Mittwoch, 29. Februar 2012

Joachim Gauck - ein der Freiheit verpflichteter Demokrat und Lehrer des Volkes? [via Linke Zeitung]


Joachim Gauck - ein der Freiheit verpflichteter Demokrat und Lehrer des Volkes?

von Manfred Hegner  

 

[via Linke Zeitung]

 
http://www.linkezeitung.de/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=12914&Itemid=32
 

Ein politischer Lebenslauf

Einleitung

Der  nunmehr 72jährige mecklenburgische evangelische Pfarrer Joachim Gauck wurde erst seit 1989/90 über Rostock hinaus als Politiker bekannt.

Er  war während der Existenz der DDR entgegen ständiger eigener Behauptung und deren Kolportage durch die etablierten Medien kein ernsthafter Kritiker ihrer gesellschaftlichen Ordnung.  Erst in der Endphase des zweiten deutschen Nachkriegsstaates  engagierte er sich  in der Bürgerbewegung "Neues Forum" und wurde nach dem "Beitritt" erster "Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der (ehemaligen) DDR" (BStU), einer Bundesbehörde mit mehreren Tausend Mitarbeitern. In dieser Funktion erhielt er das Gehalt eines Staatssekretärs der Bundesregierung, d. h. mehr als der Präsident des  Bundesnachrichtendienstes, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der Chef des Militärischen Abschirmdienstes der Bundeswehr. Damit wurde die Rolle des Bundesbeauftragten bei der Abrechnung mit der DDR betont, die laut Auftrag des damaligen Justizministers Klaus Kinkel Teil der umfassenden "Delegitimierung" des angeschlossenen zweiten deutschen Staates ist.

Am  30. Juni 2010 kandidierte Gauck in der Bundesversammlung auf Vorschlag von SPD sowie Bündnis 90/Die Grünen erstmalig für das Amt des Bundespräsidenten, unterlag aber in drei Wahlgängen Christian Wulff (CDU). Seit 19. Februar 2012 ist Gauck erneut Kandidat für das Präsidentenamt.

Jede sich bietenden Gelegenheit nutzt Joachim Gauck seit über 20 Jahren, um gleich einem Wanderprediger die DDR und den Sozialismus zu verdammen. Dabei moralisiert er mit kaum noch steigerungsfähigem Pathos. Sein  Wirken nach 1990 brachte ihm bei Politikern und ihren Apologeten unter den Journalisten und Wissenschaftlern verschiedene "Titel" und den Dr. h.c.  ein. Als angebliche Galionsfigur des Widerstands in der DDR wurde er en masse ausgezeichnet sowie mit  Preisen geehrt.

Seine Rolle in der DDR, darunter bei den Auseinandersetzungen ab Herbst 1989 war nicht annähernd so bedeutend, wie heute  glauben gemacht werden soll.

Selbsteinschätzung und Etikettierung durch die politisch Herrschenden

Die eigene Entwicklung und Rolle schildert Gauck gerne selektiv. Er betrachtet sich selbst als "linken liberalen Konservativen". Hinter dieser in sich widersprüchlichen Selbstcharakteristik verbirgt sich nach Meinung des Magazins "Focus" der "wahrscheinlich größte deutsche >>Antikommunist von Gottes Gnaden<<". Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte ihn anlässlich seines 70. Geburtstages im Januar 2010 als "spannende Persönlichkeit", "als Bürgerrechtler, politischer Aufklärer und Freiheitsdenker, als Versöhner und Einheitsstifter, ...als Mahner und Aufarbeiter des SED-Unrechts". Derartige Charakteristiken sind inzwischen kaum noch zu zählen, weil der politisierende Pfarrer ein guter Vermittler von positiv gefärbten Urteilen über die Politik der Bundesregierung und der sie tragenden jeweiligen Koalition ist. Er hat Anhänger bei allen im Bundestag vertretenen Parteien außer bei den meisten Funktionsträgern und Mitgliedern der Partei DIE LINKE. Die Nominierung vom 19. Februar 2012 beweist dies nachdrücklich.

Um die Persönlichkeit des stets mit viel Pathos gegen die untergegangene DDR wetternden Dauerredners Joachim Gauck besser beurteilen zu können, empfiehlt sich ein  gründlicherer Blick auf die Vita des politisierenden Theologen.

Dabei ist zu  beachten, dass Joachim Gauck  meist  selbst  nur ungenaue Angaben zu ihn wenig auszeichnende Ereignissen in seinem Leben, seinem Verhalten in bestimmten Situationen  und über  seine Verwandten macht. Er beschränkt sich nicht selten auf unterschiedlich deutbare Allgemeinplätze. Die erkennbar zielorientierte Auskunft über sich und  seine Entwicklung  beeinflussten aber die Journalisten und seine Biografen. Deren eigene Recherche ist lückenhaft und lässt erkennen, dass auch von ihnen meist  bewusst ein geschöntes Porträt gezeichnet und verbreitet wird.

Kindheit und Jugend  - der Einfluss des faschistischen Dritten Reiches

Joachim Gauck  wurde am 24. Januar 1940 in Rostock als Sohn eines Offiziers  der faschistischen Kriegsmarine und einer Bürofachangestellten geboren.  Dienstort des Vaters war nach der Besetzung Polens der Hafen Gdynia (von den Faschisten in Gotenhafen umbenannt), ein wichtiger Liegeplatz der Reichskriegsmarine. Über Aufgaben und Wirken des Kapitäns zur See J. Gauck (sen.) während des Krieges schweigt der Sohn völlig. Grund ist vermutlich, dass er die Gründe der späteren Verurteilungen des Vaters durch ein sowjetisches Militärtribunal nicht offenbaren will.

Wenn  er vom Vater als "Kapitän" spricht, lässt er im Dunklen, dass dies keine Funktion in der Handelsmarine oder in der Fischereiflotte war, sondern  ein Kommandoposten in der verbrecherischen Kriegsmaschinerie Hitlers.

Beide Eltern Gauck waren treue Gefolgsleute der Faschisten und traten frühzeitig die NSDAP bei ((Mutter Olga 1932, Vater Joachim 1934)). Sie zählten zu den  "Alten Kämpfern", werden aber von Gauck bestenfalls verharmlosend als "Mitläufer" bezeichnet, wenn er über diese Frage überhaupt etwas sagt.

Kurz nach Gaucks Geburt zogen  die Eltern aus dem großelterlichen Haus im Ostseebad Wustrow auf dem Fischland nach Rostock. Der Militäreinsatz des Vaters endete mit Kriegsende in britischer Kriegsgefangenschaft. Die vorher nicht berufstätige Mutter nahm eine bezahlte Arbeit auf, um den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. Sie war darüber nicht glücklich, was ihre Einstellung zur Nachkriegsordnung mit geprägt haben dürfte.

Nach der Niederlage  Deutschlands wirkte die faschistische Einstellung der Eltern weiter und beeinflusste den heranwachsenden Joachim Gauck entsprechend.  Die Sowjetunion und ihre Armee blieben Feinde. Dazu trug bei, dass die östliche Besatzungsmacht das Haus der Großeltern in Wustrow beschlagnahmte  und dieses später an einen Großbetrieb verpachtet wurde. Die Großmutter durfte deshalb nicht wieder einziehen. Ihr war der festgesetzte Pachtzinns zudem viel zu niedrig. Die negative Haltung der Familie gegenüber der sozialistischen Siegermacht wuchs, als der Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte und eine neue Tätigkeit aufnehmen musste. Alle gesellschaftlichen Veränderungen in der antifaschistisch-demokratischen Ordnung wurden abgelehnt. Dies "schloss auch die kleinste Form der Fraternisierung mit dem System aus". Später nahm der jugendliche Gauck deshalb nicht einmal die Freizeitangebote des Jugendverbandes FDJ an und distanzierte sich von den moralischen sowie politischen Zielen der DDR (von ihm immer als "Regime" bezeichnet). Wie er selbst betont, ist er "mit einem gut begründeten Antikommunismus aufgewachsen".

 Der  im Sommer 1946 aus britischer Gefangenschaft zurückgekehrte Marineoffizier Gauck (Vater Joachims) fand  in der Schiffswerft Neptun Rostock Arbeit als Sicherheitsinspektor. Im Jahr  1951  wurde er jedoch verhaftet und aufgrund von aufgefundenen Unterlagen sowie Zeugenaussagen durch ein Sowjetisches Militärtribunal in Schwerin zweimal zu je 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Soweit Gauck die Verurteilung als Grund der Überstellung in die Sowjetunion überhaupt erwähnt, behauptet er, dem Vater seien Spionage und der Besitz nicht lizenzierter Druckerzeugnisse vorgeworfen worden. Er erklärte sogar: "Die Vorwürfe waren willkürlich und folgten dem Prinzip: Hat man erst die Person, so findet man auch ein Delikt." Tatsächlich beging Kapitän Gauck im II. Weltkrieg  Kriegsverbrechen, womit sich die Höhe der Freiheitsstrafen erklärt. Zur Strafverbüßung kam der Vater in die UdSSR (nach Sibirien).Gauck spricht allerdings meist von Deportation, als wisse er nicht mehr, dass der Vater verurteilt wurde.

Im  Jahr1955  kehrte  Vater Gauck aus Russland nach Rostock zurück. Auf Verlangen Adenauers durften damals die noch in Haft befindlichen verurteilten deutschen Kriegsverbrecher und Feinde  der Besatzungsmacht heimkehren. Dafür willigte die UdSSR in die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur BRD ein.

Zur Rolle des Onkels Gerhard Schmitt

Ungeachtet der Haft seines Vaters erhielt Gauck einen Platz an der  Oberschule (Gymnasium) in Rostock und legte dort 1958  nach Ende der regulären zwölfjährigen Schulzeit die Reifeprüfung (Abitur) ab. Angeblich wünschte er, Germanistik oder Journalistik zu studieren, und behauptet, dies sei ihm aus politischen Gründen verwehrt worden. Offen ist aber, ob er sich überhaupt für eines dieser Fächer bewarb oder sich auf Rat seines Onkels Gerhard Schmitt sofort zum  Studium der Theologie an der Wilhelm-Pieck-Universität in Rostock entschloss. In Gaucks Erinnerungen findet sich die Behauptung, der Glaube und die Theologie hätten ihm geholfen, "sich einer Wahrheit anzuvertrauen, die von niemandem befohlen und von niemandem genommen werden konnte...(Dies) vermittelte eine geheimnisvolle Kraft, die ....befähigte, den Minderheitenstatus durchzuhalten, mutig zu bleiben, wo andere sich schon angepasst hatten, und Anständigkeit, Treue und Glauben für wichtiger zu halten als Wohlstand, Karriere und öffentlichen Erfolg". Da er an anderer Stelle selbst angibt, eine Tätigkeit als Pfarrer habe ihn zunächst überhaupt nicht gereizt, wird man diese Aussage als zweckgerichtet ansehen müssen. Schließlich hat Gauck nach Ende seiner Tätigkeit als BStU auch nicht wieder seelsorgerisch gewirkt. Der Pensionär führt ein Leben als hochbezahlte politischer Publizist und Redner. 

Der Onkel von Joachim Gauck, Gerhard Schmitt, ein evangelischer Pfarrer,  war nach Auskunft des Cousins von Gauck Jörn-Michael Schmitt. für  seinen Neffen das große Vorbild. Wie das Magazin "Focus" berichtete, hat sich der Cousin sehr gewundert, dass Gauck in seinen Erinnerungen nicht einmal den vollen Namen dieses Onkels erwähnte. Dabei war Schmitt einer der wichtigsten Menschen  für ihn, gewissermaßen "die Richtschnur in Joachims Leben"  Die Geheimniskrämerei um den Onkel  findet ihre Erklärung in dessen Vita:

Gerhard Schmitt hat sich schon früh als Theologie-Student für Adolf Hitler begeistert. Mit Mitgliedsbuch Nr. 624 169 wurde er am 1. August 1931 in der NSDAP registriert (noch vor dem Eintritt von Gaucks Eltern in die Hitlerpartei) Auch er war damit "Alter Kämpfer". Die von Antikommunismus gekennzeichneten Anschauungen des Onkels und dessen Ergebenheit gegenüber dem Faschismus wirkten auf Gaucks Entwicklung ebenfalls stark prägend. 

