Volksentscheid
Bayern entscheidet sich für ein striktes Rauchverbot
(Die Welt)Das schärfste Rauchverbot in Deutschland kommt: 61 Prozent der bayerischen Wähler stimmten für das Erlöschen der Kippen in jeder noch so kleinen Kneipe.
Es soll ein Volksentscheid sein, der Schule macht: Bayerns Nichtraucher haben nach vierjährigem Hin und Her der Staatsregierung die Quittung für den Zick-Zack-Kurs der vergangenen Jahre erteilt und hoffen, dass weitere Bundesländer dem bayerischen Beispiel folgen. Eineinhalb Stunden nach Schließung der Wahllokale waren am Sonntagabend 70 der 96 Landkreise und kreisfreien Städte ausgezählt und fast überall lagen die Anhänger des vollständigen Rauchverbots weit vorn. Die Opposition deutet den Volksentscheid als schwere Niederlage des schwarz-gelben Regierungsbündnisses im Freistaat. Vom 1. August an gibt es keine Raucherräume mehr, und auch in der kleinsten Bierstube darf nicht mehr geraucht werden.
Schon bei der Auszählung des ersten Ergebnisses deutete sich ein triumphaler Sieg der Rauchgegner an: Im oberpfälzischen Kreis Weiden stimmten 63,2 Prozent für ein ausnahmsloses Verbot. "Ich werde anstoßen auf das Reinheitsgebot der bayerischen Wirtshausluft", jubelte Sebastian Frankenberger, der Cheforganisator der Nichtraucher-Kampagne, bei der Wahlparty im Münchner Wirtshaus Stemmerhof
Die FDP warnte am Abend vor Unfrieden in der Gesellschaft. "Ein totales Rauchverbot in der Gastronomie, die damit einsetzende Ausgrenzung der Gruppe der Raucher aus dem öffentlichen Raum birgt die Gefahr einer gesellschaftlichen Spaltung", erklärte Landtags-Fraktionschef Thomas Hacker. "Als gute Demokraten werden wir die Entscheidung selbstverständlich akzeptieren." Die FDP werde sich aber weiter "gegen einen Verbotsstaat stellen, für einen lebenswerten und toleranten Freistaat Bayern", erklärte Hacker in seiner Pressemitteilung.
Offen ist aber, inwieweit dieser Sieg die Meinung der bayerischen Bevölkerungsmehrheit widerspiegelt. Die Wahlbeteiligung war mit gut einem Drittel niedrig. Offensichtlich gelang es den Initiatoren des Volksentscheids weit besser, ihre Unterstützer zu mobilisieren als der überwiegend von Tabakindustrie und Gastronomie finanzierten Gegenkampagne "Bayern sagt nein". Es ist auch ein Sieg Davids gegen Goliath: Die Nichtraucher hatten einen Wahlkampf-Etat von etwa 70.000 Euro, die Raucher dank Industrie- und Verbandsspenden mit über 600.000 Euro fast das Zehnfache.
Die CSU und ihr Chef Horst Seehofer rühmen sich gerne der Kontinuität ihrer Politik. Die Geschichte des Rauchverbots ist das beste Beispiel, dass das christsoziale Selbstlob nicht ganz mit der Realität übereinstimmt. "Liebe Staatsregierung, lieber Herr Seehofer: Vielleicht sollten Sie öfter einmal das Volk entscheiden lassen. Wenn Sie einmal ein gutes Gesetz gemacht haben, stehen Sie dazu", spottete Ober-Nichtraucher Sebastian Frankenberger.
Denn in Bayern tritt nun innerhalb von gut zweieinhalb Jahren die mittlerweile dritte Gesetzesfassung des Rauchverbots in Kraft. Der Volksentscheid schließt einen Kreis: Die Ursprungsfassung des bayerischen Rauchverbots trat am 1. Januar 2008 in Kraft und verbot das Rauchen überall in Bayerns Wirtshäusern ließ aber ein Schlupfloch für geschlossene Gesellschaften. Landesweit erklärten sich daraufhin tausende von Wirtshäusern zu "Raucherclubs".
Danach kamen die schweren CSU-Verluste bei Kommunal- und Landtagswahl und die traumatisierte CSU beschloss mit dem ungeliebten Koalitionspartner FDP die Lockerung. Seit vergangenem Sommer war das Rauchen in Bierstuben, Festzelten und Nebenräumen größerer Wirtshäuser wieder erlaubt. Die Aufweichung des Rauchverbots war die Initialzündung für die Rauchgegner, die zuerst ein Volksbegehren und nun auch den Volksentscheid gewannen. Nun wird wieder das strenge Rauchverbot eingeführt ohne Ausnahme für Raucherclubs.
Doch offen ist, ob das Gesetz die endgültige Befriedung bringt - Wirte, Raucher und ihre Untertstützung warnen vor andauerndem gesellschaftlichem Unfrieden. "Ein totales Rauchverbot in der Gastronomie, die damit einsetzende Ausgrenzung der Gruppe der Raucher aus dem öffentlichen Raum birgt jedoch die Gefahr einer gesellschaftlichen Spaltung, die wir mit unserem Änderungsgesetz im vergangenen Jahr zu verhindern versucht haben", sagt FDP- Landtagsfraktionschef Thomas Hacker.
Offen ist aber auch, ob das weiß-blaue Qualmverbot nicht wieder nur auf (Zigaretten)-Papier stehen wird und sich quasi in Rauch auflösen wird: Denn viele bayerische Kommunen haben nie auch nur die leiseste Anstrengung unternommen, schon die bisherigen, weniger strengen Varianten des Rauchverbots durchzusetzen.
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