Adam Smith und die neoklassische Ökonomie haben nicht mehr recht. DerMarkt versagt, ihr Menschenbild vom Homo oeconomicus und die daraus abgeleitetenModelle helfen nicht, die aktuellen und künftigen Probleme derMenschheit zu lösen.
Anmerkung Orlando Pascheit:
Auch wenn dem NDS-Leser die Thematik vertraut sein dürfte, der Artikel von Holger Rogall bietet einen guten Überblick über die Mängel der herrschenden Wirtschaftswissenschaften. Erfreulich, dass solche Aufsätze allmählich auch ihren Weg in die Tageszeitungen finden, hier in die Stuttgarter Zeitung. Allerdings hat, wie die Titel und Einleitung suggerieren, die radikale Marktgläubigkeit des neoliberalen Mainstreams wenig mit Adam Smith zu tun. Ich vermute, dass dies eher der Redaktion anzulasten ist, welche so den Aufsatz aufpeppen möchte. In Zuge der Kritik an den Wirtschaftswissenschaften sollte man nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und sie bis zu seinem Stammvater verdammen. Der Text widmet sich vor allem der Neoklassik, allerdings birgt selbst diese ein zunächst ein nicht zu beanstandendes Modell. Erst der Neoliberalismus vernachlässigt die Prämissen des Modells, z.B. die Annahme vollständiger Information der Marktteilnehmer, und erhebt die Modellaussage zur wirtschaftspolitischen, ja gesellschaftspolitischen Empfehlung.
Die "Unsichtbare Hand", durch welche das 'own interest' entgegen seines Ziels das 'public interest' befördert, dient in Smiths Hauptwerk, dem Wohlstand der Nationen (1776), auf einer theoretischen Ebene dazu, auf die ordnende Kraft des Marktes hinzuweisen. In seinem zweiten Hauptwerk, der "Theorie der ethischen Gefühle" (1779), grenzt sich Smith explizit von einem nur im Eigeninteresse handelnden Menschen ab. Adam Smith hätte sich niemals zur einer Aussage verstiegen, wie sie der neoliberale Walter Eucken vertrat: "Soziale Gerechtigkeit sollte man durch Schaffung einer funktionsfähigen Gesamtordnung und insbesondere dadurch herzustellen suchen, daß man die Einkommensbildung den strengen Regeln des Wettbewerbs, des Risikos und der Haftung unterwirft." Nicht nur seit heute wissen wir, dass die 'unsichtbare Hand" bei unvollständigem Wettbewerb (Marktmacht), bei externen Effekten wie Umweltverschmutzung und bei der Einkommensverteilung versagt und staatliche Regulierung erfordert. Bereits Smith kennt das Phänomen des Marktversagens.
Gerade vom aktuellen Standpunkt ist es bezeichnend, dass Smith für Regulierungen im Bereich des Banken- und Geldgewerbes eintritt. Die Verwerfungen des schottischen Bankensystems durch den Konkurs der schottischen Ayr Bank, unter deren Eindruck Smith wohl stand, sind sicherlich nicht vergleichbar mit der heutigen Krise, aber sein Eintreten für einen gesetzlich festgeschriebenen Höchstzinssatz gegen Wucher hört sich sehr vertraut an. Es sei zu beachten, dass Kapital nicht soliden Leuten (sober people) entzogen würde und nicht an Verschwender und Spekulanten (prodigals and projectors) fliesse, die zwar bereit wären den hohen Zins zu zahlen, aber das Leihgeld verschwendeten (waste) und vernichteten (destroy) (Buch II, Kapitel IV, ab Absatz 14).
Man könnte Smiths Redewendung auch als ironischen Scherz begreifen, so wurde diese Metapher zu seiner Zeit eher im religiösen Kontext benutzt, z.B. als unsichtbare Hand der Vorsehung. Aber im Kontext von Buch IV, Kapitel II, Absatz 9 und anderer Stellen verweist sein Bild der unsichtbaren Hand zum ersten Mal in der Geschichte ökonomischen Denkens darauf, wie dezentrales Wissen durch den Marktmechanismus zu einem Ergebnis führt, das kein Individuum so hätte realisieren oder auch nur planen können eine Erkenntnis von großer Tragweite aber mit Grenzen. Wer sich für eine andersdenkende, heterodoxe Ökonomie interessiert, findet Hinweise in einem Text von Tom Schimmeck: "
Die nackten Propheten".http://www.gegenblende.de/13-2012/++co++a88ce9a8-3ad4-11e1-64a5-001ec9b03e44
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