Donnerstag, 29. August 2013

--->>> #Jobcenter will #unbequemen #Hartz-IV-Bezieher in die #Klappse #stecken. [via Junge Welt]


 

»Das hat mit Rechtsprechung nicht viel zu tun«

Vorwurf eines Anwalts:

Jobcenter will unbequemen Hartz-IV-Bezieher in die Klappse stecken.

Ein Gespräch mit Jens Kadner

Interview: Gitta Düperthal
 
 
[via Junge Welt]
 
 
Jens Kadner ist Rechtsanwalt in ­Frankfurt am Main

Als Anwalt vertreten Sie einen Hartz-IV-Bezieher, dessen Rechte vom Jobcenter des Landkreises Mayen-Koblenz in Rheinland-Pfalz angeblich beschnitten wurden. Eine Hexenjagd »à la Mollath« sei gegen ihn betrieben worden, sagen Sie. Was ist vorgefallen?

Einiges: Ich vertrete diesen Mandanten gegenüber dem Jobcenter Rheinland-Pfalz und dem Sozialgericht in Koblenz. Als ich das Mandat übernahm, hatte das Jobcenter bereits veranlaßt, ihn amtsärztlich zu untersuchen, und mehrfach versucht, ihm vor seiner Wohnung aufzulauern. Daß jemand sich nicht gefügig zeigt, sondern seine Rechte einklagt, ist man dort offenbar nicht gewohnt. Amtsvertreter klingelten und rannten um sein Haus herum. Weil er sich sein Hausrecht nicht nehmen und sich nicht hat provozieren lassen, hat das Jobcenter gedroht, ihm seine monatliche Hartz–IV-Leistung in Höhe von 384 Euro zu reduzieren.

Immer neue Schikanen gab es: Er muß fünf Bewerbungen monatlich abliefern, hat dafür aber nach einem Jahr noch immer keine Kosten erstattet bekommen. 25 Cent pro Bewerbung – ein Witz! Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seines Hausarztes wurden nicht anerkannt, Energiekosten nicht übernommen; Umzugskosten auch nicht. Und das, obwohl er gezwungen war, die Wohnung zu wechseln – die ehemals mit seiner Frau bewohnte war mit etwa 80 Quadratmetern zu groß, sie hätte nur 50 haben dürfen. Argumentiert wurde: Es hätte zuvor einer Genehmigung bedurft.

All das hat das Sozialgericht ausgesessen; ein von mir gegen den Richter gestellter Befangenheitsantrag wurde abgeschmettert. Indes kreieren Jobcenter-Mitarbeiter ständig neue Streitpunkte. »Sie müssen ihre Unterkunftskosten weiter senken«, hieß es, es gebe neue örtliche Richtlinien. Man legt es auf die Zwangspsychiatrisierung an. Mein Mandant ist mit den Nerven am Ende.

Wie ist die Situation eskaliert?

Man versucht, ihn mundtot zu machen, lädt ihn aber ständig zu Meldeterminen. Durch die Kostenversagung herrscht gereizte Stimmung. Bei einer solchen Gelegenheit hat sich mein Mandant gegenüber einem »Fallmanager« möglicherweise unglücklich geäußert. Er habe letzteren bedroht, hieß es. Das Gespräch wurde zu Ende geführt; aber trotzdem ein Strafverfahren gegen ihn angestrengt, das aber erst gegen Ende des Jahres stattfinden soll – so groß kann die Bedrohung also nicht gewesen sein. Einen Tag später erging vom Landrat ein Hausverbot für das Jobcenter. Er schriebe mir, ich solle auf meinen Mandanten einwirken, sich zwangspsychiatrisch untersuchen zu lassen. Tags darauf erscheint ein Amtsarzt mit Polizeiaufgebot vor der Tür meines Mandanten! Er hat aber die Tür nicht geöffnet, sich im Jobcenter nicht mehr persönlich gemeldet.

Das kann er doch auch gar nicht, wenn er Hausverbot hat – oder?

Aufgrund »besonderer Anforderungen« hat das Jobcenter das Verbot eingeschränkt und wieder drei Einladungen verschickt. Gegen jede haben wir uns gewehrt; in keinem Fall hat das Sozialgericht entschieden. Eine hat das Jobcenter wegen formaler Fehler zurückgenommen, um sie gleich darauf erneut auszusprechen. Mein Mandant wird beim Gericht mittlerweile als Querulant abgestempelt – ich als sein Anwalt übrigens auch.

Woran ist das zu merken?

Das Gericht kollaboriert mit dem Antragsgegner, der Informationsfluß zum Jobcenter ist schneller als zu mir. Letzterem sind großzügige Fristen gesetzt: Sechs Wochen im Eilverfahren – für mich nur fünf Tage! Kostenerstattung wird selbst dann abgelehnt, wenn wir obsiegt haben.

Ich habe erfahren, daß andere Anwälte ebenso ausgebremst wurden. Mit dem zuvor zuständigen Richter beim Sozialgericht Koblenz war alles ganz normal verlaufen. Gegen den für Koblenz-Mayen zuständigen Richter jedoch habe ich mittlerweile vier Befangenheitsanträge gestellt, einen Ablehnungsantrag an das Gericht; vor zehn Tagen eine Dienstaufsichtsbeschwerde an den Präsidenten des Sozialgerichts Koblenz, mit Durchschrift an das Justizministerium Rheinland-Pfalz. Ich habe Mails von ähnlich betroffenen Bürgern erhalten. Erschreckend sei, heißt es darin, wie schnell man bei der Hand ist, Zwangspsychiatrisierung zu betreiben.

Der Richter hat eine große Unabhängigkeit. Ich suche die Öffentlichkeit, damit kein Gemauschel im kleinen Kreis entstehen kann. All das hat mit Rechtsprechung nicht mehr viel zu tun.


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