In der Theorie können Länder, die wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit hoch verschuldet in der Krise sind, durch die deflationäre Wirkung von Lohn- und Preissenkungen sowie durch Produktivitätssteigerungen ihre Wettbewerbsfähigkeit wieder erlangen. Das ist die Hoffnung, die die Eurozonenregierungen mit den Rettungspaketen verfolgen, die genau für diesen Prozeß die notwendige Zeit kaufen sollen.
Doch die Preise kommen bis auf Irland nicht herunter (Abb. 16860). Dabei verharrt die Wirtschaftsleistung der Krisenländer tief im Minus oder sinkt noch weiter ab (Abb. 16563).
Selbst das angebliche Erfolgsbeispiel Irland ist seit dem 2. Quartal 2011 wieder in die Rezession zurückgefallen und das Haushaltsdefizit liegt immer noch bei 10 % des BIP.
Hohe Gehaltsverzichte zu erzwingen, ist außerordentlich schwierig. Das gilt vor allem in einer Wirtschaftunion, in der die Bürger der Krisenländer erwarten, daß die anderen sie aus dem Sumpf ziehen. Außerdem verteilen Lohnverzichte die Krisenlasten sehr ungleich innerhalb der Krisenländer, zumal wenn die Steuersysteme korrupt oder ineffizient sind.
Hinzu kommt, daß die Krisenländer mit vielen ihrer meist arbeitsintensiven Produkten im Wettbewerb mit dem absoluten Niedrigstlohnkonkurrenten China liegen. Sie haben im bilateralen Handel mit China gemessen an ihrer Wirtschaftsleitung erhebliche Defizite aufgebaut und auch auf Auslandsmärkten Positionen verloren (Abb. 15768).
Wegen ihrer mangelnden Wettbewerbsfähigkeit haben die Krisenländer (ohne Irland) mit wachsenden Schulden erhebliche Leistungsbilanzdefizite von zusammen seit dem Jahr 2000 gigantischen 1,4 Billionen Euro aufgetürmt. Zwar gingen die seit dem Gipfel in 2008 wegen verminderter Importe zurück, lagen aber im vergangenen Jahr immer noch bei 127 Mrd Euro (Abb. 16861).
Eine innere Abwertung über Deflation hat zudem erhebliche Nachteile. Der reale Wert von Schulden steigt und verschärft die finanziellen Probleme im Krisenland, was wiederum die Nachfrage drückt und die Zerbrechlichkeit des Bankensystems erhöht. Reale Zinsraten steigen. Im Ergebnis wird Wohlstand von den Schuldnern auf die Gläubiger umverteilt, die weniger Neigung zum Konsum relativ zu ihren relativ höheren Einkommen haben. Schulden werden nicht weginflationiert, sondern real verstärkt. Das Ziel einer Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit beißt sich daher mit dem Ziel, die Verschuldungslast zu senken und die Wirtschaft wieder zu beleben.
Auch Versuche, die Produktivität zu steigern, sind sehr schwierig und tragen nur sehr langfristig Früchte. Selbst eine Steigerung um 0,5 % pro Jahr, ein sehr ehrgeiziges Ziel, würde erst nach Jahrzehnten zum Erfolg führen, wenn die Produktivitätslücke bei 30 bis 40 % liegt, wie bei einigen Krisenländern (Abb. 15797).
Die immer wieder von der SPD und den Grünen sowie dem Sachverständigenrat der Bundesregierung, aber auch Schäuble und neuerdings von der Leyen geforderten oder jedenfalls mittelfristig für möglich erklärten Eurobonds (dagegen Merkel: "nicht, solange ich lebe"), können an dieser Situation fehlender Wettbewerbsfähigkeit rein gar nichts ändern. Die Finanzmärkte wissen darum und werden daher für solche Bonds Zinsen verlangen, die weit über den derzeitigen für deutsche Staatsanleihen liegen werden, zumal bei einer Vergemeinschaftung der Schulden auch Deutschland seinen AAA-Status verlieren dürfte. Je weiter dann die Schulden der Krisenländer durch Zinslasten und fortbestehende Defizite in den Leistungsbilanzen und Staatshaushalten steigen, umso höhere Zinsen werden gefordert werden, bis das gesamte System einer angeblichen Rettung über immer neue Schulden zusammenbrechen muß. Die Befürworter der Eurobonds, besonders SPD und Grüne, blenden das eigentliche Problem mangelnder Wettbewerbsfähigkeit bewußt total aus, weil sie dafür keine Patentantwort haben.
Die vorgetäuschte temporäre Natur der Rettungspakete bedeutet also eine Irreführung der Bevölkerungen. Am Ende werden nur Lösungen über starke Schuldenschnitte helfen (und in den schlimmsten Fällen Austritte aus der Eurozone). Die Frage ist dann, ob am Ende die zu retten versuchenden Steuerzahler oder die Finanzinteressen der Anleger die horrende und sich immer weiter erhöhende Zeche zahlen. Hier ist in doppelter Hinsicht Ehrlichkeit der Regierungen gegenüber ihren Bürgern mehr als überfällig.
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