Samstag, 27. Februar 2010

Arbeiten wie Gott in Frankreich? Zugleich ein Beitrag zur Mindestlohndiskussion in Deutschland (...)


Arbeiten wie Gott in Frankreich?
Zugleich ein Beitrag zur Mindestlohndiskussion in Deutschland


Heute würde Gott wohl nicht mehr in Frankreich arbeiten wollen. Zu viel Streß selbst für Gott. Doch wenn er nur die Wahl zwischen Frankreich und Deutschland hätte, würde er Frankreich vorziehen, schon wegen des Mindestlohns, der immer wieder der Inflation angepaßt wurde und heute bei 8,86 Euro pro Stunde liegt (Abb. 15049).

Heute nun erreichte mich folgende Zuschrift:

"Sie als Frankreich-Experte können mir sicherlich weiter helfen! Bei einer Diskussion bekam ich zum wiederholten Male folgendes Argument präsentiert: Mindestlöhne, schau doch nach Frankreich! Hohe Arbeitslosenzahlen durch den Mindestlohn und massive Ausschreitungen in den Ghettos durch Jugendliche, die keine Arbeit durch die Mindestlöhne bekommen.

Was hält man diesen Menschen entgegen?"

Dies ist meine Antwort:

Das Argument für Mindestlöhne ist nicht in erster Linie, daß sie die Arbeitslosigkeit senken, sondern daß sie die Massenkaufkraft stützen und daß das der Binnenkonjunktur und damit der gesamten Wirtschaftsentwicklung und dem gesamten Lohnniveau zu gute kommt. So hat sich die französische Wirtschaft besser als die deutsche entwickelt und ist auch in der globalen Krise wegen des funktionierenden Binnenmarkts weniger abgestürzt und kommt jetzt schneller heraus (Abb. 15046).

Bei der Arbeitslosigkeit über ein Jahr - und hier kommt es nicht auf die kurzzeitige oder gelegentliche an - lag die deutsche seit 2000 immer, zeitweise sogar erheblich, über der französischen (Abb. 15047).

Die deutsche Langzeitarbeitslosigkeit ist seit 2006 nur durch die brutalen Hartz-IV-Reformen künstlich statistisch herunter manipuliert und in einem wuchernden Niedriglohnsektor versteckt worden, der den größten Zuwachs seit 1997 aller Vergleichsländer verzeichnete (Abb. 15048).

Bei der Betrachtung des Arbeitsmarktes in beiden Ländern ist außerdem zu berücksichtigten, daß die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in Frankreich seit 1992 um 15,3 % gestiegen ist gegenüber nur 7,7 % für Deutschland. Dementsprechend hat es Frankreich geschafft, die Zahl der Erwerbstätigen in diesem Zeitraum um 17,9 % zu steigern gegenüber nur 6,6 % für Deutschland. Frankreich hat also schon von daher eine wesentlich bessere Arbeitsmarktentwicklung erreicht als Deutschland. Der Spreizung der Löhne ist mangels Mindestlohn in Deutschland viel größer als in Frankreich (Abb. 15039).

Insgesamt haben sich die Tariflöhne (Abb. 15050) und die Löhne und Gehälter überhaupt (Abb. 15051) in Frankreich erheblich besser als in Deutschland entwickelt. Anders als in Deutschland wurde in Frankreich der Sog von den Niedrigstlöhnen auf das allgemeine Lohnniveau durch den Mindstlohn gebremst.

Die Ausschreitungen in den französischen Vorstädten sind ein Sonderproblem, meist Jugendlicher mit Immigrationshintergrund, vor allem mit nordafrikanischem, die schlecht integriert sind. Auch in Deutschland ist die Integration von Jugendlichen mit Immigrantenhintergrund in den regulären Arbeitsmarkt miserabel. Der Unterschied ist nur, daß z.B. die jungen Türken nicht so rebellieren, wie ihre nordafrikanischen Altersgenossen in Frankreich. Da gibt es zudem einen kulturellen Unterschied: Die Franzosen lieben die Unruhe, die deutschen die Ruhe und Ordnung. Das Problem der Vorstädte hat nichts mit dem Mindestlohn zu tun. Ohne Mindestlohn wären die beschäftigten Jugendlichen französischer Vorstädte noch schlechter dran.

Posted via email from Beiträge von Andreas Rudolf

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