Donnerstag, 25. Februar 2010

Operative Techniken -->> Radikale perineale Prostatektomie (Aktuelle Urologie 2008)


Operative Techniken
Aktuel Urol 2008; 39: 381-394
DOI: 10.1055/s-2005-873228

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
 
 
Radikale perineale Prostatektomie

J.  Fichtner1, W.  Stackl1, J.  W.  Thüroff1

1 Klinik für Urologie, Johanniter Krankenhaus Oberhausen, Evangelisches und Johanniter Klinikum Niederrhein
 

Literatur
 
 
 

 

Indikation

  • Klinisch lokalisiertes Prostatakarzinom,

  • bei abdominaler Voroperation (z. B. Sigmaresektion) perinealer Zugang vorteilhafter als retropubischer.

 

Kontraindikationen

  • Große Prostatae (> 80 - 100 g).

In Abhängigkeit des klinischen Tastbefundes, des PSA-Wertes und des Biopsie-Gleason-Scores kann bei einem T1c-Karzinom, einem PSA-Wert < 10 ng/ml und einem Gleason-Score < 7 auf die vorhergehende pelvine Lymphadenektomie verzichtet werden, da auch bei extendierter Lymphadenektomie Metastasen bei dieser Befundkonstellation in weniger als 1,2 % der Patienten gefunden werden. Bei allen anderen Patienten sollte eine extendierte laparoskopische pelvine Lymphadenektomie vorgeschaltet werden.

 

Zugangswege

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  • Wir favorisieren den modifizierten Young-Zugang (1) mit direktem Zugang zum Apex der Prostata oberhalb des Sphincter ani externus ([Abb. 1]).

  • Der alternative Hudson-Zugang (2), der insbesondere in den USA verbreitet ist, geht unterhalb des Spincter ani externus (mit Elevation und Traktion desselben) auf der Vorderfläche des Rektums zur Prostata ([Abb. 1]) und impliziert eine ausgeprägtere Dissektion und höhere Rate von Rektumläsionen.

 

Notwendige präoperative Diagnostik

 

Spezielle Labordiagnostik

  • PSA-Wert,

  • histologisch bestätigtes Prostatakarzinom.

 

Obligate bildgebende und Funktionsdiagnostik

  • TRUS-Größenbestimmung der Prostata.

 

Fakultative bildgebende und Funktionsdiagnostik

  • Knochenszintigramm bei einem PSA-Wert > 10 ng/ml bzw. bei asymptomatischen Patienten bei > 20 ng/ml,

  • bei symptomatischen Patienten retrogrades Urethrogramm zum Strikturausschluss - alternativ Urethrozystoskopie unmittelbar präoperativ.

 

Patientenaufklärung und spezielle Risiken

Die wesentlichen speziellen OP-assoziierten Komplikationen stellen die postoperative Inkontinenz und Impotenz dar. Untersuchungen zwischen retropubischem und perinealen Zugang zeigen vergleichbare Zahlen für diese beiden Komplikationen, wobei im Rahmen der perinealen Prostatektomie eine bessere Frühkontinenz besteht, die sich nach 1 Jahr nivelliert. Im eigenen Patientengut beträgt die Inkontinenz (mehr als 1 Sicherheitsvorlage/d nach 1 Jahr) 2,3 % und die Potenzrate bei bilateralem Nervenerhalt (Geschlechtsverkehr ohne Hilfsmittel) 52 %.

Unsere Anästhesiemethode der Wahl ist die L4/5-Spinalanästhesie verbunden mit einem Periduralkatheter zur postoperativen Analgesie (KSE-kombiniert spinale/epidurale Anästhesie).

Die Transfusionsrate ist beim perinealen Zugang minimal (3,2 %), sodass weder Eigenblutspende noch Bereitstellung von Konserven durchgeführt wird, lediglich "Type and Screen".

 

Spezielles Instrumentarium

  • Lowsley-Retraktor (gebogen und gerade),

  • Young-Retraktor,

  • Beinhalter mit gelgepolsterten Schlingen,

  • ggf. selbsthaltender Retraktor (OP dann mit 1 Assistenten möglich).