Der Onkel unterbrach 1933 das Studium der Theologie, um hauptamtlich für die NSDAP zu arbeiten, zunächst im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB).  Im Jahr 1934 wurde er hauptamtlicher SA-Führer und vermittelte  in Lagern der SA den dort zusammengefassten SA-Männern die faschistische Ideologie. Bald avancierte er  zum SA-Gruppenführer im Amt für Ausbildungswesen. Ein Jahr später kehrte Schmitt zum Studium zurück und wurde evangelischer Theologe. Nach der Ordination trat er eine Stelle als Wehrmachtsgeistlicher in der faschistischen Kriegsmarine an, deren Offiziersuniform er mit sichtbarem Stolz trug. Er wurde Oberpfarrer für den gesamten Marineabschnitt Ostsee.  In  Feldpostbriefen berichtete Schmitt später, dass er auch Gefallene umbetten half und Deserteure auf dem Wege zur Exekution zu begleiten hatte. Seine Kriegsbegeisterung sank und schwand völlig, als Schmitt im Januar 1945 wie viele Zivilisten und Soldaten  aus Ostpreußen zu Fuß über Frische Nehrung und Haff Richtung Danzig fliehen musste. Sowjetischen Truppen  hatten die Provinz eingeschlossenen.

Nach Kriegsende übernahm der Onkel eine Pfarrerstelle bei Rostock. Seine Landeskirche erklärte ihn Anfang 1948 für "entnazifiziert". Seinem Aufstieg in der evangelischen Kirche stand nun nichts mehr im Wege. Die zuständigen Kirchenleitungen beförderten ihn nacheinander zum Domprediger in Güstrow, zum Landessuperintendenten und schließlich im Januar 1964 zum Generalsuperintendent im Oststeil Berlins. Das blieb er bis zu seiner Pensionierung zehn Jahre später. Er hatte viele Auseinandersetzungen mit DDR-Behörden.

Gerhard Schmitt war von Anbeginn  ein offener  Feind der DDR. Er verweigerte demonstrativ die Teilnahme an Wahlen, agitierte gegen die Jugendweihe und gegen die  Schulpolitik des Staates. Er gehörte zu den reaktionärsten Kräften der evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg. Geradezu zwangsläufig  geriet er in den Fokus  der Staatssicherheit, da er die von der Frontstadtstellung des Westteils Berlins geprägte negative Einstellung der Westberliner Kirche zur DDR nach Kräften billigend unterstützte. Nur die Zurückhaltung der DDR-Behörden bei Auseinandersetzungen mit den Kirchen dürfte ihn vor juristischen Konsequenzen bewahrt haben.

Gerhard Schmitt zog nach seiner Pensionierung 1974 nach Westberlin und starb dort im Jahr 2000.

Joachim Gauck besuchte  ihn wiederholt. Als Pfarrer durfte er im Unterschied zu anderen DDR-Bürgern selbst dann noch West-Reisen machen, als drei seiner Kinder dorthin übergesiedelt waren. Auch am 9. November 1989 - am Tag der Öffnung der "Mauer" - war Gauck bei seinem Onkel in Westberlin (und nicht etwa bei den an diesem Tag in Rostock demonstrierenden unzufriedenen Bürgern), um den 80. Geburtstag des Onkels mit zu feiern. In seinen Memoiren erwähnt Gauck dies nicht.

Die Tätigkeit Gaucks als Pfarrer in Mecklenburg - seine Beziehungen zu den staatlichen Behörden einschließlich MfS        

Nach dem Studienabschluss (1965) arbeitete Joachim Gauck bis 1990 in  der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburg.  Er war zunächst Vikar in Laage. Nach seiner Ordination wurde er Pastor in Lüssow/Kreis Güstrow, 1970 wechselte er als Pfarrer in das Neubaugebiet Rostock-Evershagen und wurde im Nebenamt als Kreis- sowie Stadtjugendpfarrer in Rostock tätig.

Er hatte inzwischen geheiratet. Die Trauung nahm Onkel Schmitt vor. Er half auch, den Widerstand von Gaucks Vater gegen dessen frühzeitige Eheschließung zu überwinden. Aus der Ehe, deren Partner seit 1990 getrennt leben, gingen vier Kinder hervor. (Der nach wie vor verheiratete Pfarrer Gauck lebt seit 12 Jahren in einer Beziehung mit einer jüngeren Journalistin.)

Während der ersten Jahre seiner Tätigkeit als Seelsorger äußerte Gauck seine ablehnende Haltung  gegenüber der sozialistischen Gesellschaft in der DDR. Da er sich um die Missionierung junger atheistisch erzogener Menschen  bemühte und deren Bekenntnis zur DDR zu erschüttern versuchte, überwachte ihn die Staatssicherheit.  Anfangs war das Gauck sehr unangenehm. Dann entschloss er sich, wenigstens äußerlich kooperativ aufzutreten. Weil er das sehr geschickt machte, beendete die Kreisdienststelle Rostock des MfS die Beobachtung. Gauck trat schließlich so angepasst auf, dass man sogar erwog, ihn als inoffiziellen Mitarbeiter (IM) des MfS zu gewinnen. Nur wegen eines bestehen gebliebenen Misstrauen kam es nicht zur Anwerbung. Dennoch wurden Gauck vielfältige Vergünstigungen gewährt, die er gerne und ausgiebig in Anspruch nahm: Beispielsweise durften seine Söhne in die BRD übersiedeln, die Eltern danach zu Besuchen empfangen und selbst besuchsweise nach Rostock kommen. Diese Genehmigung von Reisen war sonst nach Übersiedlung naher Verwandter völlig ausgeschlossen. Weil  Gauck wie alle Mitarbeiter der evangelischen Landeskirchen in der DDR von den bundesdeutschen  Kirchen regelmäßig ein Teilgehalt in D-Mark erhielt, wollte er in der BRD einen Transporter erwerben und einführen. Das wurde ihm ebenfalls dank Einflussnahme des MfS gestattet, denn das entstandene gute Verhältnis zu Gauck sollte nicht gefährdet werden. Grund für die Großzügigkeit der Behörden war auch, dass Gauck von  1982 bis 1990 die Kirchentagsarbeit der Landeskirche  Mecklenburg leitete. Um eines ungestörten Ablauf der Kirchentage zu ermöglichen, war Entgegenkommen und Unterstützung der kommunalen Behörden und des Ministerium für Staatssicherheit notwendig und erwünscht.  Diese Beziehungen bereiteten Gauck bis 1990  keinerlei innere Probleme. Vielmehr vereinbarte  er sogar von sich aus mit dem MfS, dass er in erforderlichen Fällen dort  Unterstützung anfordern dürfe. Er erhielt eine entsprechende Zusage.

Der Eintritt in die Politik : Gauck als Bürgerrechtler in den letzten Monaten der DDR. Seine Rolle als "Herr der Stasi-Akten"

Als Gauck im Herbst 1989 erkannte, dass die SED und die von ihr geführte Regierung die in der DDR aufgestauten Probleme nicht mehr zu lösen vermochte, wurde er politisch in Rostock aktiv. Das geschah nach dem Rücktritt Erich Honeckers im Oktober 1989, als vorher andernorts bereits Tausende Unzufriedene regelmäßig für demokratische Veränderungen demonstrierten und wirksame  Abwehr der DDR-Organe kaum noch zu erwarten war. Nunmehr begann der bis dahin viele Jahre mit den Behörden  der DDR, darunter dem Ministerium für Staatssicherheit/Bezirksverwaltung Rostock, sachlich zusammenarbeitende Gauck, sich "mutig" an Protestaktionen gegen die DDR zu beteiligen.

Redegewandtheit und Sendungsbewusstseins befähigten Gauck, rasch Mitinitiator der kirchlichen und politischen öffentlichen Protestbewegung in Rostock zu werden. Er wurde Mitglied und bald Sprecher der Bürgerbewegung Neues Forum Rostock.  Nach wöchentlichen Protest-Gottesdiensten in der Marienkirche führte er deren Teilnehmer anschließend zur Bezirksverwaltung des MfS, einer ihm gut bekannten Behörde. Von nun an stellte er überall nur noch Forderungen, ohne auf Vorschläge zur Deeskalation auch nur verbal einzugehen. Ab Öffnung der Staatsgrenze zwischen DDR und BRD erfüllte Gauck dann mit kaum zu übertreffendem Eifer den  Auftrag der Kohl-Regierung, die DDR als "Unrechtsregime" bzw. "Unrechtsstaat" umfassend zu "delegitimieren" und die sozialistisch-kommunistische Bewegung öffentlich zu diskreditieren. Eine wahrheitsgemäße Darstellung der Entwicklung in der DDR kam und kommt bei ihm seither nicht mehr vor.

Obwohl der Pfarrer Gauck  vor 1990 außerhalb der Kirche in Rostock relativ unbekannt war, wurde er bei  den Wahlen zur DDR-Volkskammer im März 1990 einziger Abgeordneter des Neuen Forums für Mecklenburg.  Die Volkskammer  wählte ihn zum Vorsitzenden des Sonderausschusses zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) bzw. Amtes für Nationale Sicherheit (AfNS)". Im August 1990 wurde er Mitinitiator des Stasiunterlagen-Gesetzes der DDR-Volkskammer. Dessen Zielstellung war es, durch Öffnung der MfS-Akten die  "politische, juristische und historische Aufarbeitung" der DDR-Geschichte zu fördern. Gauck und seiner Amtsnachfolgerin Birthler gelang es aber später, daraus die angebliche Befugnis zur umfassenden "Aufarbeitung der SED-Diktatur" abzuleiten. In Konkurrenz zu anderen Gremien, etwa der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur  unter Pfarrer Rainer Eppelmann, wurde die nach Gauck benannte Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des MfS (BStU) zielstrebig zu einer Art Inquisitionstribunal  mit fast allumfassenden Vollmachten ausgebaut.

Am 2. Oktober:1990 wählte die Volkskammer Gauck nahezu einstimmig zum "Sonderbeauftragten für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR". Mit Wirkung vom 3. Oktober1990 berief  ihn Bundespräsident Richard von Weizsäcker auf Vorschlag von Helmut Kohl zum

"Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes". Nach dem Gesetz vom Dezember 1991 über den Umgang mit den "Stasi-Unterlagen" nannte Gauck  sich dann "Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR". (BStU)  Er wurde vom Bundestag zunächst  für fünf Jahre gewählt und 1994 nochmals für fünf Jahre in diesem Amt bestätigt. Sein Gehalt entsprach dem eines Staatssekretärs der Bundesregierung, also der höchsten Gehaltsstufe eines Beamten:

Gauck  gehört zu den unermüdlichen Scharfmachern, die dem MfS und der  DDR insgesamt nur Schlechtes nachsagen. Von ihm hört und liest man keine objektive Schilderung des Lebens in der DDR. Man sucht auch eine sachliche Bewertung der Geheimdienstarbeit vergeblich. Er schreckte nicht einmal vor unbewiesenen Schuldsprüchen zurück, wenn sie das Verdikt "stützen", die DDR sei während ihrer gesamten Existenz ein reiner "Unrechtsstaat" gewesen. Auch in der Wortwahl folgt Gauck bedingungslos den Vorgaben der heute in Deutschland politisch Herrschenden. Seine eigenen Erfahrungen würden ihm gestatten, die DDR so differenziert zu beurteilen, wie sie tatsächlich war. 

