Montag, 1. Juli 2013

Die soziale Selektion hat also eher zugenommen.-->> 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks [via Nachdenkseiten]


 

 

20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks – Das Wichtigste in Kürze

[via Nachdenkseiten]

http://www.nachdenkseiten.de/?p=17789

 
 

Der vom HIS-Institut erarbeitete und vom DSW und dem BMBF vorgelegte Bericht zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden in Deutschland 2012 verknüpft eine Sozial- mit der Bildungsberichterstattung und bietet daher ein realistischeres Bild über das Studieren in Deutschland als die meisten sonstigen Statistiken.

Deshalb lohnt es sich, die wichtigsten Aussagen zusammenzufassen.

Von Wolfgang Lieb

Merkmale des Studiums

  • 95 % studieren in einem Vollzeitstudiengang. Duale Studiengänge, die Studium und Beruf verbinden sind mit 3 % marginal und spielen allenfalls an den Fachhochschulen (10 %) eine Rolle, zumeist sind es Studierende „mittlerer" Bildungsherkunft. Nur 1 % studiert Teilzeit, meist Studierende aus nicht-akademischen Familien.
  • Dreiviertel aller Studierenden sind in Bachelor- oder Masterstudiengängen eingeschrieben, an Universitäten erst 59 %.
  • Nur 15 % wechseln im Verlauf ihres Studiums einmal die Hochschule. Mehr als jeder Dritte wechselt aufgrund des „Rufs" der Hochschule. (Trend zu „Elite"-Hochschulen?)
  • Bisher nur jeder achte Studierende strebt einen Masterabschluss an (15 % an Unis). Wird ein Studium zwischen einem Bachelorabschluss und dem Masterstudium unterbrochen, so gehen mehr als die Hälfte einer Beschäftigung nach, die keinen Hochschulabschluss erfordert. (Geld verdienen für den Masterabschluss?)
  • Die internationale Mobilität hat nicht zugenommen und liegt bei etwa 30%. (Zielmarke 50 % weit verfehlt.) Ins Ausland gehen eher Studierende aus Akademikerfamilien.
  • Trotz Wegfalls der Wehrpflicht und G 8 ist das Durchschnittsalter der Studierenden (24,4 Jahre) kaum gesunken.
  • Nur 5 % aller Studierenden haben (mindestens) ein Kind.

Soziale Zusammensetzung

  • Die Wahrscheinlichkeit, die gymnasiale Oberstufe auf einer weiterführenden Schule zu besuchen, ist für Kinder von Akademiker(inne)n 1,8 Mal so hoch wie für Kinder von Nicht-Akademiker(inne)n (79 % vs.43 %). Letztere weisen hingegen eine 2,7-fach höhere Wahrscheinlichkeit als Kinder von Akademiker(inne)n auf, zu einer beruflichen Schule zu wechseln (57 % vs. 21 %). Unter der Berücksichtigung beider Zugangswege in ein Hochschulstudium (berufliche Schule und gymnasiale Oberstufe) beginnen von den Kindern aus einer nicht-akademischen Herkunftsfamilie 23 % ein Studium. Dieser Anteil ist bei den Kindern von Akademiker(innen) mit 77 % 3,3 Mal so hoch.
  • Gemessen am höchsten schulischen Abschluss von Vater und/oder Mutter kommen fast sechs von zehn Studierenden (60 %) aus einem Elternhaus, in dem das Abitur der höchste allgemein bildende Schulabschluss ist. Mehr als drei von zehn Studierenden (30 %) haben Eltern, die einen mittleren schulischen Abschluss erwarben. Weniger als ein Zehntel (9 %) kommt aus einer Familie, in der die Eltern maximal über einen Volks- oder Hauptschulabschluss verfügen. (Anteil der Bevölkerung mit Hauptschulabschluss 36,3%. Die soziale Selektion hat also eher zugenommen. Gab es 1991 36% der Studierenden aus einer „gehobenen" oder „hohen" Bildungsherkunft, sind es derzeit 50%. Allerdings ist der Anteil der Studierenden aus Akademikerfamilien nicht weiter angestiegen.)
  • Jeder zweite Studierende aus einem nicht-akademischen Elternhaus, darunter die meisten aus Bildungsherkunftsgruppe „mittel" (41 %) (beide Eltern eine nicht-akademische berufliche Ausbildung) und fast jeder zehnte aus der Gruppe „niedrig" (9 %) (beide Eltern keinen beruflichen Abschluss erworben haben oder höchstens ein Elternteil maximal eine nicht-akademischen Berufsausbildung).
  • Das Studienangebot an Fachhochschulen ist nach wie vor besonders attraktiv für Studieninteressierte aus hochschulfernen Schichten: Mehr als sechs von zehn Studierenden an Fachhochschulen kommen aus einem nicht-akademischen Elternhaus (62 %, davon 50 % Bildungsherkunft „mittel" und 12 % „niedrig".
  • Studierende in postgradualen Studiengängen haben anteilig deutlich häufiger als ihre Kommiliton(inn)en im Erststudium eine als „hoch" eingestufte Bildungsherkunft (29 % vs. 22 %). Die Aufnahme eines Promotionsstudiums ist offenbar sehr selektiv: Fast zwei Drittel dieser Studierenden kommen aus einer Akademikerfamilie (65 %), darunter mehr als die Hälfte aus einer doppelt akademisch gebildeten (36 %).

