Wir Reichen unter uns
Dabei sind neben den viel zu schlechten Löhnen aber auch wir selber Schuld - und unsere Angst vor der Armut
Mit welcher Begründung, mag sich der Laie da fragen. Warum ist das so? Wird nicht ständig das tolle Wirtschaftswachstum gelobt? Das kommt aber offensichtlich nicht den Menschen in Deutschland zugute, die es brauchen. Nein, die gut verdienenden sind es, bei denen die wachsenden Haushaltseinkommen zu Buche schlagen. Von den 0,9 Prozent des durchschnittlichen Wachstums erreichen Verdiener aus der untersten Einkommensklasse lediglich 0,1, die obersten zehn Prozent dagegen 1,6 Prozent. Schuld daran ist vor allem die katastrophale Entwicklung der Löhne, oder sollte man besser sagen: Nicht-Entwicklung?
Seit Anfang der 90er Jahre konnten die Netto-Reallöhne in Deutschland kaum einen Zuwachs verzeichnen, zwischen 2004 und 2008 gingen sie sogar zurück. Die minimale Anhebung der Gehälter in Deutschland wird also meist sofort wieder von der Inflation geschluckt und das, obwohl die Arbeitnehmer besser denn je ausgebildet sind. "Gute Löhne sind essenziell", heißt es indes bei der OECD. In einem Land aber wie Deutschland, das sich seit Jahren darauf beruft, die Löhne niedrig zu halten, um die Exportwirtschaft nicht zu gefährden, klingt das fast wie Hohn.Ansätze der Bundesregierung, um die schlimmsten Auswüchse der Ungerechtigkeit einzudämmen, könnten Änderungen im Steuersystem oder auch das Verteilen von Sozialtransferleistungen, so sieht es die OECD. Dabei bleibt das Land aber weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Anstatt sich die fehlenden Gelder von den Besserverdienern zu holen, beschließt die schwarz-gelbe Koalition Steuererleichterungen. Überlegungen wie die der SPD über höhere Einkommenssteuern oder eine Vermögenssteuer werden weiter in den Wind geschlagen.
So wird man der hiesigen Ungerechtigkeit nicht Herr. Mehr Menschen müssen in Lohn und Brot gebracht werden, in ordentliche Jobs mit Karrierechancen und guter Bezahlung. Bessere Bildung während der Kindheit, der Jugend und im Arbeitsalter sind nötig. Sinnvolle Steuer- und Sozialreformen und das Zwingen der Steuerflüchtigen in ihre Verantwortung. Das wären Maßnahmen, mit denen der Einkommensschere ein Hebel vorgeschoben werden könnte.
Eines aber können auch die besten politischen Maßnahmen nicht ändern den sozialen Wandel und
das ängstlich-krampfhafte Festhalten der Mittelschicht an ihren einmal gewonnenen Pfründen: Das Modell "Chefarzt heiratet Krankenschwester" läuft aus, so die Studie der OECD.
Heute heiratet also der Chefarzt die Oberärztin, so bleiben die Reichen unter sich und vermeiden die Gefahr, sich mit der dreckigen Armut abzugeben und womöglich in ihre Fänge zu geraten. Was einst altmodisch klang, wird so wieder Avantgarde. "Divided we stand."
Posted via email from Daten zum Denken, Nachdenken und Mitdenken
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