Bankenkrise: Bürger verhöhnen und Bürgen würgen Rudolf Walther
Kommt die Rede auf ehemals berühmte, ältere Schauspieler, fragt man: "Lebt der noch?" Und bei ehemaligen Politikern lautet die Frage: "Was macht denn der jetzt?" Bei Bankern, Spekulanten und anderen Finanzjongleuren fragt man sich heute schon: "Läuft der immer noch frei herum?" Erst recht werden dereinst unsere Nachkommen und die vereinzelten Historiker, die sich an den privatisierten und ausgedünnten Universitäten tummeln, fragen: "Warum wurden die nicht verfolgt wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung? nach dem § 129 des Strafgesetzbuches?"
Bei der Deutschen Bank kreuzten letzthin 500 bewaffnete Polizeibeamte, Staatsanwälte und Steuerexperten auf, um Akten zu beschlagnahmen wegen des millionenschweren Umsatzsteuerbetrugs, der von der Bank mit unerhört pfiffiger krimineller Energie eingefädelt und abgewickelt wurde. Und wie in einer Bananenrepublik beschwerte sich Jürgen Fitschen, einer der beiden Vorstandsvorsitzenden, beim hessischen Ministerpräsidenten Bouffier über den rufschädigenden Besuch vom Rechtsstaat. Deutsche Staatsanwälte sind zwar weisungsgebunden, aber noch geht es hier nicht ganz so zu und her wie unter Rafael Trujillo in der Dominikanischen Republik, dem "Landesvater", den die Unternehmer jederzeit anrufen konnten, wenn es Probleme oder Ärger gab. "Wo politische Vorgänge von großer Tragweite sich exakt so abspielen, wie der sprichwörtlich kleine Moritz sich das vorstellt, (...) verschwinden die Grenzen zwischen Kolportage und Geschichtsschreibung", schrieb Hans Magnus Enzensberger vor fast 50 Jahren in seinem grandiosen Buch über "Politische Kolportagen". Wir leben zwar noch in der Bundrepublik, aber das herrschende Personal in der wirtschaftlichen und politischen Elite verhält sich längst so, dass sich die Unterschiede zu Bananenrepubliken auf Nuancen reduzieren.
Fitschens Kollege Anshu Jain leitete früher das Investmentbanking der Deutschen Bank in London, also die Gang für Zockerpapiere, Zinswetten, Termingeschäftswetten mit Agrarprodukten und Spekulationen auf landwirtschaftlich nutzbaren Böden. Alles Geschäfte, von denen der frühere Vorstandsvorsitzende Hilmar "Peanuts" Kopper einmal öffentlich sagte, er würde die nicht einmal mit einer Pinzette anfassen, geschweige denn im häuslichen Tresor lagern. In diesem mafiosen Geschäftsfeld sind Geschäft und Betrug längst ununterscheidbar geworden.
Unter dem Schweizer Josef Ackermann wurde dieser Geschäftszweig treibhausmäßig gefördert, was ihn nicht vor Gericht und ins Gefängnis brachte, obwohl die Deutsche Bank bei den Betrügereien mit dem Libor-Zinssatz beteiligt war, wofür die schweizerische UBS jetzt eine Buße von 1,4 Milliarden Dollar kassierte. Ackermann eroberte dafür die Regierungssalons. Angela Merkel lieh Ackermann das Kanzleramt gratis, damit der seinen 60. Geburtstag an dem Ort feiern konnte, an dem er am meisten Einfluss hatte und der Kanzlerin in einer einzigen Nachtsitzung einen 480 Milliarden Rettungsfonds einredete, mit dem nicht "die" Griechen und "der" Euro gerettet werden sollten, sondern einzig und allein die europäischen Großbanken, die sich mit hochverzinslichen Staatspapieren aus dem südlichen Europa zuerst jahrelang eine goldene Nase verdient hatten und dann den Staat und den Steuerzahler zum Bürgen verdonnerten, als es heiß wurde. Und das alles nach der Halbweltdevise: "Bürgen tut man würgen" (so der Steuerberater Frieder Hirsch).
Das ordinäre Würgergeschäft unter dem Namen Investmentbanking verwirrt in seiner brutalen Einfachheit nicht nur den Zuschauer, sondern beflügelt auch die Fantasie. Peer Steinbrück etwa, der als Finanzminister der großen Koalition zusammen mit seinem Spitzenbeamten Jörg Asmussen die Hindernisse aus dem Weg räumte, die den Finanzmarkt damals noch etwas einhegten und kontrollierten, wollte plötzlich die Kavallerie gegen die Schweizer Banken losschicken, als die es zu bunt trieben mit ihrem kriminellen Geschäftsmodell für Steuerbetrüger. Asmussen wandte sich 2006 vehement gegen "unnötige Prüfungs- und Dokumentationspflichten" bei der Umsetzung der Geldmarktregeln (Basel II), und sein Chef Steinbrück durfte zwei Jahre später die kriminellen Aktivitäten der IKB mit etwa 12 Milliarden Euro Steuergeldern retten. Da hatte er die Kavallerie schon vergessen und erwies sich als Kavalier des Finanzkapitals.
Solche Konfusionen in der Schlachtordnung verwirrten den schlachtenkundigen ehemaligen FAZ-Journalisten Jürgen Busche er promovierte in alter Geschichte über römische Feldherrenkunst. Er verstand Steinbrücks Metapher aus Westernfilmen nicht als solche, sondern nahm sie wörtlich und antwortete diesem als Offizier eines bundesdeutschen Panzeraufklärungsbataillons sinngemäß: Wir Panzeraufklärer haben die Aura der alten wilhelminischen Kavallerie geerbt. Mit den Schweizern und ihren Banken werden wir blitzkriegsmäßig fertig und fahren einfach durch von Basel nach Zürich wie ehedem unsere Großväter von Berlin nach Warschau. Hätte Busche Josef Ackermann, Oberst in der Grenzdivison 7 der Schweizer Armee, befragt, hätte dieser den schlachtenkundigen Busche sicher auf die Verwechslung der Schweizer Armee von 2012 mit der polnischen Armee von 1939/40 aufmerksam gemacht. Die Offizierskassinoidee, man könnte heute den Rhein ohne Luftunterstützung auch nur an einer Stelle mit "ein paar Bataillonen Panzeraufklärung" überqueren, ist wilhelminisch-phallokratisches Gehabe von Bundesreserveoffiziershengsten, die am Hindukusch nicht einmal in der Lage sind, Schulmädchen zu schützen, weil sie rund um die Uhr mit ihrer eigenen Sicherheit beschäftigt sind.
Fitschen, Jain, Ackermann führen die Retter-Troika und die in der EU Regierenden am Nasenring durchs Markt- und Zeitgeschehen. Mit dem letzten Rettungsversuch "Athens", d.h. der Freigabe von 34 Milliarden Euro, besorgten sie nur das Geschäft der Hedgefonds und spülten allein dem "Third Point"-Fond zum Jahreswechsel 500 Millionen Euro in die Kasse. Dieser Fond stieg genau zu dem Zeitpunkt ins Griechengeschäft ein, als Syndikatbruder Mario Draghi von der EZB, eine Filiale der Großbanken und Rating-Agenturen, verkündete, Griechenland und der Euro würden mit allen Mitteln gerettet. Jetzt kaufte "Third Point" griechische Staatsanleihen für den Ramschpreis von 17 Cent in großen Maßen. Durch die von Großbanken, Troika und "Märkten" inszenierte Rettungsaktion Griechenlands in letzter Minute, verdoppelte sich der Wert der griechischen Staatsanleihen, denn im Dezember kaufte "Athen" (auf den Rat des Syndikats aus EU-Troika, Großbanken und EZB hin) die fast wertlosen Anleihen für 34 Cent zurück. Parallel dazu erhöhte ein Schwurbruder die Rating Agentur Standard & Poor's die Bonität Griechenlands um gleich sechs Stufen und die EU-Steuerzahler verlieren damit locker 10 Milliarden Euro.
Zu den frei Herumlaufenden gehören auch die fünf Telekom-Spitzenmanager, die es mit Spitzengehältern hinkriegten den Wert der Aktie seit 1995 bis heute von 105 Euro auf 8.64 Euro einzudampfen ein Drittel allein in den sieben Jahren, als René Obermann das Unternehmen dirigierte. Sein Nachfolger verspricht "Kontinuität" und erntet dafür auch noch Lob von der wirtschaftsfrommen Presse. Die Schulden des Unternehmens stiegen seit 1995 auf 39 Milliarden Euro und die Belegschaft wurde im gleichen Zeitraum in etwa halbiert. Kriminell ist das im strikt strafrechtlichen Sinne wohl nicht, saumäßig dumm allemal und vermeintlich normal sowieso. Ein Knecht aus dem Referat VII A 1 von Staatssekretär Asmussen antwortete auf den Vorwurf, einer über 80-jährigen Rentnerin seien im bayerischen Hinterland wertlose Papiere der IKB angedreht worden, die der "Bankenretter" Asmussen als Aufsichtsrat "kontrollierte", nennenswerte "Risiken" hätten nicht vorgelegen zum Kaufzeitpunkt und der Bundesrechnungshof bescheinige dem feinen Herrn Asmussen, seine Pflichten als Kontrolleur seiner Syndikatsbrüder nicht verletzt zu haben. Der Zauberlehrling Asmussen selbst sitzt jetzt im Präsidium des Syndikats EZB und die Rentnerin wird auf das "Zivilrecht" verwiesen, um aussichtslos gegen die IKB-Gaunereien mit "Zweckgesellschaften" zu klagen. Der Bürger und Bürge wird nicht nur gewürgt, er wird obendrein amtlich, und mit Aktenzeichen versehen, verhöhnt.
Posted via email from Daten zum Denken, Nachdenken und Mitdenken
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