Lebenshilfe Kleve: Lohnraub, Streik, Kündigung
Sozialmafia am Niederrhein behält öffentliche Gelder ein und weigert sich Tarif zu zahlen
Im Landkreis Kleve tut sich Unerhörtes. Das ist wörtlich gemeint. Obwohl hier rund 90 Erzieherinnen seit dem 08.01.2014 unbefristet streiken und deshalb seit über drei Wochen vier Kitas geschlossen bleiben, wovon rund 200 Kinder samt ihren Eltern betroffen sind, hat dieser Arbeitskampf bisher kaum eine überregionale Öffentlichkeit. Dabei ist dieser Skandal, der nach dem Arbeiter Samariter Bund (ASB) und der Arbeiterwohlfahrt (AWO) nun einen weiteren "sozialen" Konzern in unsere Presseschau bringt, möglicherweise eine Art Präzedenzfall. Denn es fehlt offenbar eine gesetzliche Handhabe, die es verbietet, Gelder, die von Land und Kreis für den Lohnanteil an Kita-Betriebskosten bereit gestellt werden, anderweitig zu verwenden. Hier besteht möglicherweise ein probates Schlupfloch für Abzocke durch soziale Träger und deren üppig bezahlten Geschäftsführer.
Was hier ebenfalls zu bestaunen ist: Klüngel und Ämterhäufung in der provinziellen Abgeschiedenheit. Die Lebenshilfe am Niederrhein ist fest mit lokalen Honoratioren verwoben. Zu wessen Vorteil wohl? Wahrscheinlich nicht zum Vorteil von Kindern, Eltern und Betreuer_innen.
In den Streik traten zunächst die Kinder-Tagesstätten der Lebenshilfe in Kranenburg, Kranenburg-Nütterden, Bedburg-Hau und Uedem. Seit ihrem Eröffungstermin am 20. 01. 2014 haben sich auch die Beschäftigten der Lebenshilfe-Kita in Bedburg-Hau, obwohl noch in der Probezeit, dem Streik angeschlossen.
Die Betriebskosten der Kitas werden zu 100% getragen
Der Anlass des Arbeitskampfes scheint banal: die Erzieherinnen wollen in Anlehnung an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes bezahlt werden (TVöD, siehe hier) . Im Jahr 2013 gab es bereits Warnstreiks, um der Forderung Nachdruck zu verleihen.
Lebenshilfe-Geschäftsführer Hermann Emmers lehnt eine Lohnerhöhung aus Kostengründen ab, obwohl die Betriebskosten der Kitas zu 91% vom Land NRW und zu 9% vom Kreis getragen werden. Die Lohnkosten, die in die Betriebskosten eingerechnet sind, sind an den TVöD angelehnt. Das heißt, dass die Lebenshilfe die Löhne für die Beschäftigten seit Jahren in Höhe des TVöD einstreicht, die Gelder jedoch nicht an die Erzieherinnen weiterreicht. Harald Hüskens von ver.di sagt, dass den Beschäftigten damit monatlich zwischen 30 und 400 Euro vorenthalten werden (schreibt RP-online).
Prima Sache: Gewerkschaft zahlt Streikgeld Lebenshilfe behält Lohn
Selbst am Streik scheint die Lebenshilfe im Kreis Kleve gut zu verdienen. Dies ist in einer Anfrage SPD-Franktion des Landkreises auf Lokalkompass nachzulesen:
Während der Streikzeiten erhalten die betroffenen Arbeitnehmer kein Gehalt von der Lebenshilfe, sondern Streikgelder als Lohnersatzleistung von der Gewerkschaft. Gleichwohl erhält die Lebenshilfe weiterhin die monatlichen Betriebskostenzuschüsse nach den festgesetzten Bewilligungsbescheiden des Kreises Kleve. Um es kurz auf einen Nenner zu bringen: Die Lebenshilfe verdient zurzeit am Streik!
