economic Review 43, 1999; (mit J. R. Frick) Item-non-response on income questions in panel surveys: Incidence, imputation and the impact on the income distribution. In: Allgemeines Statistisches Archiv (ASTA) 89, 2005; (mit J. R. Frick) Schrumpfende Mittelschicht – Anzeichen einer dauerhaften Polarisierung der verfügbaren Einkommen? Wochenbericht des DIW, Nr. 10/2008.


1   Einleitung

Mit der Veröffentlichung des dritten Armuts- und Reichtumsberichtes der Bundesregierung (BMAS 2008a) im Mai 2008 ist das Thema soziale Polarisierung wieder in das Blickfeld der öffentlichen Diskussion geraten.

Wie auch schon bei den vorangegangenen beiden Regierungsberichten ist dabei eine starke Fokussierung auf Aspekte der Einkommensungleichheit sowie der relativen Einkommensarmut festzustellen, während die Vermögensungleichheit nur nachrangig behandelt wurde. Insbesondere der Vermögensreichtum bleibt somit ein in Deutschland weiterhin unterforschtes Phänomen (Huster 2005), obwohl (insbesondere hohen) Vermögen und deren intergenerationaler Übertragung eine wichtige Rolle bei der Erklärung gesellschaftlicher Stratifikationsprozesse und der Reproduktion sozialer Ungleichheit zukommt (vgl. z. B. Spilerman 2000; Keister u. Deeb-Sossa 2001; Beckert 2004).

Zunehmende Einkommensungleichheit und Vermögensungleichheit bedingen sich aber auch gegenseitig. Zum einen dürfte eine stärkere Konzentration der Einkommen – wie dies seit der Jahrtausendwende in Deutschland zu beobachten ist (Frick u. Grabka 2008) – dazu führen, dass einkommensstarke Personen frei verfügbares Einkommen sparen und Vermögen aufbauen. Zum anderen stellen Kapitalerträge selbst eine wichtige Quelle des Einkommens dar und haben in den vergangenen Jahren maßgeblich zur Erklärung der zunehmenden Einkommensungleichheit beigetragen (Frick u. Grabka 2009a).

Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Ungleichheitsdebatte ist eine ebenfalls seit längerem zu beobachtende abnehmende intrapersonelle Einkommensmobilität, mit der Folge einer Verfestigung der Einkommenspositionen insbesondere an den Rändern der Einkommenshierarchie und einer damit verbundenen Erosion der Einkommensmittelschicht (Grabka u. Frick 2008). Damit dürften sich die gegenseitigen Interdependenzen von Einkommen und Vermögen weiter verstärken und nachhaltig zur Polarisierung und Erhaltung sozialer Ungleichheit führen.

Darüber hinaus ergibt sich die Notwendigkeit einer stärkeren Fokussierung auf Vermögen aus soziologischer und ökonomischer Perspektive auch aus den verschiedenen spezifischen Funktionen, die dem Vermögen innewohnen. Zunächst weist Vermögen eine geringere Volatilität auf als das laufende verfügbare Einkommen einer Person.

Damit kann Vermögen dem Individuum ein höheres Maß an ökonomischer Sicherheit verleihen. Folgt man der Bourdieu'schen (1983) Definition von ökonomischem Kapital, so ist zur Beschreibung der sozialen Position eines Individuums also nicht allein die Flussgröße Einkommen ausreichend, sondern sie sollte auch das Vermögen als Bestandsgröße umfassen (vgl. auch Podder u. Kakwani 1976).

