Das freigeistige Wort zum Sonntag den 02.09.2012»Am 16. August 2002 überreichte der VW- Manager Peter Hartz den Bericht seiner Kommission »Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt« an Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD).
Die Vorschläge des Gremiums sollten die Republik nachhaltig verändern.
Die von der Kommission empfohlene Zusammenlegung von Arbeitslosen - und Sozialhilfe (Hartz IV) führte zu großen sozialen Verwerfungen.«[1]
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die meisten von uns haben als Kinder Karten gespielt. Somit wissen Sie auch, dass jeder, der eine bewusste Karte übrig behalten hat, der Verlierer ist. Und diese letzte Karte hat einen sprichwörtlichen Namen:
'Schwarzer Peter'. Seit zehn Jahren haben es Erwachsene ebenfalls mit einem
'Schwarzen Peter' zu tun.
Auch diese Menschen haben verloren. Das, was sie verloren haben, führt zu einem enormen Verlust ihrer Lebensqualität. Um dies zu verstehen, müssen wir uns ansehen, was Hartz IV heißt und was es für Menschen bedeutet, davon betroffen zu sein.
Hier die tatsächliche Definition von Hartz IV:» HARTZ-KONZEPT
Das, was unter dem Schlagwort Hartz-Konzept in der Szenesprache der Globalisierung als
"Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" daherkommt, verströmt bei näherem Hinsehen den Geist der europäischen Armengesetzgebung des 19. Jahrhunderts.
Die Sozialpolitik müsse den Interessen des Arbeitsmarktes untergeordnet sein, Repressionsmaßnahmen sollten die Attraktivität der Arbeit erhöhen, die Unterstützung der Armen sei dann schädlich, wenn man von ihr besser leben könne als von der Arbeit - so die Leitsätze des 1843 vom englischen Parlament beschlossenen Aktes mit dem Namen
"Neues Gesetz über die Armen". Positive Anreizwirkungen schaffen, keine Leistung ohne Gegenleistung, Arbeit muss sich wieder lohnen und Lohnabstandsgebot sind die Schlagworte heute. Und damals wie heute teilt man die Nation - neben Kindern - in Arbeitsfähige und Arbeitsunfähige.« [2]
Was ist HARTZ-IV also weiter als eine neue Möglichkeit der Bereicherung der Reichen durch grenzenlose Verarmung der Armen!Liebe Leserinnen, liebe Leser,
in Sachen Hartz IV bzw. Sozialleistungen gibt es neue Überlegungen. Doch lesen Sie bitte selbst:
»Es mag ein Zufall sein oder auch nicht: Erst am Wochenende hatte sich Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) für die Idee erwärmt, radikalen Salafisten die Sozialleistungen zu streichen. Und spätestens da sollten Sozialrechtler aufhorchen. Schließlich wird hier in aller Öffentlichkeit angedacht, unliebsame Bürger, denen man strafrechtlich nicht beikommen kann, per Sozialrecht zu sanktionieren. Das erinnert an den Missbrauch des Rentenrechts, mit dem man Angehörige des MfS und anderer staatsnaher Institutionen der DDR nach der Wende schikanierte.« [3]
Noch sieht die Lage im Lande so aus: Jemanden auf Grund seiner Gesinnung die Hartz-IV-Leistungen zu streichen, ist nicht möglich. Ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung wird von den Leistungsbeziehern nicht eingefordert. Alle Betroffenen haben einen Anspruch auf staatliche Hilfe. Diese sozialstaatliche Neutralität soll garantieren, dass niemand aufgrund seiner Überzeugungen erpressbar ist. Aber auf der anderen Seite sind die Gesetze so formuliert, dass sie willkürlich von den Behörden ausgelegt werden können. Viele Menschen wurden schon mit Sanktionen belegt. Und ein Anlass, jemanden mit einer Sanktion zu belegen, findet sich immer, wenn es ein
"Sachbearbeiter" nur will. Und all diese Schikanen werden rechtsstaatlich gedeckt.
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
trotz allem, Proteste, Demos und Aktionen gegen Hartz IV sind dringen notwendig. Und das, weil es vor allem auch um Menschenwürde geht. Oft werden die Betroffenen in der Propaganda selber als die Schuldigen an ihrer Arbeitslosigkeit hingestellt. Und die Fragebögen, die von den Arbeitsämtern verschickt werden, bedeuten eine weitere Demütigung. Kein Millionär wird gefragt, woher er sein Geld hat. Die Erwerbslosen müssen dagegen bis ins kleinste Detail ihre finanzielle Situation angeben.