Er verfolgt unerbittlich das Ziel, ehemalige Verantwortungsträger der DDR, leitende und einfache Mitarbeiter von Einrichtungen der DDR (besonders des MfS) für schuldig zu erklären und auszugrenzen, sie zu allgemeinen Schuldbekenntnissen zu zwingen sowie wenigstens sozial und moralisch abzustrafen. Wenn sich in "Stasi-Akten" personenkonkrete Angaben befinden, wurden diese von Gauck oder seinen Mitarbeitern  bedenkenlos öffentlich gemacht. Es interessierte weder das Zustandekommen noch der ursprüngliche Bestimmungszweck der Akten. Selbst wahrheitsgemäße  Berichte über Auslandsaufenthalte im Auftrag von DDR-Einrichtungen,  die von den Vorgesetzten der Berichtenden oder anderen  Empfängern anweisungsgemäß an das MfS übergeben wurden, oder Mitteilungen über Mängel im Betrieb u.ä. wurden als "Zuträgerei" (= IM-Tätigkeit) behandelt (selbst dann, wenn Verfasser von Informationen diese Weitergabe gar nicht kannten.)

Entgegen der im Strafprozess generell geltenden Unschuldsvermutung  wird einfach davon ausgegangen, der Informant habe im Bericht genannten Personen schaden wollen. Unter Umkehrung der Beweislast wird  Informanten überlassen, sich selbst zu exkulpieren. Restriktionen bei der Akteneinsicht erschweren ihnen dies zusätzlich. Die "Täter" sind nach Verdikt Gaucks faktisch unbefristet von der gleichberechtigten Teilnahme am politisch-gesellschaftlichen Leben der BRD ausgeschlossen. Ihnen wird das passive Wahlrecht ebenso abgesprochen wie das Recht, eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst zu suchen. Statt zu versöhnen, fordert der frühere Pfarrer und nachmalige "Herr der Akten"  die soziale Ausgrenzung, etwa durch strafweise Rentenreduzierung  und die öffentliche Diffamierung. 

Diese Art der Aktenöffnung öffnete allen Bemühungen Tür und Tor, beliebige Angaben in den kaum überschaubaren Aktenbeständen des MfS zum Zweck der Abrechnung mit der DDR und ihren loyalen Bürgern zu missbrauchen.

Gezielte Publikationen, zeitlich so geplant, dass der Verdächtigte unerwartet in Erklärungsnot gebracht wurde, und die Bereitstellung von Akten für sensationslüsterne Journalisten haben  das Ihrige dazu beigetragen, die Atmosphäre bei der Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte zu vergiften.

Einen christlich geprägten Umgang mit Andersdenkenden ließ Gauck nicht zu. Sonst hätte er zumindest gewissenhafte Pflichterfüllung  in der Zeit nach 1990 als versuchte Wiedergutmachung und Beweis von Selbstkritik sowie Umdenken würdigen müssen. Den Pfarrer hemmte  bei der von ihm betriebenen Hetzjagd erkennbar auch nicht, dass inzwischen selbst früher in der DDR begangene (und dort  angeblich politisch motiviert unverfolgt gebliebene) Straftaten wegen Verfolgungsverjährung  schon seit Jahren nicht mehr strafrechtlich geahndet werden können.

Immer wieder wehrten sich der Zuträgerschaft für das MfS bezichtigte Personen erfolgreich vor Gericht gegen unbegründete Anschuldigungen und Schuldfeststellungen. Darunter befanden sich Bundestagsabgeordnete, Landesminister, Wissenschaftler und Künstler. Weil aber selbst manchem, der entgegen den Auskünften der BStU nicht für das MfS gearbeitet hatte, danach in der Öffentlichkeit offener Hass begegnete, dem er nicht auszuweichen vermochte, hat Gauck auch den Freitod nicht weniger Betroffener mit zu verantworten. Der Theologe hat dazu niemals Stellung genommen, geschweige denn ein Wort der Entschuldigung gefunden. Sein eigener Hass gegenüber Kommunisten und anderen Linken ist grenzenlos und ließ  ihn zum unversöhnlichen Ankläger und oft zugleich zum uneingeschränkten Richter werden.

Unter Leitung Gaucks wurden Hunderttausende früherer Bürger der DDR "gegauckt".  Dabei wurde die Suche nach früheren hauptamtlichen oder inoffiziellen Mitarbeitern des MfS zeitweilig so hysterisch gestaltet,  dass sich Vergleiche mit der Hexenverfolgung im Mittelalter aufdrängen. Als problematisch zu beurteilen sind vor allem die zahlreichen Fälle, in denen ein angeblicher Informant nichts davon wusste, dass sein Name in Karteien des MfS erfasst worden war: Er wurde als "Quelle" innerbetrieblicher oder innerbehördlicher Berichte oder anderer Informationen registriert, die ohne sein Zutun dem MfS zugeleitet wurden, dessen Aufgabengebiet  und Informationsbedarf kaum zu übersehen war. 

Andere "Quellen" wurden ohne ihr Wissen abgeschöpft. Zuweilen wurden völlig anders erlangte Informationen auch registrierten "Quellen" zugeordnet, um den tatsächlichen Ausgangspunkt der Information zu verschleiern. Versehentliche Zuordnungen sind auch nicht auszuschließen, weil die Geheim-haltungsanforderungen bedingten, dass ein MfS-Mitarbeiter manchmal kaum etwas vom anderen wusste. 

Eine gerichtliche Nachprüfung von BStU-Auskünften wurde grundsätzlich ausgeschlossen, so dass die Auskünfte oft den Charakter eines Endurteils erlangten.

Nach dem im Oktober 1997 von Gauck vorgestellten 3. Tätigkeitsbericht des BStU beantragten bis Juni 1997  1,3 Millionen Bürger  Einsicht in die Stasi-Akten. In derselben Zeit gingen 2,3 Millionen Anträgen von Vertretungskörperschaften, Behörden und öffentlichen Einrichtungen ein. Die Ausgrenzung früherer DDR-Bürger aus dem öffentlichen Leben bildete als erkennbar den Schwerpunkt.

