Was treibt Gewerkschaften angesichts der beginnenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD um? Hungerlöhne und Zeitverträge? Das nach wie vor bestehende Lohngefälle zwischen West und Ost? Die zunehmende Verarmung der Rentner?
Die Industriegewerkschaften Bergbau, Chemie, Energie und Metall IG BCE und IG Metall haben andere Sorgen. Sie streiten für die Konkurrenzfähigkeit deutscher Konzerne. Ganz so, als ob diese ernsthaft in Gefahr wäre, als ob nicht viel mehr der hiesige notorisch hohe Außenhandelsüberschuß für erhebliche Ungleichgewichte innerhalb der EU im Besonderen und der Weltwirtschaft im Allgemeinen sorgen würde.
Um was geht es? Die beiden Gewerkschaften haben am Mittwoch gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) eine Erklärung zur Energiewende verabschiedet, die es in sich hat. Im Namen der Wettbewerbsfähigkeit wird dort der Bau neuer Kraftwerke, die Zentralisierung der Energiepolitik und letztlich die Abkehr von politischen Zielvorgaben für den Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energieträger gefordert. Alle Energieträger müßten sich am Markt behaupten, heißt es.
Für den Investitionsstau bei den Höchstspannungsleitungen werden vermeintliche politische Unwägbarkeiten verantwortlich gemacht und nicht etwa die Liberalisierung des Strommarktes, in deren Folge die Netzgesellschaften seit Beginn des Jahrtausends auf Kosten der Instandhaltung den maximalen Gewinn aus der Infrastruktur herausholten. Damit beteiligen sich nun auch zwei große Gewerkschaften an der seit über einem Jahr laufenden Kampagne von Unternehmerverbänden, Stromkonzernen und Lobbyorganisationen wie der »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft«, die ihre Hauptaufgabe ansonsten vor allem im Kampf gegen Arbeiterrechte sieht. Einmal mehr erweist sich der Standortnationalismus als Nasenring, an dem die Unternehmer die Gewerkschaftsbewegung wie einen Tanzbären über den Marktplatz führen.
Natürlich müssen als Begründung einmal mehr die Strompreise herhalten. Dabei haben die Verbände aber nicht die inzwischen für ärmere Haushalte drückend hohen Kosten im Sinn, sondern die wesentlich günstigeren Unternehmenstarife. 2012 haben Industriekunden, sofern sie nicht von den zahlreichen Vergünstigungen profitierten, im Durchschnitt nur 13,87 Cent pro Kilowattstunde bezahlt, Privatkunden hingegen 25,74 Cent. Der energieintensiven Industrie, die den beiden Gewerkschaften ein besonderes Anliegen ist, wurden nur 9,3 Cent pro Kilowattstunde elektrischer Energie berechnet. Damit lag sie unter dem Durchschnitt dessen, was Großverbraucher in der EU bezahlen. Es geht also nicht um die Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen, sondern um den Ausbau des Vorsprungs der deutschen Industrie vor ihren europäischen Konkurrenten. Wer braucht eigentlich solche Tanzbären, äh, Gewerkschaften?
Danke junge Welt
Quelle: http://www.jungewelt.de/2013/10-24/032.php
Erscheinungsdatum des Originalartikels: 24/10/2013
Artikel in Tlaxcala veröffentlicht: http://www.tlaxcala-int.org/article.asp?reference=107
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