Hochschulzugang

  • 95 % der Studierenden kommt nach wie vor mit einer allgemeinen Hochschulreife oder einer Fachhochschulreife an die Hochschulen. An den Fachhochschulen ist der Anteil Studierender mit allgemeiner Hochschulreife (erneut) deutlich angestiegen (2009: 53 %, 2012: 57 %) zulasten des Anteils an Studierenden mit Fachhochschulreife (2009: 38 %, 2012: 32 %). Studierende mit einer „anderen" Hochschulzugangsberechtigung sind weiterhin geringfügig vertreten (1%).
  • Der seit 1994 zu beobachtende Trend des Rückgangs an Studierenden, die vor Studienbeginn eine Ausbildung abschließen, setzt sich auch 2012 fort. (Fachhochschulen 42 %, Unis 13%)
  • Traditionell überdurchschnittlich große Anteile an Studierenden aus hochschulnahem Elternhaus weisen Studiengänge auf, die mit einem Staatsexamen (nicht Lehramt) abschließen. Mehr als jeder zweite Lehramtsstudierende hat einen nicht-akademischen Bildungshintergrund (52 %).
  • Im Sommersemester 2012 hat fast jeder vierte Studierende (23 %) einen Migrationshintergrund. (Anteil an der Bevölkerung 19,5 %) Der Anteil der der Studierenden mit Migrationshintergrund aus „niedriger" Bildungsherkunft ist viermal so hoch, wie der Anteil der Studierenden ohne Migrationshintergrund.)

