Freitag, 28. Oktober 2011

--->>> #Unterbringung u. # Zwangsbehandlung in #Deutschland (...) [Psychiatrische Praxis: 2009]

 


Kritisches Essay
   
Unterbringung und Zwangsbehandlung in Deutschland

Die feinen Unterschiede zwischen Zivilrecht und öffentlichem Recht


Involuntary Placement and Coercive Treatment in Germany

Subtle Differences Within the Legal Framework

  Marc  Falkenbach1, Markus  Jäger2, Norbert-Ullrich  Neumann2, Karel  Frasch2 1 Regierungsrat, Regierungspräsidium Stuttgart
2 Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II der Universität Ulm, Bezirkskrankenhaus Günzburg (Leitender Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. T. Becker)
 
Einleitung
Die materiellen Voraussetzungen der Unterbringung
Zivilrechtliche Unterbringung
Die Unterbringung Volljähriger (§ 1906 Abs. 1 BGB)
Unterbringung durch Bevollmächtigte (§ 1906 Abs. 5 und 1 BGB)
Unterbringungsähnliche Maßnahmen (§ 1906 Abs. 4 BGB)
Die Genehmigung (§ 1906 Abs. 2 BGB)
Vorläufige Unterbringung durch das Vormundschaftsgericht (§ 1846 BGB)
Die Unterbringung Minderjähriger (§§ 1631 b, 1800, 1915 BGB)
Öffentlich-rechtliche Unterbringung
Unterbringung nach den Landesgesetzen zur Unterbringung psychisch Kranker (PsychKG)
Psychische Krankheit im Sinne der PsychKG
Selbst- und Fremdgefährdung im Sinne der PsychKG
Verfahren
Voraussetzungen in Baden-Württemberg (§ 4 Abs. 1 BWUBG)
Voraussetzungen in Bayern (Art. 10 Abs. 1 BayUnterbrG)
Unmittelbarer Zwang zur Durchsetzung medizinischer Maßnahmen (Zwangsbehandlungen)
Zwangsbehandlungen nach dem BGB
Zwangsbehandlungen nach den PsychKG
Verfahren in Unterbringungssachen nach den §§ 70 - 70 n FGG
Anhörung
Ärztliches Attest bzw. Gutachten
Einstweilige Anordnung gemäß § 70h FGG
Interessenkonflikte
Literatur
 
 
 

 

Einleitung

Die Behandlung psychisch Kranker, deren freie Willensbildung bzw. Einsichtsfähigkeit krankheitsbedingt eingeschränkt oder nicht vorhanden ist, stellt die behandelnden Ärzte oftmals vor nicht nur ethische (Respekt vor Patientenautonomie versus erforderliche Heilbehandlung [1]), sondern auch vor rechtliche Probleme. Die diesbezüglich mitunter anzutreffende Unsicherheit rührt auch daher, dass die Rechtsprechung hierzu nicht immer eindeutig ist. Dies galt insbesondere für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Zulässigkeit von Zwangsbehandlungen aus dem Jahr 2000. Mit seiner aktuellen Entscheidung hat der BGH im Jahr 2006 zumindest diese Unklarheit beseitigt und über die Entscheidung eines Einzelfalls hinaus ergänzende Feststellungen getroffen, die für die Praxis von großer Bedeutung sind.

Im Hinblick darauf, dass jede Unterbringung und Zwangsbehandlung in unveräußerliche Rechte der Betroffenen - namentlich dem Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (GG) - eingreift, bedarf es bei den Ärzten, unter deren Regie Unterbringungen und Zwangsbehandlungen durchgeführt werden, hinreichender Kenntnisse der rechtlichen Grundlagen. Rechtsunsicherheiten und mangelnde Kenntnisse der behandelnden bzw. beurteilenden Ärzte sind in diesem grundrechtsrelevanten Bereich auf ein Minimum zu reduzieren.

Dieser Beitrag soll durch die Darlegung der Rechtsgrundlagen für Unterbringungen und Zwangsbehandlungen sowie der wesentlichen Verfahrensvorschriften klinisch-praktisch tätige Ärzte in den Stand versetzen, auf der Basis hinreichender Kenntnisse der Rechtsordnung tätig zu werden. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die neue Rechtsprechung des BGH zu den Zwangsbehandlungen gelegt.

Die Darstellung der Rechtsgrundlagen erfolgt in einem ersten Schritt am materiellen Recht, welches die Voraussetzungen der Unterbringungen und Zwangsbehandlungen normiert. Dabei werden zunächst die für das gesamte Bundesgebiet geltenden Bestimmungen des Bundesrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), sodann die maßgeblichen Regelungen des Landesrechts in den jeweiligen Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker (PsychKG) exemplarisch anhand der Länder Baden-Württemberg und Bayern dargestellt und schließlich die materiellen Voraussetzungen für Zwangsbehandlungen anhand der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung beschrieben. In einem weiteren Schritt werden die wesentlichen Verfahrensvorschriften nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) erläutert.

 

Die materiellen Voraussetzungen der Unterbringung

Das deutsche Recht kennt verschiedene Arten der Unterbringung, die sich - je nach Rechtsgrundlage - in sogenannte zivilrechtliche Unterbringungen nach dem BGB und in öffentlich-rechtliche Unterbringungen nach den jeweiligen PsychKG der Länder einteilen lassen. Eine weitere Untergliederung erfolgt anhand der betroffenen Personen und der verschiedenen Maßnahmen.

Anknüpfungspunkt ist in allen Fällen das Ergreifen einer freiheitsentziehenden Maßnahme. Freiheitsentziehung ist das Festhalten einer Person auf einem bestimmten festgeschriebenen Raum unter ständiger Überwachung und die Einschränkung von Kontaktaufnahmen mit Personen außerhalb des Raumes durch Sicherungsmaßnahmen [2][3]. Die Bezeichnung einer Station als "offen" oder "halboffen" besagt als solche nichts über deren freiheitsentziehenden Charakter [3]. Entscheidend ist allein die konkrete Ausgestaltung der Bewegungsfreiheit. So liegt beispielsweise eine Unterbringung vor, wenn kein unkontrollierter freier Zutritt herrscht und Ausgang nur unter Aufsicht möglich ist oder bei "offenen" Stationen, soweit Sanktionen für den Fall des Entweichens angedroht sind [4].

Eine Freiheitsentziehung ist nur gegen oder ohne den Willen des Betroffenen denkbar [3]. Sie scheidet also bei einer wirksamen Einwilligung des Betroffenen aus. Dazu muss dieser aber einwilligungsfähig sein. Die Einwilligungsfähigkeit setzt nicht Geschäftsfähigkeit voraus, da die Einwilligung kein Rechtsgeschäft ist. Der Betroffene bedarf lediglich der Einsichtsfähigkeit, die Folgen der Unterbringung an dem jeweiligen Ort beurteilen zu können. Er muss die Folgen für sein Freiheitsrecht erkennen können. Zur Unterbringung wird eine Freiheitsentziehung, wenn sie mit dem Verbringen in einem anderen Lebensraum verbunden ist. Keine Unterbringung liegt somit beim vorübergehenden Einsperren des Betroffenen in dessen Wohnung vor oder in der Wohnung desjenigen, der den Betroffenen versorgt, solange das Einsperren im Hinblick auf die familiäre Versorgung sozialadäquat erscheint (z. B. während der Besorgung von Einkäufen) [3][5]. Auch sind dort unterbringungsähnliche Maßnahmen genehmigungsfrei [6].

 

Zivilrechtliche Unterbringung

 

Die Unterbringung Volljähriger (§ 1906 Abs. 1 BGB)

Diese Variante der zivilrechtlichen Unterbringung setzt voraus, dass der Betroffene unter einer Betreuung (§ 1896 BGB) steht und die Unterbringung durch den Betreuer veranlasst wird. Demzufolge darf eine solche Unterbringung nur dann erfolgen, wenn die Unterbringung auch zum vorher gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis des Betreuers gehört (Bestimmung des Aufenthaltsortes). Die Unterbringung nach § 1906 BGB kann nur zum Wohl des Betreuten erfolgen. Somit scheidet diese aus, wenn allein der Schutz dritter Personen angestrebt ist. In solchen Fällen der Fremdgefährdung kommt nur eine Unterbringung nach den PsychKG der Länder in Betracht [3].

Es gibt zwei Fälle der Unterbringung zum Wohl des Betreuten:

Zum einen im Fall einer Selbstgefährdung gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB, wonach eine Unterbringung bei der Gefahr einer Selbsttötung oder erheblichen Gesundheitsgefährdung dann zulässig ist, wenn diese Gefahr ihre Ursache in einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung hat. Zum Zweiten kann eine Unterbringung erfolgen, wenn diese zu einer notwendigen Untersuchung des Gesundheitszustandes, Heilbehandlung oder zur Durchführung eines ärztlichen Eingriffs erforderlich ist (§ 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Die Norm bedarf wegen ihres unklaren Wortlauts der verfassungskonformen Auslegung dahingehend, dass auch hier eine gewichtige Gefahr für die Gesundheit des Betroffenen vorliegen muss. Auch dem psychisch Kranken ist in gewissen Grenzen eine "Freiheit zur Krankheit" zu belassen [7].

 

Unterbringung durch Bevollmächtigte (§ 1906 Abs. 5 und 1 BGB)

Liegen die soeben beschriebenen Voraussetzungen vor, kann seit 1.1.1999 auch eine Unterbringung durch eine vom Betroffenen zuvor schriftlich bevollmächtigte Person veranlasst werden. Diese Neuerung, die mit dem 1. Betreuungsrechtsänderungsgesetz zur Stärkung der sogenannten Vorsorgevollmachten eingeführt wurde, ermöglicht eine Unterbringung auch ohne eine zuvor erfolgte Betreuungsanordnung [8].

