Freitag, 13. Januar 2012

Beschäftigung steigt nur durch d. Dienstleistungssektor - Niedrigstlöhnen + mit d. Notwendigkeit staatlicher Stütze angesiedelt

 

global news 2575 03-01-12:

Vom jahresanfänglichen Realitätsverlust vieler deutscher Medien

 

[via jjahnke.net]


Bei den meisten Medien waren über den Jahreswechsel nur gute Nachrichten angesagt jedenfalls, wenn es um Deutschland ging. Den Ton hatte schon Merkel in ihrer Neujahrsansprache vorgegeben: "Deutschland geht es gut" hieß es dort, und das wurde dann auch in vielen Zeitungen zur Schlagzeile. SPIEGEL-online legte jetzt nach mit Überschriften, wie "Beschäftigung steigt auf Rekordniveau" und "2012 bringt deutschen unerwarteten Geldsegen", wobei es um für den Einzelnen monatlich gerade mal 13 Euro pro Monat geht, was durch Senkung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung und Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrags und ähnliche kleine Änderungen geht. Das neue SPIEGEL-Heft trägt passend den Titel "Lebenskunst Optimismus".

Alle diese gut klingenden Nachrichten sind bei näherer Betrachtung wenig ehrlich und zeigen eher einen Realitätsverlust an. Die Beschäftigung steigt nur durch den Dienstleistungssektor auf ein angebliches Rekordniveau. Doch dort sind gerade die vielen prekären Beschäftigungen zu Niedrigstlöhnen und mit der Notwendigkeit staatlicher Stütze angesiedelt. Bei einer ehrlichen Betrachtung hätte das immer gleich ins Bild gehört. Dagegen lag die Beschäftigung im produzierenden Gewerbe im vergangenen Jahr um 3 % unter dem Wert für 2008 (Abb. 16732).

13 Euro als "Geldsegen" zu bezeichnen, ist ziemlich hochgegriffen. Und der Beitragssatz zur Rentenversicherung wird künftig schon wegen der demographischen Entwicklung weiter steigen müssen. Auch haben die deutschen Löhne bei erhöhter Verbraucherpreisentwicklung eher die Tendenz, real zu sinken. Am Ende dieses Jahres werden die meisten deutschen Arbeitnehmer real höchstwahrscheinlich weniger in der Tasche haben.

Die FAZ will da nicht zurückstehen und titelt "Unternehmen erwarten keine Rezession" und schwächt das erst im Kleingedr�ckten ab; "So richtig wissen die deutschen Unternehmen noch nicht, was in diesem Jahr auf sie zukommt.

Besonders realitätsentrückt sind Schlagzeilen zum Euro, wie "Bundeskanzlerin sieht Europa gestärkt aus der Krise hervorgehen". Noch weiter geht Finanzminister Schäuble, der im Manager-Magazin mit der Schlagzeile "Schäuble sieht 2012 Ende der Schuldenkrise" zitiert wird. Für ihn ist der Euro "stabil" (obwohl er in den letzten Monaten 13 % an Wert gegenüber dem Dollar verloren hat). Auch deckt er selbst das hohe Ausfallrisiko beim Pleiteland Griechenland mit Optimismus zu: Auf die BILD-Frage "Wie teuer wird die Euro-Rettung noch? Müssen unsere Kinder die Zeche bezahlen?" kommt prompt die Beruhigungspille: "Wir haben bisher wenig bezahlt. Wir haben Griechenland Kredite gewährt, für die wir Zinsen bekommen. Der Rest sind Garantien, die bisher nicht in Anspruch genommen wurden. Und eines ist ganz klar: Wer Hilfen in Anspruch nimmt, muss dafür harte Bedingungen erfüllen, er muss seine Verschuldung in den Griff kriegen und seine Wirtschaftskraft stärken, sonst gibt es kein Geld." Da wird total verschwiegen, daß schon jetzt über die Zusagen der Bundesregierung und die Aktivitäten der EZB ein gigantischer Haftungsrahmen besteht und die angeblichen Bedingungen erst in der Zukunft bei weiteren Hilfen greifen und selbst das ungewiß ist.

Dabei ist diese Krise alles andere als eine "stärkende", wie Merkel meint und längst nicht beendet, wie Schäuble suggeriert. Sie vergiftet derzeit das Verhältnis zwischen den Euroländern, und sie ist vor allem weit von jeder Lösung entfernt und droht eher, noch weit schlimmer zu werden. Die meisten Menschen können sich keine Vorstellung machen, wie unglaublich hoch der globale Schuldenberg inzwischen geworden ist, auf dessen Spitze die alten Industrieländer mühsam balllancierend vom Absturz bedroht sind. Das Verhältnis von Schuld zu Wirtschaftsleistung (BIP) der 18 Kernländer der OECD stieg in den 30 Jahren zwischen 1980 und 2010 von 160 % auf mehr als das Doppelte, nämlich 321 %. Darin stieg real nach Inflation die Verschuldung der Wirtschaftsunternehmen um 300 %, der Regierungen um 425 % und der privaten Haushalte um 600 % (Abb. 16730). Hinzu kommen noch einerseits steigende Kosten für die Sozialversorgung der zunehmend alternden Bevölkerungen, was beispielsweise in Deutschland die Staatsverschuldung von 87 % auf 505 % bringen würde, wenn man die schon begründeten, aber noch nicht in der Rentenversicherung angesparten Versorgungslasten einbeziehen würde. Andererseits laufen die Finanzsektoren auf einer in der Vergangenheit nie beobachteten Hebelung ihres Eigenkapitals über eine gigantische Kreditaufnahme. Der Gesamtbetrag an Schulden und ungedeckten Sozialverpflichtungen von 10 Ländern in der Größenordnung von über 233 Billionen US$ ist einfach unvorstellbar; er entspricht etwa dem 81-Fachen der gesamten jährlichen Wirtschaftsleistung Deutschlands (Abb. 16731). Wie die Bundeskanzlerin aus einer solchen globalen Krise das extrem exportabhängige Deutschland gestärkt herausführen will, bleibt ihr Geheimnis.



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