Nach Einschätzung Gaucks hätten in den über 40 Jahren der Existenz zweier deutscher Staaten bis 1989 20.000 bis 30.000 Kundschafter ("Stasi-Spitzel")  in der Bundesrepublik Deutschland gewirkt. Er  behauptete entgegen allen übereinstimmenden  Bekundungen früherer Generäle und Offiziere des MfS, wonach Ziel der Spionage eine bessere Sicherheit für die DDR und ihrer Verbündeten war, das MfS habe vielmehr danach getrachtet, die Gesellschaftsordnung der alten BRD zu schwächen und zu beseitigen,

Gauck war dagegen, die am 31. Dezember 1997 auslaufende Strafverfolgungsverjährung für in der DDR begangene mittelschwere Straftaten zu verlängern. Die  Regierungskoalition  beschloss jedoch eine Verlängerung  bis zum 2. Oktober 2002 (d.h. auf 12 Jahre ab DDR-Beitritt).

Am 4. November:1997  lehnte Gauck einen Schlussstrich unter die "Aufarbeitung" der DDR-Vergangenheit (durch die Offenlegung und Verbreitung von Geheimdienstunterlagen) ab. weil seine Behörde noch zahlreiche Anträge zur Akteneinsicht erhalte. Durch vielfältige Einflussnahme half er, die Antragstellung zu weiter anzukurbeln. Dabei spielte die Arbeitsbeschaffung für die "Stasijäger" sicher eine große Rolle.
Im Jahr 1997 verfasste Gauck zur deutschen Ausgabe des Schwarzbuch des Kommunismus  einen Beitrag, der dessen über die DDR weit hinausgehenden Aussagen noch verschärfte.

Am 9. November  1999  gehörte Gauck (neben Michail Gorbatschow, George Bush sen., Gerhard Schröder, Helmut Kohl sowie  Wolfgang Thierse) zu den Rednern, die vor dem Deutschen Bundestag den zehnten Jahrestages der Maueröffnung  würdigten. Sein Geschichtsbild widersprach vielen Tatsachen.

Am 28. September 2000  wählte der Bundestag Marianne Birthler zur "Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR". Gauck durfte nach zehnjähriger Amtszeit nicht erneut kandidieren. An der Ausrichtung der Behörde änderte sich mit dem Wechsel an der Spitze nichts.  

Nach dem Ausscheiden aus dem Amt des Bundesbeauftragten ist Gauck nicht zur seelsorgerischen Arbeit zurückgekehrt. Er hat auch keine hauptamtliche Funktion übernommen. So soll er als Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung im Gespräch gewesen sein. Ein entsprechendes Angebot schlug er aus. Auch eine Kandidatur für den Bundestag, die von der SPD erwogen wurde, fand nicht sein Interesse. Kurze Zeit moderierte er in der ARD alle zwei Wochen eine Sendung Joachim Gauck, die aber wieder abgesetzt wurde. Seitdem ist er ein häufig  eingeladener Redner und ein Publizist mit hohen Honoraren.

Hierfür sollen nur wenige Beispiele angeführt werden:

Im Jahr 1999 veröffentliche Gauck  Eine Revolution und ihre Folgen. 14 Bürgerrechtler ziehen Bilanz".

 Ein Beitrag von ihm erschien 2001  in "Wahrheitspolitik in Deutschland und Südafrika. Drei Pfade zur Aufarbeitung der Vergangenheit". ( Weitere Autoren waren Alexander Neville und Jutta Limbach.)

Seit 2001 ist Gauck für Deutschland Mitglied des Verwaltungsrates der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

 Im Jahr 2003 wurde er Vorsitzender der Vereinigung Gegen Vergessen - Für Demokratie..

 Er setzte sich für eine Umgestaltung der Ausstellung Spuren des Unrechts für die Opfer der NS-Militärjustiz in Torgau ein. Ihm ist mit zu danken, dass neben der  faschistischen Militärjustiz nunmehr auch Internierungen nach alliiertem Recht im sowjetischen Speziallager Torgau und der spätere  DDR-Strafvollzug  zum Gegenstand der Exposition wurden.  Diese Änderung dient der Gleichsetzung des faschistischen Terrors mit nach der Niederlage des 3.Reiches von der Besatzungsmacht aufgrund alliierter Beschlüsse ergriffenen  Sicherungsmaßnahmen und dem  Strafvollzug auf der Grundlage des Strafvollzugsrechts der DDR. Am 9. Mai 2001 hielt Gauck die Rede zur Ausstellungseröffnung. 

Im Jahr 2009 veröffentlichte er unter dem Titel  Winter im Sommer - Frühling im Herbst  Erinnerungen. (zusammen mit Helga Hirsch)

Nach dem Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler (CDU) bewarb sich  Gauck auf Vorschlag von SPD und Bündnis90/Die Grünen am 30. Juni 2010 in der Bundesversammlung um das Amt des  Bundespräsidenten. Die nominierenden Parteien wollten  durch Präsentation eines eigentlich mehr mit CDU und FDP sympathisierenden parteilosen Kandidaten die regierende Koalition  und deren Kandidaten Christian Wulff "vorführen ". Absicht war es auch, die Wahlfrauen und Wahlmänner der Partei DIE LINKE bei der Abstimmung in Entscheidungsnöte bringen, weil abzusehen war, dass deren Votum die Wahl entscheiden könnte und weder Gauck noch Wulff für DIE LINKE wählbar erschienen. Gauck  wurde betont als überparteilich apostrophiert. Die Medien suggerierten mit gewissem Erfolg, dass er in der Bevölkerung mehr Zustimmung als der stets parteipolitisch geprägte bisherige CDU-Ministerpräsident von Niedersachen Christian Wulff finden würde. Erst im dritten Wahlgang unterlag Gauck bei der Abstimmung sehr knapp.

Im Jahre 2003 wurde er Vorsitzender des Vereins Gegen Vergessen - für Demokratie. Er plädierte für die Errichtung eines umstrittenen Zentrums gegen Vertreibungen. Im Jahr 2008 war er Erstunterzeichner der Prager Erklärung (u.a. mit der Forderung, den 23. August als Europäischen Gedenktag an die Opfer des Stalinismus und Nationalsozialismus auszurufen). 