 

Unterbringungsähnliche Maßnahmen (§ 1906 Abs. 4 BGB)

Als Auffangtatbestand (Tatbestand, der für alle Fälle freiheitsentziehender Maßnahmen außerhalb des Absatzes 1 des § 1906 BGB greift) umfasst § 1906 Abs. 4 BGB alle übrigen Arten der Freiheitsentziehung, die gegenüber jemandem erfolgen, der nicht untergebracht ist. Entgegen dem Wortlaut ist eine (erneute) vormundschaftliche Genehmigung auch bei unterbringungsähnlichen Maßnahmen erforderlich, die an einem bereits untergebrachten Betroffenen erfolgen sollen [9]. Die Voraussetzungen sind, dass ein Betreuer bestellt (§ 1896 BGB) oder ein Bevollmächtigter im Sinne des § 1906 Abs. 5 BGB vorhanden ist, der Betroffene sich in einer Anstalt, einem Heim oder sonstigen Einrichtung aufhält und dem Betroffenen dort über einen längeren Zeitraum (ab einem Tag nach dem Beginn der Maßnahme) oder regelmäßig (stets zur selben Zeit oder aus wiederkehrendem Anlass) die Freiheit durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise entzogen wird [3][4]. Typische Sicherungsmaßnahmen sind z. B. das Fixieren durch Leibgurt, Bettgitter; Verhindern des Entweichens durch verschlossene Türen oder Kontrollen; Medikamente, die gezielt dazu eingesetzt werden, den Patienten am Verlassen der Einrichtung zu hindern (also nicht bei unerwünschten Nebenwirkungen) [10]. Schließlich müssen wegen der Verweisung des § 1906 Abs. 4 BGB auf die Abs. 1 - 3 die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 BGB vorliegen. Auch in diesen Fällen kann also nur zur Begegnung von Selbstgefährdung, nicht aber vorwiegender Fremdgefährdung, untergebracht werden.

 

Die Genehmigung (§ 1906 Abs. 2 BGB)

Für alle vorstehend beschriebenen Unterbringungen ist zuvor eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung einzuholen (§ 1906 Abs. 2, Satz 1 BGB). Nur wenn mit dem Aufschub (verursacht durch die Einholung der Genehmigung) Gefahr verbunden ist, kann im Ausnahmefall ohne vorherige Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (VormG) eine Unterbringung angeordnet werden. In diesem Fall ist die Genehmigung unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) nachzuholen.

 

Vorläufige Unterbringung durch das Vormundschaftsgericht (§ 1846 BGB)

Nach § 1846 BGB hat das VormG für den Fall, dass ein Vormund noch nicht bestellt ist oder an der Erfüllung seiner Aufgaben verhindert ist, die im Interesse des Betroffenen erforderlichen Maßregeln zu treffen. Diese Bestimmung findet über die Verweisung in § 1908 i Abs. 1, Satz 1 BGB auch auf volljährige Betreute Anwendung. Als erforderliche Maßregel im Sinne des § 1846 BGB kommt grundsätzlich auch eine Unterbringung in Betracht [11].

Eine Unterbringung aufgrund des § 1846 BGB setzt voraus, dass ein Betreuer nicht bestellt ist oder der bestellte Betreuer an der Ausübung seiner Pflichten (gleichgültig ob aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen oder ob nur vorübergehend oder andauernd) verhindert ist. Keine Verhinderung liegt bei Weigerung oder Versäumnis des an sich einsatzbereiten Betreuers vor [3]. Weiter müssen ein dringender Fall vorliegen und mit einem Aufschub Nachteile für den Betroffenen zu besorgen sein [11].

Das Gericht trifft dann die im Interesse des Betroffenen (Mündel oder Betreuten) erforderlichen Maßnahmen, also bei Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen (§ 1906 BGB) auch die Unterbringung des Betroffenen. Die Unterbringung ist auch hier nur zum Schutz des Betroffenen zulässig (kein Drittschutz). Soweit (noch) kein Betreuer bestellt ist, muss das VormG bei Anordnung der Unterbringung nach § 1846 BGB in Verbindung mit § 70 h FGG gleichzeitig Maßnahmen treffen, die sicherstellen, dass unverzüglich (binnen weniger Tage) ein zumindest vorläufiger Betreuer bestellt wird. Erfolgt dies durch das Gericht nicht, ist die Unterbringung von Beginn an unzulässig [11].

Bei der Anwendung des § 1846 BGB hat das VormG Zurückhaltung zu üben, da es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt, die auf dringende Fälle zur Vermeidung von Nachteilen für den Betroffenen beschränkt ist [11].