 

Nahtmaterial

  • Doppelt armierte monofile Anastomosennähte (z. B. 3-0 Monocryl mit 5/8 Nadel).

 

Vor Beginn der Operation

  • Am Vorabend Suppositorium zum Abführen,

  • Histologie im OP zur Seitenlokalisation des Nerve-Sparing.

 

Operation Step-by-Step

  • Lagerung und Zugang

  • Einführen des Lowsley-Retraktors

  • Perineale Inzision und Zugang zur Prostata

  • Nerve-Sparing

  • Apexpräparation

  • Vorlegen von Anastomosenfäden

  • Anteriore und laterale Präparation und Blasenhalseröffnung

  • Samenblasendissektion

  • Harnröhrenanastomose und Wundverschluss

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  • Die überdrehte Steinschnittlagerung sollte das Perineum horizontal elevieren ([Abb. 2]).

Orthopädische Probleme der Hüften (TEP), pulmonale Probleme bei adipösen Patienten.

  • Der extrasphinktäre Zugangsweg nach Young gewährleistet einen schnellen und atraumatischen Zugang zum Apex der Prostata (s. [Abb. 1]).

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  • Das Einführen des gebogenen Lowsley-Retraktors ([Abb. 3]) erfolgt nach ausreichender Lubrikation und geringem Druck und wird bei Widerstand abgebrochen.

Bei schwierigem Einführen des Lowsley-Retraktors kann entweder unter digital-rektaler Führung über den rektal fixierten Fingerling oder durch leichtes Zurücknehmen der Beinhalter nach kaudal der Retraktor in die Blase geführt werden.

Landmark: Sitzbeinhöcker

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  • Die perineale Inzision erfolgt semizirkulär ca. 2 cm proximal des Anus ([Abb. 4]). Die Sitzbeinhöcker stellen die laterale Grenze der Inzision dar, zur Vermeidung postoperativer Schmerzen sollte die Inzision unmittelbar medial der Sitzbeinhöcker enden ([Abb. 4]).

Landmark: Übergang vom Bulbus zum M. transversus perinei

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  • Unter Traktion an der am unteren Wundrand angebrachten Mikulicz-Klemme erfolgt die Inzision der Subkutis und des Centrum tendineum ([Abb. 5]). Der Übergang vom Bulbus zum M. transversus perinei ist ein fibröser Strang, nach dessen Inzision sich unmittelbar der Apex der Prostata palpieren lässt.

Inzision zu stark nach kaudal impliziert das Risiko einer intraoperativen Rektumläsion. Rektale Adhäsionen der Prostata (z. B. nach multiplen Probeentnahmen oder Prostatitis) erschweren außerdem die dorsale Präparation.

Bei Rektumläsionen, die in ca. 0,8 % der Fälle auftreten, erfolgt ein zweischichtiger Wundverschluss. Die Diagnostik kann durch intraoperative digital-rektale Palpation erleichtert werden.

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  • Unter digitaler Kontrolle der Prostata direktes Zugehen auf den Apex und Spalten der Levatorschenkel ([Abb. 6]).

Druck des Assistenten auf den Lowsley-Retraktor eleviert die Prostata zum Operateur hin.

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  • Bei geplantem Nerve-Sparing wird die Denovillier-Faszie längs median inzidiert und die Nervenbündel von medial kommend lateral abpräpariert ([Abb. 7a] u. [7b]).

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  • Ansonsten verbleibt die Denonvillier-Faszie auf dem Präparat und wird nach Einsetzen des Spekulums erst oberhalb der Samenblasen inzidiert ([Abb. 8]).

Unterlegung des Spekulums mit einer Kompresse zum Schutz des Rektums.

Insbesondere zu Beginn der Lernkurve erleichtert eine Palpation über den rektal eingebrachten Fingerling die Dissektion.

Landmark: Übergang Apex-Harnröhre

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  • Nach Unterfahrung der Prostatapfeiler erfolgt die beidseitige Durchtrennung zwischen Overholt-Klemmen ([Abb. 9]). Nach Präparation des Apex und der membranösen Harnröhre erfolgt die Inzision der Harnröhre ca. 3 mm distal des Apex ([Abb. 9]).

Die Palpation ermöglicht die genaue Identifizierung des Überganges von Apex (weich) zur Harnröhre (hart, bei einliegendem Lowsley-Retraktor).

Durch Druck auf den gebogenen Lowsley-Retraktor kann die membranöse Harnröhre besser dargestellt werden.

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  • Nach Einsetzen des geraden Lowsley-Retraktors in die Blase werden bei noch nicht durchtrennter ventraler Zirkumferenz 3 Anastomosenfäden bei 10, 12 und 2 Uhr vorgelegt (Stichrichtung von innen nach außen) ([Abb. 10]).

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  • Die ventrale Zirkumferenz der Harnröhre wird nun durchtrennt und die Insertion der puboprostatischen Bänder beidseits mit der Schere separiert. Die folgende Präparation der ventralen Oberfläche kann stumpf mit dem Finger erfolgen bis zur Palpation des Blasenhalses durch die gespreizten Flügel des Lowsley-Retraktors ([Abb. 11]).

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  • Die Präparation des ventralen Blasenhalses wird durch Traktion an einem in die prostatische Harnröhre eingebrachten Katheter erleichtert ([Abb. 12]), ein zweiter in die Blase platzierter Katheter identifiziert die Weite des Blasenhalses.

Die Durchtrennung des dorsalen Anteils des Blasenhalses erfolgt unter streng nach dorsal gerichteter Schnittrichtung am besten mit der Satinsky-Schere zur Vermeidung einer Inzision in das Trigonum.

  • Bei großem Mittellappen bzw. ostiennaher Resektion sollte auf eine sorgfältige Visualisierung (ggf. Schienung) der Ostien geachtet werden.

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  • Von ventral kommend werden nun beide Samenleiter und Samenblasen präpariert ([Abb. 13]).

Insbesondere bei größeren Prostatae kann die Samenblasenpräparation von ventral schwierig sein; in diesen Fällen erfolgt sie günstiger initial von dorsal vor Präparation des Apex.

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  • Je nach Größe des resultierenden Blasenhalses nach Entnahme des Präparates wird dieser ggf. von 6 Uhr aus auf eine kleinfingergroße Öffnung rekonstruiert. Nun werden die vorgelegten 3 ventralen Anastomosenfäden geknüpft und nach Einlegen eines 20-Charr-Silikon-Katheters auch die dorsale Zirkumferenz mit weiteren 3 - 4 Fäden primär wasserdicht (Prüfung durch Instillation von 200 ml NaCl) genäht ([Abb. 14]). Eine 15-Charr-Robinson-Drainage wird in die perineale Wunde eingelegt.

  • Schichtweiser Wundverschluss.

 

Postoperative Besonderheiten

  • Die Robinson-Drainage wird am 2. Tag entfernt.

  • Ein Sitzring erleichtert das Sitzen während der ersten Tage.

  • Die radiologische Dichtigkeitsprüfung erfolgt am 7. Tag (90 % dicht), bei den übrigen Patienten wird der Katheter für weitere 7 Tage belassen [1][2].

 

Literatur

1 Boemans P, Hutschenreiter G, Fichtner J. Extended versus limited laparoscopic pelvic lymphadenectomy in prostate cancer. J Urol 2004; 171 (Suppl 4): 230

2 Fichtner J, Mengesha D, Hutschenreiter G. et al. Feasability of Radical Perineal Prostatectomy in Combined Spinal-/Epidural Anesthesia. BJU Int 2004; 94: 802-804

Prof. Dr. med. Jan Fichtner
Klinik für Urologie, Johanniter Krankenhaus Oberhausen, Evangelisches und Johanniter Klinikum Niederrhein
Steinbrinkstr. 96 a
46145 Oberhausen
Telefon: 0208/697-4500
Fax: 0208/697-4503
e-Mail: jan.fichtner@ejk.de

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