Mogelpackung
Gastkommentar. Gläubigerbeteiligung muß vom Tisch
Von Sahra Wagenknecht
[Junge Welt vom 07.10.2011]
Die professionellen Realitätsverdränger in der Bundesregierung sind jetzt so weit, eine baldige Umschuldung Griechenlands nicht mehr auszuschließen. Eine reife Leistung in Anbetracht der Tatsache, daß Athen schon vor gut einem Jahr pleite war. Die anderen Länder der Euro-Zone gewähren dem Land seitdem Kredithilfen. Nur durch diese neuen Schulden kann das überschuldete Griechenland weiterhin brav seine Zinsen und Tilgungen an die Banken und privaten Gläubiger zahlen. Zusätzlich ist dem Land ein mörderisches Sanierungsprogramm aufgezwungen worden. Die griechische Wirtschaft implodiert. Jetzt ist das Land wenn es das Wort geben würde noch »pleiter«, obwohl ein zweites Hilfspaket auf den Weg gebracht wurde.Darin wurde ein weiteres Milliardengeschenk für die Banken versteckt. Perfiderweise unter der Bezeichnung »Gläubigerbeteiligung«. Diese Vereinbarung erlaubt es Banken und privaten Gläubigern ihre Forderungen gegenüber Griechenland in sichere Anlagen zu tauschen. Finanzinvestoren können sich so auf Kosten der Öffentlichkeit in letzter Sekunde von ihren Ramschanleihen im Volumen von 150 Milliarden Euro trennen und müssen dabei bei zwei der vier vorgesehenen Optionen sogar auf keinen Cent ihres Anlagebetrags verzichten. Diese Vereinbarung ist nicht erst durch die veränderten Rahmenbedingungen der letzten Wochen zum Skandal geworden so wie die Bundesregierung es jetzt darstellt. Sie ist von Anfang an ein erneutes Geschenk an die Banken gewesen. Kein Wunder, denn ausgearbeitet wurde sie vom Internationalen Bankenverband unter Vorsitz von Josef Ackermann. Die Bundesregierung hat die Öffentlichkeit mit dieser Mogelpackung bewußt getäuscht und dem Vertrauen in die Demokratie weiten Schaden zugefügt. Die Bundesregierung muß sofort erklären, daß die falsche Gläubigerbeteiligung vom Tisch ist.Unbeirrt von diesen Täuschungsmanövern geht die permanente Bankenrettung weiter. Der Bundestag hat in der vergangenen Woche einer Erhöhung des Rettungsschirms zugestimmt. Einzig die Linke hat das Paket geschlossen abgelehnt und betont, welche Maßnahmen notwendig sind, um die Euro-Krise zu überwinden. Am Samstag gibt es die Gelegenheit, in Berlin darüber weiter zu diskutieren. Bei der Konferenz über Programm und Strategie der Linken in Berlin soll ein Resolutionsentwurf zur Euro-Krise verabschiedet werden, in dem die wichtigsten Punkte unterstrichen werden: Wir fordern eine EU-weite Vermögensabgabe für Millionäre, einen öffentlich-rechtlichen und strikt regulierten Bankensektor sowie die Befreiung der Staaten von der Diktatur der Finanzmärkte.
Die Autorin ist stellvertretende Vorsitzende der Partei Die Linke. Die Programmkonferenz »Kurs halten!« mit Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine und anderen findet am 8. Oktober (1117 Uhr) im Audimax der Humboldt-Universität zu Berlin (Unter den Linden 6) statt
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