 

Die Unterbringung Minderjähriger (§§ 1631 b, 1800, 1915 BGB)

Gemäß den §§ 1631 b, 1800 BGB hat der Vormund das Aufenthaltsbestimmungsrecht und kann somit eine Unterbringung des Minderjährigen, der unter Vormundschaft steht (Mündel), vornehmen. Zwingend ist allerdings die Genehmigung des Familiengerichts. Eine Vormundschaft wird angeordnet, wenn der Minderjährige nicht unter elterlicher Sorge steht, die Eltern zur Vertretung des Minderjährigen nicht berechtigt sind oder der Familienstand des Minderjährigen nicht zu ermitteln ist (§ 1773 BGB). Gleiches, d. h. die Möglichkeit, im Rahmen der übertragenen Personensorge eine Unterbringung des Betroffenen zu veranlassen, gilt im Fall einer Pflegschaft (§§ 1909, 1915 BGB). Eine Pflegschaft wird angeordnet, wenn die Eltern oder der Vormund an der Ausübung der elterlichen Sorge bzw. Vormundschaft gehindert sind (sogenannte Ergänzungspflegschaft nach § 1909 BGB).

Die vorstehenden Unterbringungen durch den Vormund bzw. Ergänzungspfleger können nur erfolgen, wenn die Erziehungsberechtigten an der Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts gehindert sind (§ 1773 in Verbindung mit § 1909 BGB).

 

Öffentlich-rechtliche Unterbringung

 

Unterbringung nach den Landesgesetzen zur Unterbringung psychisch Kranker (PsychKG)

Da die Länder unterschiedliche Regelungen zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung getroffen haben, werden im Folgenden die Unterbringungen am Beispiel der Gesetze der Länder Baden-Württemberg (BWUBG) und Bayern (BayUnterbrG) dargestellt.

Der Anwendungsbereich der beiden Unterbringungsgesetze beschränkt sich auf Personen, die psychisch krank sind oder infolge Geistesschwäche oder Sucht psychisch gestört sind (Art. 1 Abs. 1 BayUnterbrG; § 1 Abs. 1 und 2 BWUBG).

 

Psychische Krankheit im Sinne der PsychKG

Psychisch Kranke im Sinne des Unterbringungsgesetzes sind Personen, bei denen eine geistige oder seelische Krankheit, Behinderung oder Störung von erheblichem Ausmaß vorliegt einschließlich einer psychischen oder physischen Abhängigkeit von Rauschmitteln (Art. 1 Abs. 1 BayUnterbrG; § 1 Abs. 1 und 2 BWUBG). Der Begriff der psychischen Krankheit erfasst alle Arten geistiger Abnormität, alle psychischen Abweichungen von der Norm, gleichgültig, welche Ursache sie haben oder wie sie zustande gekommen sind. Dabei beschränkt sich dieser Begriff nicht auf Geisteskrankheiten oder Psychosen im medizinischen Sinn, sondern umfasst (fast) alle Störungen des Willens-, Gefühls- und Trieblebens. Das Vorliegen einer psychischen Erkrankung im Sinne der PsychKG ist jedoch interessanterweise dann zu verneinen, wenn eine dissoziale Persönlichkeitsstörung (ohne wesentliche Komorbidität) vorliegt [12].

Allerdings erfordert der Begriff der psychischen Krankheit als Voraussetzung der Unterbringung einen hinreichenden Schweregrad der Störung. Der Störung muss Krankheitswert im Sinne des Gesetzes zukommen [12]. In diesem Zusammenhang hat sich der Richter des Sachverstandes der Ärzte zu bedienen, die sich bei der Diagnosestellung an der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen orientieren. Dabei kommt dieser Klassifizierung von Krankheitsbegriffen zwar keine juristische Verbindlichkeit zu, sie stellt jedoch einen wesentlichen Anhaltspunkt dar [12]. Stellt also der begutachtende Arzt fest, dass eine psychische Krankheit vorliegt, ist weiter zu klären, ob diese einen ausreichenden Schweregrad hat, um sie als eine psychische Krankheit im Sinne des Gesetzes einstufen zu können. Bei dieser rechtlichen Bewertung wirkt der Arzt insoweit maßgeblich mit, als er im Rahmen der gestellten Diagnose deren Ausprägung im Sinne eines Schweregrades zu definieren in der Lage sein muss. Die Unterscheidung zwischen dem medizinischen Krankheitsbegriff einerseits und dem juristischen andererseits muss dem begutachtenden Arzt hinreichend geläufig sein, da ansonsten der Unterbringungsanordnung der Einwand des mangelnden Sachverstands des Gutachters, auf dem die Entscheidung beruht, entgegengehalten werden könnte [12].

 

Selbst- und Fremdgefährdung im Sinne der PsychKG

Im Unterschied zur zivilrechtlichen Unterbringung kann die öffentlich-rechtliche nicht nur zur Abwehr einer Selbstgefährdung, sondern auch zur allgemeinen Gefahrenabwehr, insbesondere der Abwehr einer Fremdgefährdung, angeordnet werden (Art. 2 BayUnterbrG; § 1 Abs. 4 BWUBG). Die öffentlich-rechtliche Unterbringung greift insoweit weiter als die zivilrechtliche.

Eine unterbringungsbedürftige Selbstgefährdung liegt vor, wenn der Betroffene infolge seiner Krankheit sein Leben oder seine Gesundheit erheblich gefährdet (Art. 1 Abs. 1 BayUnterbrG; § 1 Abs. 4 BWUBG). Die (erhebliche) Gefährdung der Rechtsgüter Leben und Gesundheit muss auf der Grundlage eines hinreichend konkret ermittelten und nachvollziehbaren Sachverhalts festgestellt werden. Reine Vermutungen genügen ebenso wenig wie der bloße Hinweis auf "eigen- und fremdgefährdende Fehlhandlungen" des Betroffenen [13]. Im Hinblick auf den Eingriff in die Freiheit der Person erfordert die Unterbringung weiter, dass mit einer Beeinträchtigung der Rechtsgüter (Leben, Gesundheit) zum einen mit hoher Wahrscheinlichkeit und zum anderen jederzeit gerechnet werden muss [14].

Eine hinreichend konkrete und mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretende erhebliche Gefährdung der Gesundheit liegt insbesondere dann vor, wenn ohne Unterbringung und stationäre (Zwangs-)Behandlung sich der Gesundheitszustand des Betroffenen deutlich verschlechtern würde; dies ist beispielsweise dann zu bejahen, wenn ein an Schizophrenie Erkrankter infolge des eigenmächtigen Absetzens der Medikation in einen "hilflosen Zustand" geraten ist, in dem er selbst einfachste Verrichtungen des täglichen Lebens vorzunehmen nicht in der Lage ist [15].

Zu verneinen ist eine Selbstgefährdung im o. g. Sinne beispielsweise dann, wenn der Betroffene infolge seiner Krankheit große Geldausgaben tätigt und damit lediglich sein Vermögen, nicht aber seine Gesundheit erheblich gefährdet [13].

Die Unterbringung zum Zwecke der Begegnung einer Fremdgefährdung erfordert eine erhebliche und gegenwärtige Gefahr der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung oder eine Gefährdung der Rechtsgüter anderer (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayUnterbrG; § 1 Abs. 4 BWUGB). Schließlich muss es sich bei den bedrohten Rechtsgütern um solche von erheblichem Gewicht handeln [12].

So ist eine Fremdgefährdung im vorstehend beschriebenen Sinne z. B. dann zu verneinen, wenn der Gutachter zu der Feststellung gelangt, dass "zumindest eine mittelbare Eigen- und Fremdgefährdung" vorliege. Zum einen spricht schon die Verwendung des Begriffs "mittelbar" für das Fehlen einer Gefährdungslage im Sinne der PsychKG, zum anderen müssen solche Bewertungen auf der Grundlage konkret dargelegter Tatsachen beruhen. Der Gutachter muss anhand konkreten Tatsachenvortrages nachvollziehbar erläutern, was genau er unter einer "Eigen- und Fremdgefährdung" versteht [13]. Für den Gutachter bedeutet dies, dass er Wertungen wie das Vorliegen einer Gefährdungslage im Sinne der PsychKG nicht isoliert aufstellen kann. Er muss darlegen, was er unter diesen rechtlichen Begriffen versteht und anhand welcher konkreten Tatsachen er zu der Feststellung gekommen ist. Der Gefährdungstatbestand der Fremdgefährdung kann erfüllt sein, wenn zu befürchten steht, dass ein Betroffener bei der Entlassung aus der Klinik mit seinem PKW am Straßenverkehr teilzunehmen gedenkt, obwohl er infolge seiner Erkrankung nicht in der Lage ist, dieses sicher zu führen und dadurch andere Straßenverkehrsteilnehmer gefährdet [13].

Vorstehendes Beispiel zeigt allerdings, dass allein das Vorliegen einer Gefahrenlage wie beschrieben nicht genügt, eine Unterbringung anzuordnen. Die Unterbringung war aus anderen Gründen unzulässig. Wie das Gericht ausführt, war die Unterbringung nicht das allein geeignete, insbesondere mildeste Mittel, um die Gefahr abzuwenden, was aber Voraussetzung der Unterbringung ist (Art. 1 Abs. 1 Satz 3 BayUnterbrG; § 1 Abs. 4 BWUBG). So habe sich im geschilderten Fall als wesentlich mildere Maßnahme die Möglichkeit aufgedrängt, die Autoschlüssel des Betroffenen - dessen Einverständnis vorausgesetzt - einer vertrauenswürdigen Person zur Verwahrung zu übergeben. Erst wenn der Betroffene seine Einwilligung zur Schlüsselverwahrung verweigere, sei eine Unterbringung möglich [13].

Diese Ausführungen zeigen, dass immer anhand des Einzelfalles und unter Würdigung und Abwägung aller Gesichtspunkte und Berücksichtigung alternativer Gefahrenabwehrmaßnahmen die Frage der Erforderlichkeit der Unterbringung zu entscheiden ist.

 

Verfahren

Das gerichtliche Unterbringungsverfahren ist einheitlich in den §§ 70 - 70 n des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) geregelt. Allerdings haben die Länder in ihren Landesgesetzen eigene Regelungen für den Fall getroffen, dass eine Unterbringung ohne eine gerichtliche Anordnung erfolgen soll.

Das Unterbringungsverfahren bei öffentlich-rechtlichen Unterbringungen ist ein Antragsverfahren, weshalb das Gericht nur auf Antrag, nicht aber von Amts wegen tätig wird. Zuständig und antragsbefugt sind in Bayern die Kreisverwaltungsbehörden (Art. 5 BayUnterbrG), in Baden-Württemberg die unteren Verwaltungsbehörden (Landratsämter bzw. Gemeinden in den Stadtkreisen) und die nach § 2 BWUBG anerkannten Einrichtungen, sofern sich der Betroffene bereits in einer solchen Einrichtung befindet (§ 3 Abs. 1 BWUBG). Die öffentlich-rechtliche Unterbringung wird durch das Vormundschaftsgericht angeordnet. Auch hier sind Eilmaßnahmen bei Gefahr im Verzug in Form einer einstweiligen Anordnung des VormG möglich (§ 70 h FGG). Des Weiteren ist eine Unterbringung vorläufiger Art auch ohne gerichtliche Anordnung möglich.

 

Voraussetzungen in Baden-Württemberg (§ 4 Abs. 1 BWUBG)

  • Es müssen dringende Gründe vorliegen, dass die Voraussetzungen einer Unterbringung gegeben sind und

  • eine sofortige Unterbringung erforderlich erscheint.

  • Dies muss durch ein ärztliches Zeugnis eines einrichtungsfremden Arztes bestätigt werden.

Der Betroffene ist nach Eintreffen in der Einrichtung unverzüglich von einem Arzt zu untersuchen und im Fall der Nichtbestätigung der Unterbringungsvoraussetzungen sofort zu entlassen.

Die Anstalt hat den Antrag auf Unterbringung unverzüglich, spätestens aber bis zum Ablauf des dritten Tages nach der Aufnahme an das zuständige VormG abzusenden, falls eine weitere Unterbringung gegen den Willen des Betroffenen erforderlich erscheint (§ 4 Abs. 4 BWUBG). Somit kann in Baden-Württemberg ein Festhalten gegen den Willen des Betroffenen ohne eine gerichtliche Entscheidung rechtmäßig bis zu 3 Tage andauern (im Extremfall auch länger, da lediglich die Benachrichtigung am dritten Tage abzusenden ist und bei Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen keine Entlassungspflicht besteht).

Nicht geregelt ist im BWUBG die Frage der Unterbringung durch die Polizei. Da somit eine spezialgesetzliche Regelung fehlt, wird auf das allgemeine Polizeirecht (PolGBW) und dessen Generalklausel zurückzugreifen sein (§ 1, 3 PolGBW). Danach sind die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen durch die Polizei vorzunehmen.

 

Voraussetzungen in Bayern (Art. 10 Abs. 1 BayUnterbrG)

  • Es müssen dringende Gründe für die Annahme vorliegen, dass Unterbringungsgründe im Sinne des Art. 1 Abs. 1 BayUnterbrG gegeben sind und

  • eine Entscheidung des VormG nicht rechtzeitig durchführbar ist, um einen Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren.

Die zuständige Behörde hat das VormG bis spätestens 12.00 Uhr des der Aufnahme folgenden Tages zu benachrichtigen (Art. 10 Abs. 1 BayUnterbrG). In unaufschiebbaren Fällen kann auch die Polizei die Unterbringung veranlassen, muss aber unverzüglich - spätestens bis 12.00 Uhr am darauffolgenden Tag - die Kreisverwaltungsbehörde und das VormG benachrichtigen (Art. 10 Abs. 2 BayUnterbrG). Soweit bis zum Ablauf (24.00 Uhr) des darauffolgenden Tages keine Entscheidung des VormG ergangen ist, muss der Betroffene entlassen werden (Art. 10 Abs. 6 BayUnterbrG). Ebenso kann der Leiter einer Einrichtung im Sinne des Art. 1 Abs. 1 BayUnterbrG den Betroffenen gegen dessen Willen festhalten, soweit die Voraussetzungen einer Unterbringung ohne vormundschaftsgerichtliche Entscheidung vorliegen (Art. 10 Abs. 1, 4 und 5 BayUnterbrG: Eilbedürftigkeit zur Abwehr drohenden Schadens der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung). Er muss den Betroffenen ärztlich untersuchen lassen und die zuständige Verwaltungsbehörde und das VormG unverzüglich benachrichtigen (spätestens bis 12.00 Uhr des auf die Festsetzung folgenden Tages).

