Auf einer Bank an einer südfranzösischen Promenade mit Blick auf das hier immer blaue Meer unter einem ebenso blauen Himmel spielt ein Mann auf der Guitarre Chansons und fordert Vorbeigehende zum gratis Mitsingen auf. Einige tun das. Es ist ein sentimentaler Eindruck aus dem alten Frankreich, das in seinen letzten Zügen zu liegen scheint.
In den Abendnachrichten kommen immer wieder Bilder von Arbeitern, die ihre in die Pleite gerutschten Industriebetriebe gegen den Zugriff der Gläubiger zu verteidigen suchen, um ihre Arbeitsplätze zu erhalten. Die Arbeitslosenquote ist auf 11 % angestiegen, bei Menschen unter 25 Jahren sogar auf fast 26 %. Dabei ist die französische Industrie der deutschen weit unterlegen. In Deutschland steigern fünfmal mehr Industrieroboter die Produktivität als in Frankreich. Schon das zusammen mit in Deutschland seit 2000 real stagnierenden Löhnen bedeutet unschlagbare Konkurrenz. Immer mehr Arbeitsplätze gehen nach Deutschland (und China) verloren. Um das zu verhindern, hätte Frankreich längst eine eigene Währung abwerten müssen.
Auch in der Landwirtschaft kriselt es. Nach Krebs und Kreislaufleiden ist Selbstmord zur häufigsten Todesursache unter Bauern geworden. Jeden zweiten Tag bringt sich einer um. Finanzielle Probleme werden als häufigster Grund genannt. Das geht an die französische Seele, der die Landwirtschaft und die "vie agricole" immer noch sehr am Herzen liegt.
Der rechtsextreme Front National der Marine Le Pen gewinnt in dieser Lage immer mehr an Boden. Er liegt in den Umfragen zu den anstehenden Gemeindewahlen schon vor allen anderen Parteien. Jetzt wirbt Fillon, der frühere Ministerpräsident unter Sarkozy und selbsternannte Kandidat für die nächsten Präsidentschaftswahlen, für eine Allianz seiner konservativen UMP mit dem FN. Nach Umfragen ist fast jeder dritte Franzose für eine solche Verbindung.
Marine Le Pen ist gegen eine "wilde" Globalisierung und gegen den Euro. In ihrer Pressekonferenz vom Juli warf sie der Regierung vor, Öl in das Feuer einer wilden Globalisierung zu werfen, und trat erneut für eine konzertierte Auflösung des Euro und französische Schutzmaßnahmen, wie Zölle und Einfuhrkontingente, ein:
"Ein europäischer Protektionismus nützt nicht, denn das Wesentliche der unfairen Konkurrenz spielt sich heute innerhalb der Europäischen Union ab, mit Deutschland, das den Euro gebraucht, und mit Osteuropa, mit den unakzeptablen Unterschieden in der Produktivität und den Löhnen. Die Krise ist überhaupt nicht hinter uns; sie ist noch voll vor uns. Portugal, Italien, Griechenland, Spanien und auch Frankreich, denn es ist Opfer einer Politik der Austerität, die die Defizite erhöht und die Schulden."
Das sind Eindrücke aus einem Frankreich, das sich - auch durch Deutschland - zunehmend an die Wand gedrückt fühlt. Hier werden starke Signale gesetzt, für die die oft selbstgerechte deutsche Politik, die deutschen Medien und die deutsche Öffentlichkeit dennoch bisher keine Antennen haben. Jedenfalls wird der Euro immer mehr zun Spaltpilz der europäischen Integration
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