Aber längst geht nicht mehr nur um Hartz IV. Schon wird über weitere Kürzungsvorschlage unter dem Stichwort Hartz V nachgedacht. Deshalb muss nicht nur die Anti-Hartz-Bewegung ein stärkeres inhaltliches Profil bekommen. Wir werden also über Alternativen zum Kapitalismus nachdenken müssen. Sonst droht ein Rückfall in den gesellschaftlichen Zerfall und die Barbarei, wovon die Neonazis nur ein Teil sind.
Im Kapitalismus ist das Gesetz immer zu ungunsten der Besitzlosen gedreht Somit haben den schwarzen Peter in dieser Gesellschaft immer die Ärmsten, die Arbeitslosen, die Obdachlosen, Hartz- IV-Empfänger und alle, denen das Geld nicht zum Leben reicht. Aber, nehmt bitte den Schwarzen Peter, der in Wahrheit Turbo-Kapitalismus heißt, nicht an. Bekämpft ihn, er ist der Feind alles Menschlichen.
"Menschen aller Länder, vereinigt euch!"; nur so wird es möglich sein, eine menschenwürdige Gesellschaft aufzubauen.
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
kennen Sie die Initiative
"Helft Heinrich?" »Heinrich« - das ist der deutsche Niedriglöhner, dessen Arbeitseinkommen nicht zum Überleben reicht. Als Abschluss des Wortes soll diese Initiative vorgestellt werden:
Die christliche belgische Gewerkschaft (CSC) ruft Belgiens Arbeiter zur Solidarität mit den Beschäftigten in der Bundesrepublik auf. Denn bessere Löhne in Deutschland würde zugleich den Druck auf dem belgischen Arbeitsmarkt verringern.
Deutsche Gewerkschafter staunten nicht schlecht, als sie bei der Demonstration des Europäischen Gewerkschaftsbundes Ende Juni in Luxemburg einer großen Schar belgischer Kollegen begegneten.
»Das deutsche Jobwunder - Ich verdiene 4,81 Euro in der Stunde« stand schwarz-rot-gold auf ihren T-Shirts und Plakaten.
Unter der Parole
»Helft Heinrich« demonstrieren die belgischen Gewerkschafter gegen deutsche Hungerlöhne.
»Lasst Europa nicht dem deutschen Beispiel folgen«, lautet die klare Botschaft der Belgier.
Heinrich, Helene und Henry stehen für die deutschen, französischen und britischen Zustände, die die CSC-Aktivisten in ihrem Land um jeden Preis vermeiden wollen. Ein
»Wirtschafts- und Jobwunder« nach deutschem Vorbild, bei dem zwei Millionen Menschen weniger als sechs Euro in der Stunde verdienen, schreckt sie ab.
»Minijobs, prekäre Arbeitsverhältnisse und Hartz IV sind nicht unsere Sicht für die Zukunft der belgischen Arbeitnehmer«, heißt es in einer Publikation. In Belgien liegt der gesetzliche Brutto-Mindestlohn derzeit bei 1415 Euro monatlich oder 8,59 Euro in der Stunde.
»Wir brauchen keine Lektion von Frankreich oder Deutschland, wo in wenigen Jahren das Armutsrisiko um 25 Prozent gestiegen ist«, sagt ein CSC-Aktivist.
Statt das europäische Sozialmodell
»auf dem Altar der Finanzmärkte zu opfern«, fordert die CSC menschenwürdige Mindestlöhne, Renten und Arbeitslosengelder in ganz Europa und lehnt jegliche Aushebelung des Kündigungsschutzes, Anhebung der Altersgrenzen und Aufweichung von Altersteilzeitregelungen ab. Statt Einsparungen im Sozialbereich verlangt sie höhere Steuern auf Vermögen, Kapitalerträge und Finanztransaktionen. « [4]
QUELLEN:[1] Hartz ist heute ein Schimpfwort/ Stephan Lessenich über Klischees der Armut
In: Neues Deutschland vom 1608-2012
[2] Stadtzeitung Braunschweig Nr. 03/2003/ 26. Jahrgang
[3] Missbrauch des Sozialrechts, von Fabian Lambeck. Neues Deutschland vom 14. Juni 2012
[4] Helft Heinrich/ Belgische Gewerkschaften kämpfen gegen deutsche Niedriglöhne, Von Hans-Gerd Öfinger. In: Neues Deutschland vom 1507-2011
Ich wünsche uns allen ein sehr kritisches und nachdenkliches Wochenende.
Mit menschlichen Grüßen
Kurt Wolfgang Ringel
VON: KURT WOLFGANG RINGEL
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen