Dänemark: Einheitsliste klar für rote Sommeroffensive
von Stefan Godau - Kopenhagen
[via scharf-links.de]Enttäuschung und Wut über Steuerreform und Kürzungen bei sozial Schwachen- über 1400 neue Mitglieder- "ab jetzt Oppositionspartei"
Als im September 2011 die Rechts-Regierung abgewählt und eine Mitte-Links-Regierung unter sozialdemokratischer Vorherrschaft die Amtsgeschäfte übernahm, kam bei vielen Hoffnung auf. Ein Politikwechsel hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit und ein Ende des Einflusses der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei schien zum Greifen nahe.
In den letzten Jahren wurden nicht zuletzt im Zuge des "Karikaturen-Streits" insbesondere EinwanderInnen aus muslimischen Ländern unter Generalverdacht gestellt. Letztes Jahr erreichte Dänemark traurige Berühmtheit, als auf Druck der Dänischen Volkspartei die Grenzkontrollen wiedereingeführt und dann jedoch auf Druck der EU wieder abgeschafft wurden. Die Spitze des Eisbergs war ein "Punktsystem", das EinwanderInnen nach ihrer Nützlichkeit einteilen sollte.
"Rote Regierung mit blauer Politik"
Der Siegesrausch der ersten Monate ist jedoch schnell einer Ernüchterung gewichen. Die von der Vorgängerregierung beschlossene langsame Abschaffung des Vorruhestandes wurde bei behalten, auch die Einführung einer Straßenmaut in Kopenhagen war von handwerklichen Fehlern begleitet und wurde schließlich auf unbestimmte Zeit verschoben. Auch aus der angekündigten progressiven Sozial- und Arbeitsmarktpolitik ist bis auf anfängliches Wortgeklingel und Ankündigungen nichts geworden.
Stattdessen bemühte sich die neue Regierung von Anfang an um ein gutes Verhältnis zur Wirtschaft. Der Unmut nahm ständig zu. Die Presse schrieb bereits kurz nach der Wahl von "Wortbruch". Zu einer ersten Unmutsbekundung kam es am 1. Mai, als während der Rede von Staatsministerin Thorning-Schmidt Occupy-AktivistInnen der Regierung in Sprechchören eine "blaue", also liberale Politik vorwarfen.Feiertage vorerst gerettet
Kernstück der Regierungspolitik sollten die "Dreier-Verhandlungen" zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften und Regierung werden. Zur "Stärkung des Wettbewerbs" sollten zwei Feiertage abgeschafft werden. Während das Führungspersonal der beiden großen dänischen Gewerkschaftsdachverbände ihr Einverständnis erklärte, regte sich an der Gewerkschaftsbasis großer Unmut, sodass die Regierung von ihren Plänen ablassen musste.
Das nächste Umverteilungsprojekt war die Steuerreform, die eigentlich den Sinn hatte, die Lebensbedingungen für Arbeitslose und sozial Schwache zu verbessern und die Reichen stärker zu besteuern. Die sozialistische Einheitsliste hatte bereits vor zwei Jahren auf ihrem Parteitag beschlossen, eine "rote" Regierung zu tolerieren und Gesetzesvorlagen/dem Haushalt zuzustimmen, wenn diese soziale Verbesserungen darstellten. Die Regierung hatte jedoch im letzten Augenblick dem Druck aus Wirtschaft und dem des kleineren liberalen Koalitionspartners nachgegeben und das Abkommen mit der Einheitsliste aufgekündigt.
Proteste und Maulkorb für Kritikerinnen
Die politische Sprecherin der Einheitsliste, Johanne Schmidt-Nielsen, neigte sich erbost und wütend über den Bruch des Abkommens und über die neue Übereinkunft zwischen Regierung und rechter Opposition. Dies sei ein "Schlag ins Gesicht für all jene, die diese Regierung mit der Hoffnung auf soziale Verbesserungen im letzten Jahr ins Amt gewählt haben. Die Regierung könne nicht davon ausgehen, dass die Einheitsliste im Herbst dem Haushalt zustimme; wenn sie ihre mit der Rechten vereinbarten "sozialen Sauereien nicht zurücknehme": Ab jetzt befinde sich die Einheitsliste in Opposition zu dieser Regierung. Staatsministerin Thorning-Schmidt und ihre Mannschaft ist fest entschlossen, ihre Politik ohne Rücksicht auf Verluste durchzusetzen.
Der kleinere Koalitionspartner, die den deutschen Grünen nahestehende 'Sozialisitsche Volkspartei' (SF), verordnete Fraktionsdisziplin und strafte Kritikerinnen mit Maulkörben und der Entfernung von allen Sprecherposten ab. Das Projekt "Regierungstauglichkeit" droht jedoch der Parteiführung auf die Füße zu fallen und wird weder von der Basis noch vom Wähler goutiert. 'SF' sackte um über 10 % ab und verliert Mitglieder. Auch die SozialdemokratInnen haben zur Zeit das schlechteste Umgfrageergebnis ihrer Geschichte (16%). Großer Profiteur ist die Einheitsliste, die in den letzten Wochen 1.424 Mitglieder (Stand:23.7.7.) gewann. An einer ersten Protestkundgebung vor dem Finanzministerium nahmen ca. 100 Menschen teil. Der geschäftsführende Parteivorstand hat eine "rote Sommeroffensive" beschlossen. Und will insbesondere den Kontakt zur Gewerftschaftsbasis suchen. Für Mitte des Monats ist eine Blockade der Zentrale des Gewerkschaftsdachverbandes geplant. Weitere Angriffe auf FrührentnerInnen und Kranke sind geplant; für unter 40-Jährige wird die Frührente gänzlich abgeschafft. Die Krise ist auch im Norden angekommen. Der Widerstand dagegen auch.VON: STEFAN GODAU - KOPENHAGEN
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