Donnerstag, 22. Juli 2010

Angst vor sozialem Abstieg in Japan -Ergebnisse einer Studie des Deutschen Instituts für Japanstudien


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland,
Gesche Schifferdecker, 21.07.2010 17:26

Angst vor sozialem Abstieg in Japan

Ergebnisse einer Studie des Deutschen Instituts für Japanstudien


Über gut drei Jahrzehnte waren Ungleichheit und Armut in Japan als
Themen fast vollständig ausgeblendet, jetzt wird die Zunahme
unsicherer Lebensverhältnisse vielfach diskutiert. Ein Land, das sich
bisher als homogene Mittelschichtgesellschaft wahrnahm, fühlt sich
gespalten. Die Mitte der Gesellschaft ist dabei plötzlich kein Thema
mehr. Sie scheint vielmehr gegenüber der Sorge, zu den sozialen
Verlierern zu gehören, in den Hintergrund zu treten.
Dass ein solcher Abstieg schnell tragisch enden kann, führen
zahlreiche Medienberichte über Working Poor und Net Cafe Nanmin fast
täglich vor. Entsprechend zeigen Ergebnisse einer repräsentativen
Bevölkerungsumfrage des Deutschen Instituts für Japanstudien (DIJ) im
September 2009, dass das Bewusstsein für soziale Entsicherung hoch
ist: 89 Prozent der Befragten meinen, dass soziale Notlagen
gegenwärtig zunähmen.
Das Risiko des sozialen Abstiegs wird aber nicht nur bei anderen
gesehen. Große Teile der Bevölkerung fühlen sich persönlich bedroht:
72 Prozent fürchten, ihr gegenwärtiges Einkommen nicht halten zu
können. 65 Prozent der Erwerbstätigen schließen ihren beruflichen
Abstieg in naher Zukunft nicht aus. Darüber hinaus gehen 85 Prozent
davon aus, im Alter ihre Ansprüche deutlich senken zu müssen.

Hoher Anteil subjektiv Armer

Ein Blick auf die objektive finanzielle Situation zeigt, dass solche
Ängste nicht unbegründet sind: Gut die Hälfte (52 Prozent) geben an,
keine Rücklagen für schlechte Zeiten zu haben. "Eine plötzliche
Krankheit oder auch allein ein Schulausflug der Kinder -
unvorhersehbare Ausgaben führen da schnell zu finanziellen Engpässen",
erklärt Carola Hommerich, Soziologin am DIJ und verantwortlich für die
Studie: "Über die Hälfte der Befragten empfindet es als ständige
Gratwanderung mit dem Geld zurechtzukommen, dass monatlich zur
Verfügung steht." 42 Prozent der Befragten, so Hommerich, bezeichnen
sich gar als arm.
Ein solch hoher Anteil subjektiv Armer ist nicht direkt mit der
objektiven relativen Armutsrate vergleichbar, die im Oktober 2009
erstmals von der japanischen Regierung veröffentlicht wurde und bei
15,7 Prozent lag. Dennoch verdient er Beachtung, denn er zeugt von
erlebten finanziellen Einbußen und Verunsicherung. Auch in der in der
DIJ-Befragung verwendeten Kategorisierung ordnen sich zwar noch 74
Prozent der Japaner in der Mitte der Gesellschaft ein (Abb. 1). Im
Vergleich zu vor 10 Jahren haben aber 37% subjektiv einen sozialen
Abstieg erlebt.

Wer aber hilft im Notfall? Die Erwartungen an den Staat sind eher
gering. Nur 16 Prozent der Befragten vertrauen darauf, dass sie in
einer Notsituation von einer staatlichen Institution unterstützt
werden. Im Alter durch den Staat ausreichend abgesichert fühlen sich
gerade einmal 7 Prozent. Insgesamt haben fast drei Fünftel Angst vor
der Zukunft.

Vergleich mit anderen wichtiger als objektive Lage

Angst und Verunsicherung ziehen sich durch die ganze Gesellschaft: Die
DIJ-Studie zeigt, dass nicht nur prekäre, sondern auch gut situierte
Gruppen Angst vor finanziellen und sozialen Einbußen haben. Die Stärke
der Angst vor sozialem Abstieg wird nicht maßgeblich durch die
objektive Lage der Individuen beeinflusst. Stärker ist dagegen der
Zusammenhang mit der subjektiven Schichtzugehörigkeit. Die
Abstiegsangst ist größer, je niedriger man sich selber in der
Gesellschaft einordnet. Aber auch diejenigen, die sich in der Mitte
der Gesellschaft sehen, haben überdurchschnittlich hohe Abstiegsangst
und gerade die untere Mitte bangt um ihre Zugehörigkeit zur
Mittelschicht.

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:
Dr. Carola Hommerich
Deutsches Institut für Japanstudien (DIJ)
Jochi Kioizaka Bldg. 2F
7-1 Kioicho
Chiyoda-ku, Tokyo 102-0094
Japan
Ph. +81 (0)3 3222-5285
Fax: +81 (0)3 3222-5420
Email: hommerich@dijtokyo.org
<www.dijtokyo.org>

Dr. Carola Hommerich, Soziologin am Deutschen Institut für
Japanstudien (DIJ) im Forschungsschwerpunkt "Glück und Unglück in
Japan", ist verantwortlich für Konzeption, Durchführung und Analyse
der zitierten Befragung. Die Studie ist Teil eines deutsch-japanischen
Vergleichs, der in Kooperation mit Prof. Dr. Heinz Bude und Prof. Dr.
Ernst-Dieter Lantermann von der Universität Kassel durchgeführt wird.

Arten der Pressemitteilung:
Forschungsergebnisse
Forschungsprojekte

Sachgebiete:
Gesellschaft
Politik
Wirtschaft

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dijtokyo.org/research/comparatively_happy


Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/pages/de/news380287

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution787

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