Neben der elementaren Einkommensfunktion – Kapitalerträge als eine Quelle des Einkommens – kann Vermögen zur Stabilisierung des Konsums bei Einkommensausfällen herangezogen werden (Sicherungsfunktion). Die Eigennutzung von Sachvermögen (z. B. Wohneigentum, Kraftfahrzeuge) stiftet unmittelbaren Nutzen für den Besitzer und schafft gegebenenfalls Freiheitsspielräume (Nutzungsfunktion). Größere Vermögen verleihen wirtschaftliche und politische Macht (Machtfunktion) und können zur Erreichung oder Bewahrung eines hohen sozialen Status (Statuserhaltungsfunktion) eingesetzt werden. Vermögen kann aber auch zur Finanzierung der Erziehung und Ausbildung von Kindern (Sozialisationsfunktion) genutzt werden (Orr 2003), wobei insbesondere der Besuch von Privatschulen, die der Elitebildung dienen, ermöglicht wird (vgl. Hartmann 2003).

Schließlich sind Vermögen wichtig für die eigene Alterssicherung und als Instrument intergenerationaler Übertragungen (Vererbungsfunktion). Damit werden bestehende soziale Unterschiede auch über Generationen hinweg – vor allem auch aufgrund der moderaten Erbschafts- und Schenkungssteuern in Deutschland – tendenziell konserviert. Entsprechende intergenerationale Analysen zur Vermögensmobilität liegen aber bis auf die Befunde zur Elitenbildung in Deutschland (Hartmann 2003, 2007) oder zur Bedeutung von Erbschaften auf die Vermögensverteilung (Schupp u. Szydlik 2004) kaum vor.

Vermögen sind im Allgemeinen nicht nur wesentlich ungleicher verteilt als laufende Einkommen (Rodríguez et al. 2002), sondern auch die ungleiche Verteilung zwischen den sozialen Gruppen wie z. B. nach Geschlecht oder Migrationsstatus ist teilweise weitaus ausgeprägter als beim Einkommen (Keister 2000; Warren et al. 2001). Diese kumulativen Ungleichheiten haben aber auch Konsequenzen für weitere sozial und individuell relevante Faktoren wie die Lebenszufriedenheit (D'Ambrosio et al. 2009), Eheschließung (Dahl et al. 2003), Renteneintritt oder Gesundheit (White u. Rogers 2005).

Obwohl Vermögen diese spezifischen Funktionen und Charakteristika aufweist, liegen insgesamt nur vergleichsweise wenig empirisch fundierte Erkenntnisse zu Umfang und Verteilung des Vermögens in Deutschland vor. Ziel dieses Beitrags ist es, auf Basis der in den Jahren 2002 und 2007 im Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) erhobenen individuellen Vermögensdaten einen umfassenden Einblick in die Vermögenslage privater Haushalte in Deutschland zu liefern.

Diese repräsentativen Daten ermöglichen nicht nur eine Darstellung der Entwicklung bis unmittelbar vor die aktuelle Finanzkrise, sondern die Panelkomponente dieser Daten erlaubt auch Analysen zu Ausmaß und Ursachen der individuellen Vermögensmobilität. Entsprechende multivariate Untersuchungen fokussieren daher insbesondere auf die Bedeutung des individuellen Erwerbs- und Einkommensverlaufs im Sinne eines permanenten Einkommens für den Vermögensaufbau sowie die Relevanz intergenerationaler Transmissionsmechanismen (insbesondere Erbschaften) für die individuelle Vermögensakkumulation. Derartige Analysen zielen darauf ab, unser Verständnis des Prozesses der Vermögensakkumulation als eventuelle Ursache für eine weitere (nachhaltige) Polarisierung ökonomischer Ressourcen zu verbessern.

Nach einer Beschreibung der Probleme der bisherigen Vermögensforschung (Abschn. 2) wird kurz die Datenbasis für die nachfolgenden Vermögensanalysen vorgestellt (Abschn. 3). Eine detaillierte deskriptive Analyse von Ausmaß und sozialstrukturellen Korrelaten der Vermögensungleichheit wird in Abschn. 4 präsentiert, während Abschn. 5 Vermögensmobilität im Untersuchungszeitraum 2002 bis 2007 behandelt. Aufbauend auf den multivariaten Ergebnissen (Abschn. 6) liefert Abschn. 7 neben einer Zusammenfassung zentraler Ergebnisse einen kurzen Ausblick auf den weiteren Forschungsbedarf.