Im Jahr 2010 unterzeichnete er die Erklärung über die Verbrechen des Kommunismus.Er forderte Gesetze "zur Verurteilung kommunistischer Krimineller und zur Entschädigung der Opfer des Kommunismus". Nach seiner Meinung gelte, "überall dort, wo Kommunisten herrschten und herrschen, gab und gibt es keine freien Gewerkschaften und auch keine freie Presse und keine freie Meinung. Mit dieser Art Kommunisten habe ich nichts gemein."

Mit diesen wenigen beispielhaft ausgewählten Angaben wird deutlich: Der Antikommunist Gauck setzt Faschismus und Sozialismus gleich, nennt beide regelmäßig im selben Atemzug und verurteilt die verharmlosende Erinnerung an Diktaturen sowie die Ostalgie.

Gauck ist Mitglied des Vereins Atlantik-Brücke und im Senat der Deutschen Nationalstiftung

Gaucks Positionen zu einigen aktuellen politischen Problemen

Grundlage von Gaucks Beurteilung des Sozialismusversuchs in der DDR ist die Totalitarismus-Doktrin. Für ihn bestehen zwischen dem blutbesudelten menschenverachtenden Deutschen Reich und der SBZ/DDR nur graduelle Unterschiede, weil beide Diktaturen waren. Die völlig entgegen gesetzten Ziele dieser Staaten sollen vergessen gemacht werden: Hitler-Deutschland strebte die rassistisch motivierte  Weltherrschaft an. Es führte dafür einen Vernichtungskrieg bisher ungekannten Ausmaßes mit viele Millionen Toten und unsäglichem Leid für fremde Völker und die eigene Bevölkerung. In der DDR war eine ausbeutungsfreie solidarische Gesellschaft mit Wohlstand für die breite Masse der Bevölkerung Staatsziel. Nachträglich rechtfertigt Gauck, dass die BRD das Erbe des faschistischen Vorgängerstaates widerstandslos annahm und hilft, die DDR zu verketzern. Faschismus und DDR-Gesellschaft betrachtet er gleichermaßen als "Unrechtsstaaten". Dabei ist dieser Begriff wissenschaftlich unhaltbar ist und wird deshalb abgelehnt.

Gauck befürwortet Auslandseinsätze der Bundeswehr und betrachtet den Krieg in Afghanistan als völkerrechtsgemäß, weil nachträglich durch UN-Beschluss gerechtfertigt. Er verstieg sich sogar zu folgender Behauptung: "Verbunden mit dem militärischen Einsatz sorgen die deutschen Soldaten dafür, dass auch die Menschen in Afghanistan in Sicherheit und Würde leben können."  

Ob das die Hinterbliebenen durch NATO-Soldaten einschließlich Bundeswehrangehörigen in einem nicht erklärten Krieg Getöteten und die von ihnen Verletzten auch so sehen, muss sehr bezweifelt werden. Mitgefühl mit den Tausenden getöteten afghanischen Zivilisten, darunter Frauen und Kindern, hat er nicht geäußert.

Die Auseinandersetzungen zwischen dem Staat Israel und den Palästinensern sehen ihn auch dann auf der Seite Israels, wenn dessen Vorgehen völkerrechtswidrig ist und UN-Beschlüssen zuwider läuft. Auf eine Frage der danach, wie weit deutsche Politik bei der Kritik Israels gehen dürfe, antwortete Gauck: "Ein Deutscher darf Israel kritisieren, soweit er es mit seinem Gewissen vereinbaren kann, in Kenntnis der deutschen Geschichte und unter Achtung der Menschenrechte." Wie diese orakelhaften Worte gemeint waren, dürfte daraus ableitbar sein, dass der Befragte weder die gerade aktuelle Abriegelung des Gaza-Streifens noch den jüngsten Überfall der israelischen Kriegsmarine auf ein Solidaritätsschiff im außerhalb der  Hoheitsgewässer Israels liegenden Mittelmeergebiet und ebenso wenig  den völkerrechtswidrigen Siedlungsbau israelischer Siedler im Palästinensergebiet auch nur andeutungsweise rügte. Für die Not der Palästinenser, die unter laufenden Militäraktionen Israels und Embargorestriktionen leiden, interessierte Gauck sich bisher öffentlich nicht. Gauck ist Verbündeter der "Falken" in Israel und geht völlig  mit der kritikwürdigen  Politik der Regierung Merkel-Westerwelle konform.

Gauck befürwortet die Heraufsetzung des Rentenalters auf 67 Jahre und ist für die anstehende "Gesundheitsreform". Er trägt die als "Agenda 2010" bezeichnete unsoziale Politik mit, ebenso ihre Fortsetzung im Sparpaket der jetzigen Regierung, Dabei verzichtet er auf  Fragen nach der Gerechtigkeit getroffener Entscheidungen.   Für Gauck gilt: "Es war richtig, die mit den sozialen Sicherungssystemen verbundenen Kosten, die den Hauptteil des Budgets des Bundes ausmachen, unter Kontrolle zu bekommen. Das ist verantwortlich und keine Hasardeurpolitik." Er lehnt den überbordenden Sozialstaat ab. "Fürsorge ist ein schönes, ein christliches Wort. Aber Fürsorge darf nicht etwas sein, das der Landesfürst gibt und das Landeskind nimmt. Diese Abhängigkeit gefällt mir nicht." Der Sinn von Politik ist Freiheit. Erst danach stellt sich die Frage, wie in Freiheit die gleichen Rechte für jeden realisiert werden können."

Er betont, dass er Verfechter der repräsentativen Demokratie ist und empfiehlt Politiker, nach einmal parlamentarisch getroffenen Entscheidungen auf Mehrheitsmeinungen der Bevölkerung sowie Protestaktionen nichts zu geben.