Filz + Klüngel: Vorstand der Lebenshilfe ist gleichzeitig Landrat
Verdi-Vertreter Harald Hüskens bemerkt ganz richtig, dass der Kreis dazu verpflichtet ist, ausreichend Kita-Plätze zur Verfügung zu stellen. Wenn sich die Lebenshilfe, trotz 100% Deckung der Betriebskosten nicht in der Lage sieht, die Kitas zu unterhalten, wenn die Beschäftigten nach dem TVöD bezahlt werden wollen, müsste also der Kreis einspringen. Ein Machtwort könnte hier z.B. der Landrat Spreen sprechen, der sich jedoch aufgrund seiner Ämterhäufung in einem Interessenskonflikt sehen dürfte. Denn Landrat Wolfgang Spreen (CDU) ist zugleich ehrenamtlicher Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Lebenshilfe. Eine Beschwerde bei der nächsten Instanz scheint sinnlos, denn Spreen ist auch Mitglied des Landesvorstandes der Lebenshilfe NRW.
Was tun bei Streik? Lebenshilfe macht Kitas dicht
Jetzt, wo diese Geldbeschaffungs-Maschinerie ins Stocken kommt, haben Wolfgang Spreen und Kollegen, deren Verhalten bisher von der Lebenshilfe scheinbar kritiklos getragen wird, aber sowieso keine Lust mehr auf soziale Arbeit und das Betreiben von integrativen Kitas. Kurzerhand wurde den Beschäftigten am 31.01.2013 der Beschluss der Gesellschafterversammlung (Vorsitz Wolfgang Spreen) der Lebenshilfe Kleve gGbmH mitgeteilt, dass die Lebenshilfe die Trägerschaft der Kitas aufkündigt (Lokalkompass). Der Streik geht indes weiter. Marc Hessling, von ver.di mit der Interessensvertretung der Streikenden beauftragter Anwalt, geht davon aus, dass die rund 90 Erzieherinnen gekündigt werden (Lokalkompass).
Elterninitiativen als Ersatz-Träger? Mit Lebenshilfe als Vermieter?
Verständlich, dass sich unter den bisher solidarischen Eltern mittlerweile Panik breit macht. Viele Eltern, zum Teil Eltern von Kindern mit besonderem Assistenzbedarf, haben schon in den letzten Wochen enorm unter dem Streik gelitten. Nur ein Bruchteil der Kinder konnte in Notgruppen untergebracht werden. Der ganz überwiegende Teil der Eltern ist jedoch auf sich selbst gestellt und kämpft mit zum Teil erheblichen und sogar existentiellen Problemen. Jetzt müssen sich die gestressten Eltern fragen, ob sie nicht selbst Träger werden wollen. Eine arbeits- und zeitintensive Herausforderung, zumal hohe Mietkosten zu bewältigen sind. Vermieter der Kita Kranenburg ist Haus Freudenberg. Hauptgesellschafter der Haus Freudenberg GmbH ist mit 68,4% , Sie ahnen es schon, die Lebenshilfe (WAZ).
In einer Stellungnahme von ver.di heißt es:
Man werde mit den Elternbeiräten in Ruhe über alternative Trägerschaften diskutieren, den Kreis und die Lebenshilfe aber nicht aus der Verantwortung entlassen. Die Lebenshilfe hat 2012 einen Überschuss von 200.000 Euro erwirtschaftet und verfügt über Rücklagen von über elf Millionen Euro.
Verhandlungsansätze scheiterten unter anderem, wie auf rp-online nachzulesen ist, weil die Lebenshilfe eine Moderation durch Josef Neumann SPD-Landtagsabgeordneter, langjähriger Gewerkschaftsfunktionär und Geschäftsführer der Lebenshilfe Solingen als Moderator ablehnte. Der Geschäftsführer der Klever Lebenshilfe, Hermann Emmers, fand dafür folgende Begründung: Josef Neumann sei wegen seiner politischen Nähe zur Gewerkschaft als Moderator nicht akzeptabel. Überhaupt lehne er grundsätzlich die Einschaltung eines Moderators ab, da die dazu nötige Einigung zu lange Zeit in Anspruch nehmen würde. Nun scheint man zu glauben, dass der Weg über die Gerichte weniger zeitintensiv sei. Aber, so Mark Hessling: "Das wird sie (die Lebenshilfe A.d.R.) ein Schweinegeld kosten."
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