Occupy London
Kundgebungen in Großbritannien
richteten sich gegen Steuergeschenke
an Unternehmen und Massenverarmung
Von Christian Bunke, Manchester
[via Junge Welt]
Wie in zahlreichen Ländern weltweit kam es auch in Großbritannien am Samstag zu Demonstrationen nach dem Vorbild der »Occupy«-Bewegung in den USA. Rund 5000 Menschen folgten dem Aufruf des »London Stock Exchange Collectives« und versuchten, die Londoner Börse zu besetzen. 13000 Menschen hatten dem Protest auf im Internet ihre Unterstützung zugesagt.»Wir sind die 99 Prozent« war der Slogan des Tages. Die Demonstration war friedlich und gut gelaunt. Dafür wurde sie von der Polizei und privaten Sicherheitsdiensten mit Einkesselung und vorübergehenden Festnahmen belohnt. Das bekam auch der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, zu spüren, der wegen des Tragens einer Maske zeitweilig von der Polizei festgehalten wurden.Das Vorgehen gegen die Demonstranten ist ein Vorbote geplanter Gesetze, mit denen die Befugnisse der Polizei in Reaktion auf die Unruhen vom vergangenen Sommer erweitert werden sollen. Neben der Einführung eines Vermummungsverbotes soll die Polizei Vollmachten erhalten, Ausgangsverbote in ganzen Stadtteilen erteilen zu können.Mit der versuchten Besetzung der Londoner Börse protestierten die Demonstranten unter anderem gegen kürzlich aufgedeckte Fälle von Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Am 12. Oktober veröffentlichte die Organisation »Action Aid« eine Studie zum Thema. 18 Milliarden Pfund gehen demnach jedes Jahr durch Steuerhinterziehung in Großbritannien verloren. Während der britische Staat Arbeitnehmer, Erwerbslose und sozial schwache mit Belastungspaketen schröpft, ist ein Gesetz in Vorbereitung, welches multinationalen Konzernen Steuerabschreibungen erleichtern soll. Das bedeutet Steuergeschenke an Unternehmen im Wert von 840 Millionen Pfund.Zudem haben 98 der 100 größten an der Londoner Börse notierten Unternehmen Strohfirmen gegründet, mit denen sie in Steueroasen operieren. Die vier größten britischen Banken unterhalten 1649, BP und Shell 1000 solcher Firmen. Auch die britischen Supermarktketten verlagern ihr Geld in Steueroasen, zum Beispiel auf die Insel Jersey, wo sich die Tarnfirmen tummeln.Derweil droht in Großbritannien Massenverarmung. Das geht aus dem gerade veröffentlichten Armutsbericht hervor. Das Durchschnittseinkommen wird im kommenden Jahr um sieben Prozent sinken. Es wird 600000 mehr arme Kinder und 800 000 mehr arme Erwachsene im berufsfähigen Alter geben. Bis 2020 wird die Kinderarmut bis zu 24 Prozent erreichen. Ein 2010 verabschiedetes Gesetz sieht eine Kinderarmutsrate von fünf bis zehn Prozent vor. Dieses Ziel wird wohl drastisch verfehlt werden.Diese kürzlich veröffentlichten Zahlen trugen am Samstag zur Moblisierung der Demonstranten in London bei. Noch in den Abendstunden beteiligten sich rund 1000 Menschen an einer öffentlichen Generalversammlung. Viele kritiserten die mangelnde Beteiligung der Gewerkschaften an den Protesten. Schließlich habe die Präsenz der Gewerkschaften das Profil von »Occupy Wall Street« enorm erhöht, so eine Demonstrantin gegenüber der BBC. Mehrere hundert Demonstranten verbrachten die Nacht zu Sonntag in einem Zeltlager vor der St. Paul's Cathedral in der Nähe der Börse.
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