2   Probleme der Vermögensforschung

Die zentrale Datenquelle zur Beschreibung der Vermögenssituation in Deutschland war jahrzehntelang die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes (vgl. z. B. Hauser u. Stein 2001; Becker et al. 2002). Die EVS wurde erstmals 1962/63 durchgeführt und wird seitdem in fünfjährigem Turnus wiederholt. Sie ist als Quotenstichprobe angelegt und stellt insofern keine Zufallsauswahl der Befragten dar. Dies hat zur Folge, dass die EVS einen typischen Mittelstandsbias aufweist und die Ränder der Einkommens- und Vermögensverteilung von jeher unzureichend repräsentiert (Bergmann 2004). Aufgrund von verschiedenen methodischen Veränderungen und von Variationen der Befragungsinhalte ist ein intertemporaler Vergleich von Vermögensinformationen auf Basis der EVS nur eingeschränkt möglich.1

Die EVS schließt zudem obere Einkommensbezieher explizit von der Befragung aus. Im Jahre 2003 lag diese Abschneidegrenze bei einem monatlichen verfügbaren Einkommen von 18.000 Euro. Angesichts der stark positiven Korrelation von Vermögen und Einkommen, insbesondere am oberen Rand der Einkommensverteilung, kommt es somit zu einer nennenswerten Unterschätzung des Gesamtvermögens in der EVS. Hierzu trägt auch bei, dass in dieser Erhebung das Betriebsvermögen generell nicht erfasst wird. Schätzungen gehen davon aus, dass nur 15% der Vermögen über 2,5 Mio. DM im Jahre 1993 in der EVS repräsentiert sind (Becker u. Hauser 2003, S. 243, FN 74).

Eine alternative Datenquelle ist die im Jahre 1996 ausgesetzte Vermögenssteuer, die bis dato wichtige Informationen zum Umfang des Vermögens privater Haushalte lieferte. Diese Informationsquelle wies aber zwei grundlegende Probleme auf. Zum einen lag eine unterschiedliche Bewertungspraxis verschiedener Vermögensgüter vor.

So wurden Immobilien mit dem Einheitswert und nicht mit dem weit höher liegenden Marktwert bewertet. Zum anderen gab es ein Erfassungsproblem, da aufgrund des Bankgeheimnisses für die Finanzbehörden Informationen über Vermögen nur eingeschränkt verfügbar bzw. im Falle von im Ausland gehaltenen Vermögen faktisch nicht nachvollziehbar waren (Bach u. Bartholmai 2002). Dies schränkte aber insgesamt die Interpretation der Informationen aus der Vermögenssteuer deutlich ein.

Neben dem Problem einer methodisch unzureichenden Datenbasis zur Beschreibung der Vermögenssituation in Deutschland wirkt sich auch die Steuerhinterziehung2 durch Vermögenstransfers in europäische Steueroasen nachteilig auf die Vermögensmessung aus. Stützt man sich auf Steuerdaten in Deutschland, kann von einer nennenswerten Unterschätzung hoher und insbesondere höchster Vermögen (und somit auch des Phänomens Reichtum) ausgegangen werden (vgl. auch Klundt 2004).


3   Datenbasis

Empirische Grundlage der folgenden Analysen ist das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) (Wagner et al. 2008). Das SOEP ist eine repräsentative Wiederholungsbefragung von Personen in privaten Haushalten, die seit 1984 in Westdeutschland und seit 1990 in Ostdeutschland jährlich durchgeführt wird. In den Erhebungsjahren 2002 und 2007 wurde im Rahmen wellenspezifischer Schwerpunktthemen die Vermögenssituation der erwachsenen Bevölkerung erfasst. In herkömmlichen Befragungen wird der Vermögensbestand auf Haushaltsebene erhoben und zum Zweck der personellen Verteilungsanalyse jedem Haushaltsmitglied pro Kopf zugewiesen. Im Gegensatz dazu werden im SOEP Vermögenskomponenten auf der Personenebene erfragt, das heißt, es werden individuelle Vermögen von Personen ab 17 Jahre erhoben.

Dadurch ist es im Prinzip möglich, auch die private Umverteilung innerhalb von Haushalten zu analysieren. Insbesondere geschlechtsspezifische Analysen der Vermögenssituation und die intra-partnerschaftliche Umverteilung von Vermögen ist damit darstellbar.3

Das SOEP erfasst sieben verschiedene Vermögenskomponenten: selbst genutzter und sonstiger Immobilienbesitz (u. a. unbebaute Grundstücke, Ferien- oder Wochenendwohnungen), Geldvermögen (Sparguthaben, Spar- oder Pfandbriefe, Aktien oder Investmentanteile), Vermögen aus privaten Versicherungen (Lebens- oder private Rentenversicherungen, Bausparverträge), Betriebsvermögen (Besitz oder Beteiligung an einer Firma, einem Geschäft oder Betrieb), Wertsachen in Form wertvoller Sammlungen wie Gold, Schmuck, Münzen oder Kunstgegenstände sowie Schulden (Konsumenten- als auch Hypothekenkredite).

Nach Abzug der Verbindlichkeiten vom Bruttovermögen erhält man das wohlfahrtsökonomisch und auch zur Bedürftigkeitsprüfung beim Bezug öffentlicher Transfers sozialpolitisch relevante Nettogesamtvermögen, das Gegenstand der folgenden Analysen zur personellen Vermögensverteilung ist.

Dem in Bevölkerungsumfragen verbreiteten Problem einer nicht aussagekräftigen Repräsentation hoher Einkommen und Vermögen wird im SOEP seit 2002 durch eine gesonderte Teilstichprobe von einkommensstarken Haushalten verstärkt Rechnung getragen. Vor dem Hintergrund der hohen Ungleichheit in der personellen Vermögensverteilung kommt dieser Teilstichprobe beziehungsweise der ausreichend großen Fallzahl reicher Haushalte im SOEP besondere Bedeutung zu. Insbesondere kann der Zusammenhang zwischen Einkommens- und Vermögensverteilung vor allem auch für die Gruppe der Hocheinkommensbezieher detaillierter dargestellt werden, da Vermögensbestände, Vermögenseinkommen und Ersparnis in hohem Maße vom verfügbaren Einkommen abhängig sind.4

Fragen zum Vermögen sind in Bevölkerungssurveys ebenso wie solche zum Einkommen in der Regel mit dem Problem eines selektiven Antwortverhaltens konfrontiert.5 Insbesondere Personen an den Rändern der Verteilung sind häufig seltener in der Lage oder willens, entsprechende Angaben zu machen. Um eine möglichst unverzerrte Analyse zu ermöglichen, wurden alle fehlenden Antwortangaben zum Vermögen aufgrund von Item- und Partial-Unit-Non-Response im Rahmen einer aufwendigen, multiplen Längsschnittimputation ersetzt (vgl. Frick et al. 2007).


4   Die Entwicklung der Vermögensungleichheit in Deutschland

Das gesamte Bruttovermögen (ohne PKW und Hausrat) der Personen in Privathaushalten betrug im Jahre 2007 rund 8 Billionen Euro, wobei auf Grund- und Immobilienbesitz mit 5,3 Billionen Euro der größte Anteil entfiel. Die Verbindlichkeiten, vorrangig bestehend aus Konsumenten- und Hypothekarkrediten, beliefen sich im gleichen Jahr auf gut 1,4 Billionen Euro. Nach Abzug dieser Verbindlichkeiten betrug das Nettovermögen der privaten Haushalte in Deutschland im Jahre 2007 insgesamt 6,6 Billionen Euro. Legt man dieses aggregierte Vermögen auf die erwachsene Bevölkerung um, so ergibt sich im Durchschnitt ein individuelles Nettovermögen von rund 88.000 Euro.

Da das arithmetische Mittel stark von Werten am oberen Rand der Verteilung beeinflusst wird, gibt der Vergleich mit dem Median einen ersten Einblick in die Vermögenskonzentration. Der Median gibt den Wert an, der die reichsten 50% der Bevölkerung von den Ärmeren trennt. Dieser lag in Jahre 2007 bei lediglich etwa 15.000 Euro. Immerhin 27% der Bevölkerung ab 17 Jahre verfügten über kein persönliches Vermögen oder waren sogar verschuldet. Am oberen Rand der Vermögensverteilung besaßen die obersten 10% der Vermögenden mindestens 220.000 Euro, die obersten ein Prozent sogar mehr als 800.000 Euro Nettovermögen.

Ein Vergleich der Vermögenssituation des Jahres 2007 mit der aus 2002 belegt eine zunehmende Vermögensungleichheit in Deutschland. Während der Zuwachs beim arithmetischen Mittel bei rund 10% lag, ist der Median nur um 2% angestiegen. Die obere Hälfte der Vermögenden hat demnach ihren Vermögensvorteil ausbauen können.

Ordnet man die Personen nach der Höhe ihres Nettovermögens und teilt sie in zehn gleich große Gruppen (Dezile) ein, so zeigt sich, dass das reichste Zehntel 2007 über mehr als 61% des gesamten Nettovermögens verfügte (Abb. 1). Die obersten fünf Prozent der Vermögenden vereinigten allein 46% des gesamten Nettovermögens auf sich, das oberste Prozent immerhin noch etwa 23%.6 Die untersten 70% der nach dem Vermögen sortierten Bevölkerung hatten lediglich einen Anteil am Gesamtvermögen von weniger als 9%. Ein Vergleich der Anteilswerte aus dem Jahre 2002 belegt, dass insbesondere im Top-Dezil die Konzentration der Nettovermögen von 57,9% auf 61,1% (2007) weiter zugenommen hat, während für den überwiegenden Teil der Bevölkerung der entsprechende Anteil am Gesamtvermögen rückläufig war.

Mit anderen Worten, ein nennenswerter Vermögensaufbau im Untersuchungszeitraum blieb also auf die Minderheit der Vermögendsten beschränkt.7

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Abb. 1 Anteil am Nettogesamtvermögen nach Vermögensdezilen 2002 und 2007


Die insgesamt sehr ungleiche Verteilung spiegelt sich auch in einem relativ hohen Gini-Koeffizienten8 wider. Dieser lag für 2007 bei 0,799 und damit deutlich über dem entsprechenden Wert, der sich für die verfügbaren Einkommen ergibt (ca. 0,3).9 Ein alternatives Verteilungsmaß ist das 90/50-Dezilsverhältnis. 2007 erreichte dieser Wert 14,5, das heißt, die Personen an der unteren Grenze des 10. Dezils (die reichsten 10% der Bevölkerung) hatten rund das 14,5-Fache an Nettovermögen zur Verfügung als die Personen am oberen Rand des 5. Dezils (die untere Hälfte der Vermögensverteilung).

Diese Zahlen verdeutlichen, dass einige der spezifischen Funktionen des Vermögens sowie die damit verbundenen Vorzüge nur von einer sehr geringen Minderheit der Bevölkerung in Anspruch genommen werden können.

Dies gilt umso mehr, als diese Befunde auf das gesamte Nettovermögen bezogen sind, verschiedene Funktionen des Vermögens aber nur mit liquiden Vermögenstiteln erfüllt werden können. Dies gilt insbesondere für die Sicherungsfunktion bei Einkommensausfällen. Die Vermögenskonzentration beim liquiden Vermögen ist aber für gewöhnlich weitaus stärker ausgeprägt als beim Nettogesamtvermögen. Der entsprechende Gini-Koeffizient – hier gemessen am Geldvermögen – lag im Jahre 2007 bei 0,848.

Dieses relativ hohe Maß an Vermögenskonzentration wirft Fragen der Legitimation und Akzeptanz auf. Zur Wahrnehmung des Reichtums und zu den Einstellungen gegenüber dem Reichtum in der Bevölkerung liegen neuere Befunde vor (Glatzer et al. 2008). Dabei ist auffallend, dass als häufigste Gründe für Reichtum einer Person gute Ausgangsbedingungen und passende Beziehungen genannt werden, über die sie verfügt hat, also auf Ursachen verwiesen wird, die den sozialstaatlichen Prinzipien der Chancengleichheit und Leistungsgerechtigkeit widersprechen. Auch dem ererbten Reichtum wird Skepsis entgegengebracht, da er "mit Müßiggängertum in Form von Luxusreichtum und einem geringen Arbeitsethos assoziiert" wird (ebd., S. 29).

Eine Bevölkerungsgruppe, die auch bei Einkommensverteilungsanalysen im Durchschnitt eher als benachteiligt auffällt, sind Personen mit Migrationshintergund.10 Migranten haben aufgrund ihrer biografischen Vorgeschichte häufig eine schlechtere Ausgangssituation zum Vermögensaufbau: Dies gilt sowohl für Arbeitsmigranten aus den klassischen Anwerbestaaten der 1960er und frühen 1970er Jahre als auch für Personen, die aus humanitären Gründen nach Deutschland kamen (Kriegsflüchtlinge, Asylbewerber).

Zudem weisen Migranten in Deutschland insgesamt ein eher unterdurchschnittliches schulisches und berufliches Bildungsniveau auf, das sich in einer entsprechend unterdurchschnittlichen beruflichen Karriere und einem häufig höheren Armutsrisiko niederschlägt. Erwartungsgemäß ist hier ein Vermögensaufbau schwierig, und im Jahre 2007 lag die Vermögensposition von Migranten bei lediglich etwa 45% des Durchschnitts der Gesamtbevölkerung. Dies entspricht weniger als 40.000 Euro. Gemessen am Median lag deren Vermögen sogar nur knapp über Null. Im Vergleich dazu verfügte der mittlere Autochthone über ein Median-Nettovermögen von 20.000 Euro. Vergleicht man die Veränderung des Vermögens zwischen 2002 und 2007, so machte der durchschnittliche Vermögenszuwachs bei den Migranten weniger als 4.000 Euro aus und lag damit nur halb so hoch wie für die Bevölkerung insgesamt.

Die häufigste Anlageform in Deutschland bilden private Versicherungen und Geldvermögen, die von rund der Hälfte der erwachsenen Bevölkerung gehalten werden (Tab. 1). Vom Vermögenswert her stellt dagegen der selbst genutzte Immobilienbesitz weiterhin die bedeutsamste Anlageform dar. Knapp 60% des Nettovermögens wird in dieser Anlageform gehalten, bei einem durchschnittlichen Bruttowert von knapp unter 145.000 Euro. Demgegenüber liegt der Wert des Geldvermögens und der privaten Versicherungen bei denjenigen, die diese Anlageform gewählt haben, nur bei 26.000 bzw. 22.000 Euro. Eine besondere Bedeutung kommt auch dem Betriebsvermögen zu.

Dieses wird zwar nur von rund vier Prozent der erwachsenen Bevölkerung gehalten, es macht aber mit einem durchschnittlichen Wert von rund 220.000 Euro knapp 11% des gesamten Nettovermögens aus. Die Höhe des Nettovermögens wird aber auch maßgeblich von Schulden mitbestimmt. Rund ein Drittel der Bevölkerung weist Schulden z. B. in Form von Hypotheken auf; die durchschnittliche Höhe der Schulden beläuft sich auf mehr als 56.000 Euro.

Tab. 1 Vermögenskomponenten, Deutschland 2007
 

Anteil der jeweiligen Besitzer an der Bevölkerunga

Portfoliostruktur des individuellen Nettovermögens in Deutschland

Höhe des individuellen Vermögens derjenigen mit Besitz der entsprechenden Vermögensart

Selbstgenutzter Immobilienbesitz

36,3

59,3

143.754

Sonstiger Immobilienbesitz

10,4

22,1

187.786

Geldvermögen

48,9

14,2

25.654

Private Versicherungen

52,9

13,4

22.328

Betriebsvermögen

4,4

10,9

218.823

Wertsachen

6,1

1,3

18.356

Schuldenb

33,1

−21,2

−56.415

Insgesamt

 

100,0

 

Nettogesamtvermögen in Euro

 

88.034

 

Quelle: SOEP, individuelle Vermögensinformationen, inklusive einem 0,1% Top-Coding

aPersonen in Privathaushalten im Alter ab 17 Jahre;

bSchulden auf Hypotheken und aus Konsumentenkrediten

Gegenüber dem Jahre 2002 haben sich vor allem das Geldvermögen und die privaten Versicherungen überdurchschnittlich positiv entwickelt.11 Neben einem insgesamt boomenden Aktienmarkt ist bei den privaten Versicherungen die Einführung der staatlich geförderten sogenannten Riester- oder Rürup-Rentenverträge maßgeblich für diesen Prozess verantwortlich.12 Einschränkend muss aber darauf hingewiesen werden, dass einkommensschwache Gruppen bislang seltener private Altersvorsorgeverträge abschließen als obere Einkommensbezieher (Börsch-Supan et al. 2007).

Dabei ist das Risiko einer für die Lebensstandardsicherung unzureichenden Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gerade bei Beziehern dauerhaft niedriger Erwerbseinkommen und über längere Zeiträume Nichterwerbstätigen aufgrund des Äquivalenzprinzips bei der Rentenberechnung erhöht. Diese Entwicklung dürfte dazu führen, dass sich die bereits bestehende ausgeprägte Vermögensungleichheit zwischen niedrigen und hohen Einkommensbeziehern künftig weiter vergrößern wird.

Neben Erbschaften und Schenkungen stellt regelmäßiges Sparen eine der zentralen Quellen für den Vermögensaufbau dar.13 Hier wirkt sich der enge Zusammenhang zwischen Einkommen und Vermögen nachhaltig aus, da über die Einkommensfunktion Vermögen aufgrund von Zinsgewinnen selbst wiederum Quelle für einen weiteren Vermögensaufbau ist. Andererseits gilt aber auch, dass mit zunehmender Einkommenshöhe auch die Sparmöglichkeit und Spartätigkeit zunimmt, wobei zusätzlich zum höheren Einkommen und zu bereits eventuell vorhandenen Vermögensanlagen risikoreichere und damit im allgemeinen auch renditestärkere Anlageformen gewählt werden (können).

Abbildung 2 gibt die durchschnittliche Höhe des individuellen Nettovermögens nach Dezilen der bedarfsgewichteten verfügbaren Haushaltseinkommen wider.

Es zeigt sich der erwartet positive Zusammenhang beider Größen: Dem einkommensstärksten Zehntel der Bevölkerung standen 2007 durchschnittlich knapp 320.000 Euro an individuellem Vermögen zur Verfügung, während der entsprechende Wert für das einkommensschwächste Zehntel nur etwas mehr als 30.000 Euro betrug. In Übereinstimmung mit den obigen Überlegungen zum Sparen zeigt sich, dass die größten Veränderungen in der Höhe des Vermögens am oberen Rand der Einkommensverteilung beobachtet werden können. Gegenüber 2002 hat das oberste Zehntel der Einkommensbezieher ihre Vermögensposition um durchschnittlich 60.000 Euro ausbauen können.