 

Unmittelbarer Zwang zur Durchsetzung medizinischer Maßnahmen (Zwangsbehandlungen)

 

Zwangsbehandlungen nach dem BGB

Die Durchführung medizinischer Maßnahmen (Untersuchungen des Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen und ärztliche Eingriffe) gegen oder ohne den Willen des Betreuten ist zu unterscheiden von der Durchsetzung medizinischer Maßnahmen vermittels Anwendung unmittelbaren Zwangs. Letztere stellt die hier thematisierte Zwangsbehandlung dar. Die gegen den Willen eines (nicht untergebrachten) Betreuten in regelmäßigen Zeitabständen durchzuführende Dauermedikation mit Neuroleptika (Depotspritze) und die zwangsweise Zuführung des Betreuten zu dieser jeweils kurzfristigen Behandlung stellt keine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung (§ 1906 Abs. 1 BGB) oder unterbringungsähnliche Maßnahme (§ 1906 Abs. 4 BGB) dar und ist damit nicht genehmigungsfähig, d. h. nicht zulässig, da es hierfür an einer hinreichenden Rechtsgrundlage im Zivilrecht fehlt [2].

Zwangsbehandlungen sind aber nicht generell unzulässig. Vielmehr sind diese im Rahmen von Unterbringungen nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich möglich. Die Unterbringung zum Zweck der Durchführung einer erforderlichen Heilbehandlung oder eines ärztlichen Eingriffs deckt nämlich von ihrem Sinn und Zweck her grundsätzlich auch die ggf. erforderliche zwangsweise Durchsetzung medizinischer Maßnahmen, in die der Betreuer nach §§ 1901, 1902 BGB zuvor eingewilligt hat, ab. Der Betreute hat diesen Zwang im Fall der Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB zu erdulden [16].

Dabei ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme durch den Betreuer einerseits und zwangsweise Durchsetzung der Maßnahme (Zwangsbehandlung) andererseits. Die Einwilligung in medizinische Maßnahmen, die der Betreuer als gesetzlicher Vertreter des Betreuten nach den §§ 1901, 1902 BGB erklärt, führt dazu, dass diese auch gegen bzw. ohne den Willen des Betroffenen erfolgen dürfen und damit Ärzte und Pflegepersonal nicht das Grundrecht des Betreuten auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) rechtswidrig einschränken. Sie (die Einwilligung nach §§ 1901, 1902 BGB) berechtigt aber nicht dazu, die medizinische Maßnahme mittels unmittelbarem Zwang durchzusetzen, d. h. eine Zwangsbehandlung durchzuführen und damit das Recht der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) einzuschränken. Dazu bedarf es einer weitergehenden Rechtsgrundlage, die in § 1906 Abs. 1 BGB zu sehen ist. Wie der BGH zur Klarstellung weiter ausführt, ist es deshalb erforderlich, dass bereits bei der Beantragung der Genehmigung einer Unterbringung zum Zweck der Durchführung von medizinischen Maßnahmen (§ 1906 Abs. 1 BGB) die erforderlichen medizinischen Maßnahmen so präzise wie möglich anzugeben sind, da nur dann der Unterbringungszweck und damit die vom Untergebrachten zu erduldenden medizinischen Maßnahmen bestimmbar und letztlich zulässig sind [16].

Es ist somit festzuhalten, dass Zwangsbehandlungen von Betreuten im Zivilrecht nur im Rahmen von Unterbringungen gemäß § 1906 Abs. 1 BGB zulässig sind und dies auch nur dann, wenn die Genehmigung der Unterbringung die erforderlichen medizinischen Maßnahmen detailliert aufführt. Bei Zwangsmedikationen erfordert dies die möglichst genaue Angabe des Arzneimittels oder Wirkstoffs, die (Höchst-)Dosierung und die Verabreichungshäufigkeit sowie alternative Medikationen für den Fall, dass das Mittel der Wahl nicht die erhoffte Wirkung erzielt oder vom Betreuten nicht vertragen wird. Ambulante Zwangsbehandlungen von Betreuten sind im Zivilrecht hingegen unzulässig.