Zur Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten zum Zweiten

Am 19. Februar 2012 riefen CDU, CSU, FDP, SPD und Bündnisgrüne Joachim Gauck, diesen "Lehrer der Demokratie", nach einer beispiellosen Medienkampagne unter Führung der Bild-Zeitung als gemeinsamen Kandidaten für die erneut anstehende Wahl eines Bundespräsidenten aus.  Dazu titelte neues deutschland am 21.02.2012 " Der Prediger wird Präsident". Die Zeitung rief einige markante Äußerungen des Kandidaten zu aktuellen politischen Fragen in Erinnerung und schlug sie dem "Liebling der Konservativen" als Bausteine für seine Antrittsrede vor.

Joachim Gauck: Will den Menschen Deutschlands »wunderbare Möglichkeiten« zeigen

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Als Aktualisierung der Übersicht über Gaucks Denken und Handeln wird diese Zitatensammlung angefügt.

 »In Deutschland missbrauchen leider die Milieulinken immer noch einen rituellen Antifaschismus, um sich vor der Auseinandersetzung mit der zweiten deutschen Diktatur zu drücken.«
Aus »Der Spiegel«, 29.9.1997

»Einheimischen wie Vertriebenen galt der Verlust der Heimat als grobes Unrecht, das die Kommunisten noch zementierten, als sie 1950 die Oder-Neiße-Grenze als neue deutsch-polnische Staatsgrenze anerkannten. «
Nachwort zum »Schwarzbuch des Kommunismus«, 1998

»Ich finde es positiv, wenn die Menschen demonstrieren. Aber ich finde es töricht und geschichts-vergessen, wenn der Protest gegen Sozialreformen unter dem Titel Montagsdemonstration stattfindet. «
In der »Berliner Zeitung«, 9.8.2004, zu den Protesten gegen Hartz IV

»Unübersehbar gibt es eine Tendenz der Entweltlichung des Holocausts. Das geschieht dann, wenn das Geschehen des deutschen Judenmordes in eine Einzigartigkeit überhöht wird, die letztlich dem Verstehen und der Analyse entzogen ist. «
Aus dem Vortrag »Welche Erinnerung braucht Europa«, März 2006

»Ich würde in der Tradition all derjenigen Bundespräsidenten stehen, die sich gehütet haben, die Politik der Bundesregierungen zu zensieren. Mancher wünscht sich ja einen Bundespräsidenten wie einen Kaiser, als letzte Instanz über allem - das darf er nicht sein. «
25.6.2010, Interview für n-tv

»Unser Verfassungsschutz ... ist nicht eine Vereinigung von Leuten, die neben unserem Rechtsstaat existiert und Linke verfolgt. Wenn der Verfassungsschutz bestimmte Personen oder Gruppen innerhalb dieser Partei observiert, wird es dafür Gründe geben. «
Interview in der »Rheinischen Post«, Juni 2010

»Ich finde den Einsatz nicht gut, aber erträglich und gerechtfertigt. «
Juni 2010, »Saarbrücker Zeitung«, zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr

»Viele in der Linkspartei wollen einen Systemwechsel und haben die großen Vorzüge der abendländischen Verfassungs- und Demokratietradition gar nicht verstanden: Sie sind Leute der Vergangenheit. Ich halte solche Positionen für reaktionär. Das bezieht sich nicht auf alle Mitglieder dieser Partei und auch nicht auf alle ihre Wähler. «
Interview in »Die Welt«, Juni 2010

»Er ist mutig und er ist natürlich auch einer, der mit der Öffentlichkeit sein Spiel macht, aber das gehört dazu. ... Nicht mutig ist er, wenn er genau wusste, einen Punkt zu benennen, bei dem er sehr viel Zustimmung bekommen wird. «
Über Thilo Sarrazin im Oktober 2010 im Interview mit der »Süddeutschen Zeitung«

»Mir ist am wichtigsten, dass die Menschen in diesem Land wieder lernen, dass sie in einem guten Land leben, das sie lieben können. Weil es ihnen die wunderbaren Möglichkeiten gibt, in einem erfüllten Leben Freiheit zu etwas und für etwas zu leben. «
19.2.2012, nach seiner Nominierung für das Amt des Bundespräsidenten

                                                                 ***

Die Süddeutsche Zeitung titelte in einem Bericht von Thorsten Denkler über die von Gauck am 22. 6. 2010 im Deutschen Theater Berlin gehaltene "Grundsatzrede" zureffend:

"Mal ist Gauck links, mal konservativ, mal grün, mal gelb."

In der Tageszeitung (taz) findet man folgendes Gesamturteil:

"Gauck stellt sich in keinem Augenblick die Frage, ob der Kampf um und die Verteidigung von sozialen Rechten und Positionen nicht in einem unlösbaren Zusammenhang mit den politischen Freiheitsrechten der Bürger steht. Gauck ignoriert die Bedeutung von Massenprotesten gegen den Sozialabbau für die 'zivilgesellschaftliche' Freiheitssphäre der Bürger. Sein Freiheitsbegriff ist amputiert, er akzeptiert nur politische Abwehrrechte gegenüber dem Staat, wobei die Gefährdung der Freiheit durch staatliche Überwachung in der Bundesrepublik reichlich unterbelichtet bleibt."

Anlage:

Literatur über Joachim Gauck (Auswahl)

Artur Amthor. Ruhe in Rostock? Von Wegen, verlag am park in der edtition ost 2009, S. 256 - 277

Helmut Müller-Enbergs, Joachim Gauck, In: Wer war wer in der DDR, 4. Ausgabe. Ch. Links Verlag, Berlin 2006

Norbert Robers, Joachim Gauck - die Biografie einer Institution, Berlin 2000

Klaus Huhn, Neufünfland-Pitaval, spotless-Reihe (heute bei edition ost im Verlag Das Neue Berlin) 1993

Klaus Huhn, Der Fall Gauck, spotless-Reihe 1996

Klaus Huhn, Der Inquisitor kandidiert, spotless-Reihe  2010

Wieland Rayk, Porträt über Joachim Gauck. In: konkret, August 1997

Berlin, am 21. Februar 2012




Posted via email from Daten zum Denken, Nachdenken und Mitdenken

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen