Montag, 24. Oktober 2011

#Räumung #einer #Villa #von #gegen #Wohnungsnot #protestierenden #Studenten [via Neue Rheinische Zeitung]


Räumung einer Villa von gegen Wohnungsnot protestierenden Studenten
"Schlaflos in Frankfurt"
Von Florian Muhs

[Neue Rheinische Zeitung]

 

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17078

 


In den späten Abendstunden des 20. Oktober wurde ein am Nachmittag besetztes Gebäude in der Frankfurter Schumannstraße 60 durch Einsatzkräfte der Polizei geräumt. Der Ermittlungsausschuss des Arbeitskreises Recht an der Uni Frankfurt, der die gesamte Räumung sowie die Proteste außerhalb des laut Frankfurter Rundschau ursprünglich der Universität gehörenden seit langem leer stehenden und an das Land verkauften Hauses juristisch begleitet hat, verurteilt die Polizeigewalt sowie "die klaren Rechtsverstöße der Polizei". Im Folgenden mehr vom AK Recht zu den Übergriffen. – Die Redaktion

Studenten der Frankfurter Universität hatten unter dem Aktionsnamen "Schlaflos in Frankfurt" die lange leer stehende Villa in der Schumannstraße 60 besetzt. Sie kämpfen gegen Wohnungsnot unter Studenten und unter sozial Benachteiligten – wie zuletzt ihre Kommilitonen in den 70er Jahren. Die Räumung begann 20 Minuten, nachdem der Pressesprecher der Frankfurter Polizei, Alexander Kießling, in Interviews u. a. mit der Frankfurter Rundschau und dem Hessischen Rundfunk behauptet hätte, "kein Interesse an einer Eskalation" zu haben.

Er verwies außerdem darauf, dass die Aktion "friedlich verlaufen" sei und eine Räumung auch nicht geplant sei. Die Polizei hatte AnsprechpartnerInnen innerhalb des Hauses, ein Handykontakt stand zur Verfügung. Trotzdem fuhren ohne Ankündigung plötzlich ca. 60 Einsatzwagen vor. Eine Eskalation von Seiten der AktivistInnen hatte es nicht gegeben."

Die Räumung der Straße vor dem Haus kann nur als gewalttätig beschrieben werden. Bis zu 100 UnterstützerInnen und BeobachterInnen wurden ohne Ankündigung seitens der Polizei bis zum Beethovenplatz getrieben. Dabei wurden mehrere sich solidarisierende Personen durch Faust- und Schlagstockschläge im Gesicht und am Rücken verletzt.

Der Umgang mit den Personen, die sich im Haus befanden und aus dem Haus gebracht wurden, ist rechtlich ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Knapp 90 Personen wurden mit Gefangenentransportern ins Polizeipräsidium gebracht, damit dort eine Personalienkontrolle stattfinden konnte.

Warum dies nicht an Ort und Stelle möglich gewesen sein soll, ist nicht zu verstehen. Betroffene mussten teilweise über vier Stunden in der Gefangenensammelstelle des Polizeipräsidiums verbringen. Durch Fesselungen mit Kabelbindern wurden mehrere Personen an den Handgelenken und Armen verletzt. Es gab willkürliche erkennungsdienstliche Behandlungen, im Rahmen derer sich mehrere Personen ohne Begründung komplett entkleiden mussten.

Gerade der Umgang mit Minderjährigen verstieß konsequent gegen die Grundsätze des Jugendstrafrechts. Minderjährige Personen wurden an den Handgelenken gefesselt, mit Erwachsenen gemeinsam in Gefangenen-transporter gesperrt und in die Gefangenensammelstelle gebracht. Auch hierbei kam es zu blutigen Handgelenken durch die Fesselungen mit Kabelbindern. Dort wurden 16- und 17-jährige teilweise über 4 Stunden festgehalten, weil die Eltern nicht erreichbar waren. Eine minderjährige Person wurde bis um 3.30 Uhr morgens in der Gefangenensammelstelle festgehalten, ohne das Jugendamt einzuschalten oder die Person nach Hause zu bringen.

Zwei Personen, die ihre Presseausweise vorzeigten, wurden ebenfalls in Gewahrsam genommen. Als eine Person dem betreffenden Polizeibeamten seinen Presseausweis erneut vorzeigte, antwortete dieser nur: "Halt's Maul!".

Der Umgang der Polizei mit einer anschließenden spontanen Solidaritäts-demonstration war ebenfalls geprägt von Gewalt und Rechtsverstößen. So wurde die Demonstration sofort von allen Seiten eingekesselt und mit Schlagstöcken und Fausthieben angegriffen. Mehrere Personen, die die Demonstration von Außen beobachteten, wurden von Einsatzkräften in den Kessel geprügelt.

Der Demonstrationszug wurde sofort am Weiterziehen gehindert. Da eine Durchführung der Demonstration unter diesen Umständen nicht möglich war, wurde sie schließlich aufgelöst. Im Anschluss daran wurde das Areal des Campus Bockenheim von Polizeikräften umstellt.

Unabhängig davon, wie die beteiligten Gruppen die Vorfälle politisch bewerten, ist die juristische Bewertung des Abends eindeutig. Wir verurteilen den heutigen Polizeieinsatz auf das Schärfste und werden in den nächsten Tagen eine ausführliche juristische Bewertung treffen.

Anmerkung der Redaktion:
Der AK Recht ruft alle betroffenen Personen auf, Gedächtnisprotokolle anzufertigen und sich mit dem Arbeitskreis über die weiteren Schritte zu beraten. "Schlaflos in Frankfurt" wollte laut Frankfurter Rundschau aus der Villa ein selbstverwaltetes Wohn- und Kulturzentrum machen. Dafür wollten die Besetzer heute, um 19 Uhr, zu einem öffentlichen Plenum in die Schumann-straße einladen. Stattdessen wurde das Solidaritätstreffen nun ins Café KOZ verlegt. (PK)

Florian Muhs ist Sprecher des AK Recht an der Uni Frankfurt

Online-Flyer Nr. 324  vom 21.10.2011
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