Fianzierung

  • Im Sommersemester 2012 verfügen die Studierenden der Bezugsgruppe „Normalstudierende" (formeller Vollzeitstudiengang, außerhalb des Elternhaus wohnend, unverheiratet (= 62% der Studierenden) über durchschnittlich 864 € im Monat. Der BAföG-Höchstsatz für Studierende, die nicht im Elternhaus leben beträgt 670 € im Monat.
  • 87 % der „Normalstudierenden" werden von ihren Eltern unterstützt, durchschnittlich mit 476 € im Monat. Die jüngsten Studierenden beziehen 61 % ihrer Einnahmen von den Eltern (2009: 58 %). Dieser Anteil sinkt mit zunehmendem Alter stetig und beträgt in der ältesten Gruppe lediglich 20 %. Im Gegenzug und als Kompensation wächst mit dem Lebensalter die Bedeutung des eigenen Verdienstes sowie der übrigen Quellen.
  • Der Anteil der elterlichen Unterstützung an den Gesamteinnahmen beträgt in der Herkunftsgruppe „niedrig" 27 %. In der Herkunftsgruppe „gehoben" geht bereits die Hälfte der studentischen Einnahmen auf die Leistungen der Eltern zurück. Bei den Studierenden, deren Vater und Mutter einen akademischen Abschluss haben (Bildungsherkunft „hoch"), erreicht der Elternbeitrag zu den Einnahmen 63 %.
  • 63 % geben an, ihren Lebensunterhalt mit Mitteln aus Erwerbstätigkeit neben dem Studium zu finanzieren. Durchschnittlich werden Einnahmen aus bezahlten Tätigkeiten in Höhe von 323 € zur Bestreitung des Lebensunterhaltes eingesetzt.
  • Im Sommersemester 2012 werden 24 % aller Studierenden nach dem BAföG gefördert. Mehr als jeder zweite Studierende der Bildungsherkunft „niedrig" erhält eine BAföG-Förderung. Leben die Geförderten außerhalb des Elternhauses, werden sie mit durchschnittlich 445 € pro Monat unterstützt. Leben sie bei den Eltern mit durchschnittlich 323 €.
  • 6 % der Studierenden erhalten Geld aus Krediten. Der Studienkredit der KfW-Bankengruppe stellt den Kreditnehmer(inne)n mit durchschnittlich 451 € den höchsten Betrag zur Verfügung. Er wird von 4 % der Studierenden genutzt.
  • 4% der Studierenden, die regelmäßig durch ein Stipendienprogramm unterstützt werden, gibt knapp die Hälfte an, Zahlungen von einem Begabtenförderungswerk zu erhalten. 1% werden durch das sog. „Deutschlandstipendium" gefördert.
  • Am sichersten schätzen solche Studierenden ihre finanzielle Situation ein, die noch nie BAföG beantragt haben. Von ihnen geben 84 % an, dass ihre Studienfinanzierung sichergestellt ist. Am unsichersten über die Studienfinanzierung äußern sich die ehemaligen BAföG-Empfänger(innen). 26 % von ihnen geben an, dass die Finanzierung nicht sichergestellt ist. Im Vergleich zu 2009 geben bedeutend mehr Studierende der Bildungsherkunft „niedrig" an, den Förderungsanspruch aufgrund einer nicht erbrachten Leistungsbescheinigung verwirkt zu haben (2012: 20 %, 2009: 15 %).
  • Im Durchschnitt geben Studierende rund 34 % ihrer monatlichen Einnahmen für das Wohnen aus, das entspricht 298 €. Am meisten zahlen Studierende, die an einer Hochschule in Köln (359 €) oder in München (358 €) eingeschrieben sind.
  • Zeitbudget

  • Studierende im (Vollzeit-)Erststudium investieren durchschnittlich 35 Stunden pro Woche in ihr Studium. Dieses Zeitbudget teilt sich nahezu hälftig auf zwischen Zeiten für den Besuch von Lehrveranstaltungen (18 Std./Woche) und Zeiten für das Selbststudium (17 Std./Woche). Der studienbezogene Zeitaufwand ist im Vergleich zu 2009 um eine Stunde gesunken.
  • Bezogen auf die Vorlesungszeit betrachten 48 % der Studierenden im (Vollzeit)Erststudium die zeitliche Inanspruchnahme durch das Studium als (zu) hoch.
  • Die Mehrheit der Studierenden geht während der Vorlesungszeit neben dem Studium einer Erwerbstätigkeit nach, mit der sie Geld verdienen (61 % im (Vollzeit-)Erststudium). Für diese Jobs wenden sie durchschnittlich 13 Stunden in der Woche auf. In der Summe der hier unterschiedenen Zeitverwendungsarten (Studium und Erwerbstätigkeit) haben Studierende im Erststudium eine zeitliche Gesamtbelastung von 42 Stunden in der Woche. Studierende, die nicht jobben, investieren während der Vorlesungszeit im Mittel 39 Stunden in das Studium. Studierende aus bildungsnahem Elternhaus arbeiten anteilig seltener und bezogen auf den Zeitumfang auch weniger als Studierende aus einer bildungsfernen Herkunftsfamilie.

Auffallend ist noch:

Der Anteil der Studierenden im Erststudium, die sich in den Ingenieurwissenschaften immatrikulieren, ist gegenüber 2009 um vier Prozentpunkte gestiegen. Damit stellen die Ingenieurwissenschaften mit 22 % erstmals seit 1997 wieder die größte Fächergruppe dar. Der Anstieg geht vor allem auf die männlichen Studierenden zurück: Jeder dritte Student ist in einem ingenieurwissenschaftlichen Fach eingeschrieben (33 %).



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