Ein sächsischer Sonderweg
LINKE-Fraktionschefs sehen kein Modell für andere Länder
Die Schuldenbremse, sagt Wulf Gallert und klingt dabei sehr entschieden, ist »ein grundsätzlich falsches politisches Instrument« - eines, das dem Werkzeugkasten neoliberaler Politik entstammt, wie der Fraktionschef der LINKEN im Landtag von Sachsen-Anhalt anfügt. Bei einer Konferenz mit seinen Kollegen aus Bund und Ländern, die Gallert leitete, stellte er gestern klar, ein solches Verbot der Kreditaufnahme für die öffentliche Hand diene dem Abbau des Sozialstaats und der öffentlichen Daseinsvorsorge. Das freilich, fügte Gallert an, »sehen die Genossen in Sachsen genau so«.
Seit vergangenem Freitag zweifelt mancher in der Partei daran. An jenem Tag einigten sich die fünf Fraktionschefs von CDU, LINKE, SPD, FDP und Grünen in Sachsens Landtag auf die erste Änderung der Landesverfassung. In diese soll eine Klausel zur Schuldenbremse aufgenommen werden. Das Papier trägt auch die Unterschrift von LINKE-Chef Rico Gebhardt. Seither gibt es Debatten, für die das Etikett »lebhaft« stark untertrieben wäre. Auf dem Internetportal »Dialog für Sachsen«, das die sächsischen Genossen betreiben, werden bereits Parallelen zum Verkauf der Dresdner Woba gezogen, den Teile der PDS-Fraktion 2006 mit CDU und FDP betrieben - und der die Partei »an den Rand der Existenz« gebracht habe, wie es warnend heißt.
Ein völlig schiefer Vergleich, findet Sebastian Scheel, Finanzexperte der sächsischen Fraktion: Damals sei eine falsche Entscheidung aktiv betrieben worden, diesmal habe man einen scharf kritisierten Weg korrigiert. So soll sich das Land nicht auf Kosten der Kommunen sanieren können. Zudem wurde durchgesetzt, dass der Freistaat zwar in sehr mageren Jahren doch Kredite aufnehmen darf, aber in fetten Jahren nicht zwangsläufig Geld auf die hohe Kante legen muss. Das hatten andere Fraktionen zunächst geplant.
Die Sachsen hätten »ein falsches Instrument abgemildert«, erkennt auch Gallert an. Er betont aber, es handle sich um eine »sächsische Sondersituation«. Der Freistaat kommt bereits seit 2006 ohne Kredite aus, der Alternativetat der PDS sogar seit 2000. In Ländern wie Bremen, Hamburg oder NRW sei die Lage »ganz substanziell« anders. Die Regelungen in Sachsen seien daher »nichts, was auf andere Länder, den Bund oder gar die EU zu übertragen wäre«. Das gilt auch für Sachsen-Anhalt. Dort hat der CDU-Fraktionschef schon die Nachahmung empfohlen. Nichts da, sagt Gallert: »Es bleibt definitiv bei einer Ablehnung.« Diese teile man mit der SPD, dem Koalitionspartner der CDU.
Sonderlich glücklich, das war gestern in Magdeburg zu spüren, ist man außerhalb Sachsens mit der Debatte nicht; immerhin ist kaum in wenigen Worten zu erklären, wieso die Genossen in Sachsen die gleiche Position vertreten sollen wie jene, die Schuldenbremsen rundheraus ablehnen. Es handle sich aber nicht um »Verrat von links«, sagte ein namhafter Genosse und mahnt, den Ball flach zu halten. Gelobt wird, dass es den Sachsen gelungen ist, den »sozialen Ausgleich« als Prinzip für die Aufstellung eines Landesetats zu verankern. Das sei »einzigartig in der Bundesrepublik«, sagt Gallert, widerspricht aber Gebhardts Einschätzung, das sei ein »linker Exportschlager«: »Auf andere Länder ist das nicht ohne weiteres zu übertragen«.
Auf der ursprünglichen Tagesordnung des Magdeburger Treffens stand die Schuldenbremse nicht. Das befasste sich vor allem mit LINKE-Initiativen gegen das Mietrechtsänderungsgesetz. Dieses müsse gekippt werden, sagte Dietmar Bartsch, Fraktionsvize im Bundestag, und bot SPD und Grünen an, gemeinsam dagegen in Karlsruhe zu klagen. Zudem wurde ein Paket von Initiativen beschlossen, mit denen sich die Partei in den Ländern gegen den weiteren Anstieg der Mieten sowie Verkäufe von Wohnungen einsetzen will.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen