Dienstag, 23. Oktober 2012

seit der Euro-Krise tummelt sich eine neue Strömung rechts der CDU, die am ehesten als "wirtschafts-rechts" charakterisiert werden kann.


Eine neue wirtschafts-rechte Formation

 

von Frank Behrmann

Die "Wahlalternative 2013"

 
[via scharf-links.de]
 
http://scharf-links.de/40.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=29361&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=25212844c2
 

Die Bundestagswahlen stehen in einem Jahr an, und auch das rechte politische Spektrum sortiert sich. Neben den traditionellen Rechts-außen-Parteien (NPD, PRO) tummelt sich seit der Euro-Krise eine neue Strömung rechts der CDU, die am ehesten als "wirtschafts-rechts" charakterisiert werden kann.

Hier werden in erster Linie streng nationalistische Positionen zur Europa-Politik vertreten, bei denen es das Hauptanliegen ist, die verschiedenen EU-Rettungsschirme zu Fall zu bringen.

Eine dieser Truppen hat ihren Hut für die Bundestagswahlen in den Ring geworfen, "damit es bei der nächsten Wahl eine Wahl gibt!": Die "Wahlalternative 2013". Sie bekundet, "zur Bundestagswahl 2013 antreten (zu wollen), indem wir mit einer politischen Partei kooperieren, die unsere Ziele teilt. Alle anderen politischen Meinungsverschiedenheiten sind angesichts der heutigen Herausforderungen unbedeutend." Welche Partei das sein soll, wird offen gelassen.

Zunächst geben sie sich für die Probleme in Südeuropa aufgeschlossen: "Südeuropäische Staaten verarmen unter dem Wettbewerbsdruck des Euro. Ganze Staaten stehen am Rande der Zahlungsunfähigkeit. Strukturelle Reformen erweisen sich als undurchführbar oder stürzen die einfache Bevölkerung ins Elend." (Gründungsaufruf) Das erweist sich aber rasch als wohlklingende Attitüde, denn die Sorgen in anderen Ländern interessieren diese "Wahlalternative" überhaupt nicht!

Zügig kommen sie zu ihrem eigentlichen Anliegen, wenn sie der deutschen Politik vorwerfen: "Der Euro darf nicht in Frage gestellt werden, alle Schulden müssen bezahlt werden und der Zahlmeister ist Deutschland. Deutschland garantiert die Schulden fremder Staaten, rettet fremde Banken und gibt der Europäischen Zentralbank unbeschränkte Kredite über das Target-System. Hunderte von Milliarden Euro sind von der Bundesregierung bereits verpfändet worden und ein Ende ist nicht abzusehen."

Es geht also um die optimale Verwendung "deutschen" Geldes!

Daraus speisen sich die beiden Hauptforderungen, um die herum sich die "Wahlalternative" bilden möchte:

  1. Deutschland wird im Einklang mit dem Maastricht-Vertrag nicht mehr für die Schulden fremder Staaten eintreten.
  2. Das einheitliche Euro-Währungsgebiet wird aufgegeben.

Unterstützt wird dieser Aufruf von PublizistInnen und v.a. von etlichen WirtschaftswissenschaftlerInnen. Dabei sind auch Hans-Olaf Henkel, weitere hochrangige ManagerInnen a.D. und aus dem etablierten "Politikbetrieb" Personen aus der dritten Reihe. Die Professoren Karl Albrecht Schachtschneider und Joachim Starbatty waren auch schon beim seinerzeitigen "Bund Freier Bürger" dabei.

Der wirtschafts-rechte Froschteich

Die "Wahlalternative 2013" ist nicht die einzige Gruppierung, die sich darum bemüht, mit populistischen Parolen das verbreitete Unbehagen mit der Europapolitik der Bundesregierung auf ihre Mühlen zu leiten. So wurde die sog. "Bogenberger Erklärung" von gut 20 hochrangigen WirtschaftsführerInnen unterzeichnet; formuliert wurde sie unter Leitung des irrlichternden Hans-Werner Sinn. Für die südeuropäischen EU-Länder haben sie das alte Rezept parat: Sie müssten "die Löhne und Preise im Vergleich zu den Wettbewerbern" senken.

Um diese Erklärung versucht sich ein "Bündnis Bürgerwille" zu bilden als einer überparteilichen Sammlungsbewegung für die skizzierte aggressive Politik. Den Aufruf dieses Bündnisses haben ebenfalls um die 20 Personen erstunterzeichnet, unter ihnen Thilo Bode, ehemals Greenpeace, jetzt Foodwatch, oder Georg Milbradt, ehemaliger Ministerpräsident Sachsens.

Des Weiteren gibt es das "Aktionsbündnis Direkte Demokratie – Gegen den Euro-Rettungswahnsinn", nach Eigenauskunft ebenfalls eine "überparteiliche und überkonfessionelle Bürgerbewegung". In ihr sind nicht Einzelpersonen, sondern Vereine und Parteien zusammengeschlossen. Die "Partei der Vernunft", die "Deutsche Demokratische Partei" und die "Freie Union" versuchen, sich durch eine besonders geharnischte Beschimpfung der etablierten Politik von der Konkurrenz unterscheiden. So wird behauptet, die BundesbürgerInnen würden "in die Schuldsklaverei verkauft", oder "die Politik" wird "des Putsches gegen die eigene Verfassung" bezichtigt. (Vgl. Antifaschistische Nachrichten, 7/2012)

Ziel: Stärkung Deutschlands

Alle diese Zusammenschlüsse kommen über ein trotziges "Nicht-mit-unserem-Geld" und dem Wunsch nach einem noch brutaleren Umspringen mit den Schuldnerländern kaum hinaus. Ihr Ziel ist nämlich das gleiche wie das der Bundesregierung: der maximale wirtschaftliche Vorteil für Deutschland und seine Unternehmen. Dafür verlangen sie eine noch bedingungslosere Durchsetzung deutscher Interessen in der EU.

"Wahlalternative", "Bogenberger Erklärung", "Bündnis Bürgerwille" oder "Aktionsbündnis" sind allerdings kaum ein Störfaktor in der deutschen Politik, vielmehr tragen sie dazu bei, dass deutsche Kapital-Interessen im Inland popularisiert und als alleinige Richtschnur politischen Entscheidens anerkannt werden. Die Bundesregierung wird sie benutzen, um ihre Wünsche in den EU-Gremien mit dem Hinweis auf die heimische Stimmungslage, auf die sie Rücksicht nehmen müsse, durchzudrücken.

Bestand die bisherige Rolle der WirtschaftswissenschaftlerInnen in der Politikberatung – von kritischer Wissenschaft konnte nie die Rede sein –, so wird ihre Eignung dafür täglich von der Realität blamiert, und es wird deutlich, dass ihr gesamter Prognostik-Apparat nicht viel mehr als Kaffeesatzleserei ist. Diese Wissenschaftsmandarine versuchen nun, ihren Ruf als ExpertInnen in direkten politischen Einfluss umzumünzen.

Sie treibt die Sorge um ihre Stellung in Universitäten und Öffentlichkeit um, denn schon wird über eine dringend benötigte neue Generation WirtschaftswissenschaftlerInnen debattiert, weil die alte versagt habe. Das Handelsblatt (vom 19.10.) spricht von einer "Krise der Wirtschaftswissenschaft. Die Modelle und Theorien des Mainstreams haben die Probleme nicht vorhergesehen und können sie zuweilen nicht mal ansatzweise erklären."

So gesehen sind die neuen, aggressiv vorgetragenen politischen Ambitionen der alteingesessenen WirtschaftswissenschaftlerInnen auch eine Flucht nach vorn. Erfreulicher Weise dürfte diese Rechnung kaum aufgehen!


VON: FRANK BEHRMANN



Posted via email from Daten zum Denken, Nachdenken und Mitdenken

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