Die Mär von hohen Lohnnebenkosten
Die Behauptung, die Lohnnebenkosten in Deutschland seien zu hoch und
würden weiter steigen, ist laut Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftlichem Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung als
Mär widerlegt.
"Unsere aktuelle Studie zeigt, dass die immer wieder genannten Zahlen
auf fragwürdigen Rechenkonzepten basieren," sagt Dr. Claus Schäfer im
WSI. Tatsächlich lägen die Lohnnebenkosten seit 1988 trotz der deutschen
Einigung fast unverändert bei ca. 46 Prozent - und nicht wie
insbesondere von Arbeitgeberbeseite behauptet bei 82 Prozent.
Die genannten 82 Prozent, die als "zweite" Lohnlast bei den Unternehmen
ausgegeben werden, beruhten auf einem "rechnerischen Konstrukt, das so
weder in der betrieblichen Kostenstatistik noch in der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in Gebrauch oder von Belang ist,"
sagt Claus Schäfer. Dieses komme zustande, indem von dem an die
Beschäftigten ausgezahlten Arbeitseinkommen alle Bestandteile für Zeiten
von Urlaub, Krankheit, gesetzliche Feiertage abgezogen und zu den
Nebenkosten gezählt werden - und zwar zusätzlich zu gesetzlichen
Sozialversicherungsbeiträgen, tariflichen Sonderzahlungen und
betrieblichen Sozialleistungen im engeren Sinne. Im Ergebnis mache das
so gekürzte "Entgelt für geleistete Arbeitszeit" nur noch 80 Prozent des
tatsächlich ausgezahlten Lohnes aus und nur noch 55 Prozent aller
faktisch angefallenen Lohnkosten zusammen. Gleichzeitig aber wachsen
automatisch die Anteile aller echten und "unechten" Lohnnebenkosten,
wenn dieses "bereinigte" Entgelt als Referenzbasis zu 100 Prozent
gesetzt wird. Wähle man dagegen den an die Beschäftigten ausgezahlten
laufenden Monatslohn (ohne anteilige Sonderzahlungen) als Grundlage, so
machen die Lohnnebenkosten nur 46 Prozent aus.
Zwar stamme die letzte amtliche Erhebung der Nebenkosten aus dem Jahr
1996. Doch gebe es für eine spürbare Veränderung der Kostenniveaus bis
heute keine Anzeichen. "Stattdessen aber wachsen die Bedenken gegen das
Erhebungs- und Berechnungskonzept," erklärt Schäfer. "Die dem "Entgelt
für geleistete Arbeitszeit" zugrunde liegende internationale Konvention,
die auch vom Statistischen Bundesamt genutzt wird, ist vor Jahrzehnten
getroffen worden, um Arbeitskosten international vergleichbar zu machen.
Aber schon von Anfang an krankte die Vergleichbarkeit daran, dass nur
beitragsfinanzierte, nicht aber steuerfinanzierte öffentliche
Sozialleistungen erfasst werden können." In Ländern, die einen hohen
oder sogar überwiegenden Teil ihrer Sicherungssysteme mit Steuern
finanzieren, würden die Lohnnebenkosten systematisch zu niedrig
ausgewiesen.
Schließlich leide die Aussagekraft der deutschen Arbeitskosten, weil sie
nur auf Basis von rund 10 Prozent aller Beschäftigten aus überwiegend
industriellen Bereichen erhoben werden. Die meisten
Dienstleistungsbereiche würden mit dem Konzept nicht erfasst.
All dies seien Gründe, nach einem neuen Erhebungs- und
Berechnungskonzept für Lohnnebenkosten zu suchen. In der vorgelegten
Studie werden einige Vorschläge für ein solches neues Konzept gemacht.
"Mit ihm würde sich auch die irreführende Polemik unterbinden lassen ,
die mit dem alten Konzept bis heute betrieben wird," so der
WSI-Forscher.
Weitere Informationen finden Sie unter:
http://www.boeckler.de/baktuell/index.cgi?pdienstsingle=1&pid=247
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