Sonntag, 16. Oktober 2011

Besetzt die Banken! [via Junge Welt]

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Besetzt die Banken!

»Arbeitsplätze, Gerechtigkeit und Bildung«: New
»Arbeitsplätze, Gerechtigkeit und Bildung«: New Yorker Demonstranten am Freitag nach erfolgreicher Verteidigung des Protestcamps an der Wall Street
Foto: reuters
»Indignez-vous! – Empört Euch!« hat der ehemalige französische Widerstandskämpfer und Spitzendiplomat Stéphane Hessel sein vor einem Jahr veröffentlichtes Manifest genannt. In zornigem Stil, für alle verständlich, positioniert sich der 93jährige darin gegen neoliberale Finanzexzesse und für den Pazifismus. Von Millionen weltweit wurde das Bändchen gelesen – und verstanden. Sein Nachfolgewerk »Engagez-vous! (Engagiert Euch!) wird dieser Tage in die Tat umgesetzt: In mehr als 900 Städten in 78 Ländern sollen an diesem »15.Oktober« Protestaktionen gegen die Macht der Banken und Konzerne, für Arbeitsplätze und ein menschenwürdiges Leben stattfinden. Laut der Bewegung »Occupy Frankfurt« (Besetzt Frankfurt) sind an diesem Samstag auch in mehr als 50 deutschen Städten Demonstrationen und Kundgebungen geplant. Das globalisierungskritische Netzwerk ATTAC und Die Linke machen mit mobil. In Berlin sind Proteste am Roten Rathaus und vor dem Kanzleramt angekündigt. Vor der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main soll ein Zeltcamp errichtet werden. Vorbild sind die Teilnehmer der Bewegung »Occupy Wall Street«, die seit Mitte September den Finanzdistrikt New Yorks belagern. Eine für Freitag angekündigte Räumung des dortigen Protestcamps wurde von den Behörden »auf einen späteren Zeitpunkt« verschoben.



Niemand konnte am Freitag einschätzen, ob der Funke auch in Deutschland zünden wird, ob ein paar Dutzend, Hunderte oder nicht doch mehrere tausend auf die Straße gehen werden. Kampagnensprecher Wolfram Siener gab sich zuversichtlich: »Die kleinen Gruppen und Netzwerke kommen jetzt alle zusammen und begreifen sich als Teil des großen Ganzen.«



Dreist: Ausgerechnet die Parteien, die die Liberalisierung der Finanzmärkte in den vergangenen Jahren vorangetrieben und mit ihrer Politik die Reichen noch reicher gemacht haben, versuchen sich der Protestbewegung ebenfalls anzuschließen. Der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick kündigte via Handelsblatt online an, er werde an den Demonstrationen in Frankfurt am Main teilnehmen und hoffe, daß das möglichst viele Menschen täten. Denn nicht nur in den USA sehe sich die breite Mehrheit der Menschen inzwischen von der wirtschaftlichen Entwicklung abgehängt, während wenige ihren Reichtum stark hätten vergrößern können. Der Vizechef der SPD im Bundestag, Axel Schäfer, behauptete, der Kampf für mehr Teilhabe und die Kontrolle wirtschaftlicher Macht gehörten schon immer zum sozialdemokratischen Markenkern. »Deshalb wollen wir die entstehende Bewegung stärken und voranbringen.« Zur Erinnerung: Es war die von Gerhard Schröder angeführte SPD-Grünen-Bundesregierung, die beispielsweise die hochspekulativen Hedgefonds zugelassen hat. Als Die Linke 2005 forderte, dies wieder zurückzunehmen, wurde das von allen anderen Fraktionen im Bundestag abgelehnt.



Auch der finanzpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Klaus-Peter Flosbach, äußert Verständnis für die Proteste. Handelsblatt online zufolgte sagte der CDU-Politiker: »Die Steuerzahler lassen Dampf ab, wenn Banken erneut auf ihre Kosten gerettet werden müssen. Das ist nachvollziehbar.« Erneute Krisen dürften nicht mehr auf dem Rücken der Steuerzahler ausgetragen werden. Zur Erinnerung: Es war die Union, die gerade den 211 Milliarden Euro teuren Rettungsschirm mit SPD, FDP und Grünen für die Kanzlerin im Bundestag abgesegnet hat.



Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Werner Dreibus, kündigte eine Beteiligung seiner Partei an. »Die Menschen haben die Nase voll davon, daß für die Banken immer Geld da ist, und für sie nie.« Er sagte voraus: »Die Proteste werden weiter zunehmen, weil die Politik nichts unternimmt, um die Finanzmärkte an die Kette zu legen.« Linke-Vizevorsitzende Sahra Wagenknecht brachte es auf die Handlungsformel: »Occupy Deutsche Bank, Occupy Commerzbank«. Deutschland brauche eine Bewegung, die klar fordere, »daß Schluß ist mit der Ausbeutung der Gemeinwesen durch diese Finanzmafia, durch die Zocker, durch die oberen Zehntausend«, so Wagenknecht. »Wir wollen endlich selbst über unsere Geschicke bestimmen, und dafür müssen tatsächlich auch ökonomische Bedingungen verändert werden, gerade im Bereich des Eigentums bei großen Banken, aber auch bei großen Konzernen.« Derzeit herrsche »eine Art kapitalistischer Sozialismus für die Banken«, sagte die Linke-Vize in der ZDF-Sendung Maybrit Illner am Donnerstag abend mit Blick auf die »irrsinnigen Rettungsschirme«. Wagenknechts Kurzanalyse: »Der Kapitalismus zerstört Freiheit und Demokratie. Statt der Politik regieren die Banken. Wir brauchen eine neue Wirtschaftsordnung.« Der Protest sei überfällig. Die Linke werde gebraucht, »um solche Fragen zu diskutieren und Menschen zu ermutigen, auf die Straßen zu gehen«. Sie selbst will sich den Demonstrationen in Berlin anschließen und dafür eigens die Vorstandssitzung, auf dem der Erfurter Programmparteitag vorbereitet wird, unterbrechen.
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