Demgegenüber hat das einkommensschwächste Drittel im gleichen Zeitraum Vermögen aufgezehrt. Dieser Vermögensverlust kann zum einen das Ergebnis der weiterhin hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland sein – insbesondere angesichts der Einführung des Arbeitslosengeldes II, welches bei Inanspruchnahme aufgrund des Subsidiaritätsprinzips zunächst einen Vermögensverzehr erfordert –, er kann zum anderen aber schlicht das Ergebnis eines typischen Lebenszyklusprozesses sein, bei dem im höheren Lebensalter Vermögen zwecks Konsumglättung abgebaut wird (Modigliani 1988). Darüber hinaus sind auch Vorabübertragungen an nachwachsende Generationen als Ursache für derartige Veränderungen denkbar. Der beobachtete Vermögensabbau wäre somit überwiegend auf das Phänomen der alternden Gesellschaft zurückzuführen, also ein Ergebnis eines zunehmenden Anteils älterer Personen in der Bevölkerung.

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Abb. 2 Höhe des individuellen Vermögens nach Dezilen des verfügbaren Haushaltseinkommensa


Abbildung 3 gibt einen ersten deskriptiven Hinweis darauf, ob die Lebenszyklusthese zur Erklärung der Vermögensveränderungen herangezogen werden kann. Eine Untersuchung der durchschnittlichen individuellen Nettovermögen nach Altersgruppen für die Jahre 2002 und 2007 zeigt zunächst, dass die Höhe des Vermögens für Personen im erwerbsfähigen Alter erwartungsgemäß kontinuierlich mit dem Lebensalter ansteigt.

Der Höhepunkt wird in der Altersgruppe der 56- bis 65-Jährigen mit knapp 145.000 Euro im Jahre 2007 erreicht. Nach Renteneintritt nimmt die Höhe des Vermögens wieder leicht ab. Vergleicht man die Vermögenssituation der Altersgruppen zwischen den beiden Beobachtungsjahren, so fällt aber auf, dass nach dem Renteneintritt kein genereller Vermögensabbau mehr stattfindet; die Vermögensveränderung bei der Gruppe der 75-Jährigen und Älteren fällt mit einem Plus von rund 25% gegenüber 2002 vielmehr sogar überdurchschnittlich aus. Dieser Befund ist aber auch das Ergebnis von Kohorteneffekten und sozialstrukturell differenzieller Mortalität, da Personen mit überdurchschnittlichem Vermögen eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit aufweisen (Himmelreicher et al. 2008).

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Abb. 3 Individuelles Nettovermögen nach Altersgruppen in Deutschland 2002 und 2007


5   Individuelle Vermögensmobilität

Auf Basis derartiger querschnittsbezogener Datenanalysen der Vermögenssituation sind jedoch keine Aussagen zum Ausmaß der individuellen Vermögensmobilität möglich. Auch ist nicht feststellbar, ob eine zunehmende Vermögensungleichheit mit einem dauerhaften Verharren von Personen in Positionen an den Rändern der Vermögensverteilung einhergeht (Polarisierung) oder ob hier nur ein "Austausch" von Personen in einer ähnlichen Vermögenssituation stattgefunden hat. Zur Klärung dieses Sachverhaltes bedarf es Längsschnittdaten, die nun erstmals im Rahmen des SOEP zur Verfügung stehen.

Die Veränderung der Vermögensposition von erwachsenen Personen zwischen 2002 und 2007 ist in Tab. 2 dargestellt. Hier zeigt sich ein aus Einkommensmobilitätsanalysen bekanntes Phänomen, dass die Ränder der Verteilung eine relativ höhere Stabilität aufweisen.

Beim Vermögen gilt dies aber in stärkerem Maße für den oberen Rand der Verteilung, denn 63% der Personen, die sich im Jahre 2002 im obersten Dezil befanden, gehörten diesem Vermögenssegment auch im Jahre 2007 an. Am unteren Rand der Vermögensverteilung verblieben immerhin 40% der verschuldeten Personen auch 2007 weiterhin in dieser Situation. In den mittleren Vermögensdezilen bleibt hingegen nur rund ein Viertel in derse

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