 

Zwangsbehandlungen nach den PsychKG

Weitaus unproblematischer sind Zwangsbehandlungen nach den PsychKG der Länder. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Durchführung einer Heilbehandlung ist nämlich in den beiden PsychKG der Länder Bayern und Baden-Württemberg explizit geregelt (Art. 13 Abs. 2 i. V. m. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 BayUnterbrG; § 8 Abs. 2 i. V. m. § 12 Abs. 1 BWUBG). Eine Zwangsbehandlung ist dann zulässig, wenn der Betroffene nach den PsychKG untergebracht ist und die Heilbehandlung medizinisch indiziert ist und nicht mit einer erheblichen Gefährdung für das Leben oder die Gesundheit verbunden ist; in letztgenanntem Fall bedarf es der ausdrücklichen Einwilligung des Betroffenen (Art. 13 Abs. 3 BayUnterbrG; § 8 Abs. 4 BWUBG), womit es sich dann nicht mehr um eine Zwangsbehandlung handeln kann.

Die Anwendung unmittelbaren Zwangs bedarf grundsätzlich der vorherigen Ankündigung (Art. 19 Abs. 4 BayUnterbrG; § 12 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BWUBG). Unmittelbarer Zwang zur Durchführung einer Heilbehandlung ist in Baden-Württemberg nur auf ärztliche Anordnung zulässig (§ 12 Abs. 1 Satz 2 BWUBG). Die ärztliche Anordnungspflicht ist im BayUnterbrG nicht geregelt. Demnach ist an Bayerischen Kliniken die Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Durchführung einer Heilbehandlung durch Pflegepersonal unterbringungsrechtlich zulässig.

Die PsychKG sorgen im Vergleich zum BGB für eine wesentlich größere Rechtssicherheit bei den Verantwortlichen. Auch entfällt das Erfordernis, dass die Gerichte bereits bei der Anordnung der Unterbringung die erforderlichen Maßnahmen und ggf. die Medikation detailliert benennen, wie dies im Rahmen der Genehmigung zivilrechtlicher Unterbringungen nach § 1906 Abs. 1 BGB erforderlich ist, um überhaupt Zwangsbehandlungen vornehmen zu können. Dadurch wird auch der begutachtende Arzt von den diesbezüglich prognostischen Beurteilungen entlastet und die Behandlung des Betroffenen im Rahmen der Unterbringung nach PsychKG folgt den medizinischen Notwendigkeiten, die sich im Verlauf der Behandlung ändern können. Damit zeigen sich die PsychKG in der Durchführung der (Zwangs-)Behandlung untergebrachter Betroffener wesentlich einfacher in der Handhabung und insoweit auch praxisorientierter als das BGB.

 

Verfahren in Unterbringungssachen nach den §§ 70 - 70 n FGG

Unterbringungsmaßnahmen sind:

  • Die Genehmigung einer Unterbringung eines Minderjährigen (§§ 1631 b, 1800, 1915 BGB), eines Betreuten (§§ 1906 Abs. 1 - 3 BGB) oder einer Person, die einen Dritten dazu bevollmächtigt hat (§ 1906 Abs. 5 BGB),

  • die Genehmigung einer sonstigen freiheitsentziehenden Maßnahme (§ 1906 Abs. 4 BGB) und

  • die Anordnung einer Unterbringung nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker.

Verfahrensfähigkeit besteht unabhängig von der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen, wenn dieser das 14. Lebensjahr vollendet hat (§ 70 a FGG).

 

Anhörung

Vor einer Unterbringungsmaßnahme hat das Gericht den Betroffenen persönlich anzuhören und sich einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen. Soweit erforderlich, erfolgt die Anhörung in der üblichen Umgebung des Betroffenen (§ 70 c FGG). Vor einer Unterbringungsmaßnahme hat das Gericht verschiedenen Personen Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Dies sind gemäß § 70 d Abs. 1 Satz 1 FGG:

  • Der Ehegatte/Lebenspartner des Betroffenen, wenn die Ehegatten/Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben.

  • Jedes Elternteil und Kind, bei dem der Betroffene lebt oder bei Einleitung des Verfahrens gelebt hat.

  • Der Betreuer des Betroffenen.

  • Eine von dem Betroffenen benannte Person seines Vertrauens.

  • Der Leiter der Einrichtung, in der der Betroffene lebt.

  • Die zuständige Behörde.

Bei Minderjährigen muss eine persönliche Anhörung der personensorgeberechtigten Elternteile, der gesetzlichen Vertreter in persönlichen Angelegenheiten und der Pflegeeltern erfolgen (§ 70 d Abs. 2 FGG).

 

Ärztliches Attest bzw. Gutachten

Während für die Anordnung von Unterbringungen nach § 1906 Abs. 4 BGB (sonstige freiheitsentziehende Maßnahmen) ein ärztliches Zeugnis, welches von jedem Arzt ausgestellt werden kann, ausreichend ist (§ 70 e Abs. 1 Satz 3 FGG), ist in allen übrigen Fällen der Unterbringung stets ein Gutachten eines Sachverständigen einzuholen, der im Regelfall ein Arzt für Psychiatrie sein soll; in jedem Fall muss es ein Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie se

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