Donnerstag, 7. August 2014

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Geschönte Statistik

Sächsische Staatsregierung blendet rechte Motivation bei einigen Tötungsdelikten weiter aus.

Linke-Abgeordnete fordert Aufklärung

Von Markus Bernhardt
 
[via Junge Welt]
 
 
 
 
 
Schon seit Jahren hält Kerstin Köditz, die Sprecherin für antifaschistische Politik der sächsischen Linksfraktion, die Regierungsfraktion in Dresden auf Trab. Der Kampf gegen Neonazis wird in ihren Augen – wenn überhaupt – bestenfalls träge geführt. Wieder einmal ist es der 1967 in Leipzig geborenen Landtagsabgeordneten gelungen, der Staatsregierung, die derzeit von CDU und FDP gestellt wird, die Verharmlosung rechter Gewalt nachzuweisen. Insgesamt sieben sogenannte kleine Anfragen hatte Köditz kürzlich in den parlamentarischen Betrieb eingebracht, um in Erfahrung zu bringen, warum bei mehreren Tötungsdelikten in der Vergangenheit der meist offensichtliche neofaschistische Tathintergrund von den Behörden verschwiegen werde. Nun liegen die Antworten der Staatsregierung vor. Daraus wird ersichtlich, daß sich die Behörden im Gros der Fälle noch immer weigern, die Toten als Opfer rechter Gewalt in den polizeilichen Statistiken zu führen. Allein zwei Vorgänge werden noch geprüft.

In ihren Anfragen hatte Köditz bei der Staatsregierung insgesamt sieben Vorgänge abgefragt, die laut Einschätzung von Beratungsstellen und Zivilgesellschafts-Initiativen rechter Gewalt zuzuordnen sind. Darunter findet sich beispielsweise der Fall des Wohnungslosen André K., der im Mai 2011 in Oschatz getötet wurde. Die Tat hatte wegen der großen Brutalität Schlagzeilen gemacht. Außerdem wurden zwei der Tatbeteiligten der örtlichen Neonaziszene zugerechnet. Für die Staatsregierung trotzdem kein von Neofaschisten begangenes Delikt.

Sie bleibt vielmehr ihrer Linie treu und sieht nach wie vor keinen Grund, die von Köditz auf die politische Agenda zurückgeholten Tötungsdelikte nachträglich anders zu bewerten. Damit blende die Regierung »Fakten aus und nimmt es hin, daß solche Taten entpolitisiert werden«, lautet daher ein Vorwurf der Abgeordneten.

»Die gravierende Diskrepanz zwischen der offiziellen Zählung der Todesopfer rechter Gewalt und den Recherchen von zivilgesellschaftlichen Initiativen und kritischen Journalisten ist schon lange augenfällig. Mir sind etliche Fällen in Sachsen bekannt, in denen die Hintergründe darauf hindeuten, daß eine rechte Tatmotivation vorlag – aber die Opfer tauchen in keiner Statistik auf«, so Köditz am Donnerstag im Gespräch mit jW.

Als weiteres Beispiel führte Köditz auch den Fall von Gerhard Helmut B. an. Der 19jährige wurde im Dezember 1997 in Leipzig von mehreren Personen angegriffen und schwer mißhandelt, er erlag seinen Verletzungen. Später wurden drei Täter unter anderem wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt. Einer von ihnen hatte gegenüber einer Zeugin wörtlich gesagt: »Der war doch nur ein Jude«. »Offenbar hält die Staatsregierung das für eine ganz unpolitische Äußerung, die mit der Tat nichts zu tun hat«, konstatiert Köditz.

Auch der Fall des 18jährigen Thomas K., der im Oktober 2003 in Leipzig getötet wurde, sei so ein Beispiel. Im Urteil gegen den Täter hieß es, daß dieser einer Gruppierung mit »ersichtlich rechtsnationaler Gesinnung« angehörte und sein Opfer dem Feindbild entsprochen hätte.

»Daran gibt es wenig zu deuten. Aber auch das genügt der Staatsregierung nicht«, so Köditz, die den Vorwurf erhebt, daß die sächsischen Regierenden »nach wie vor ihre Augen vor den tödlichen Folgen rechter Ideologien verschließen«. So setze sich das »Verschweigen und Vertuschen, das wir nicht erst seit dem NSU-Skandal kennen, immer weiter fort«, kritisiert Köditz. Der Grund dafür liegt für sie auf der Hand: »Wenn man die nicht anerkannten Fälle hinzuzieht, nimmt Sachsen einen unrühmlichen Spitzenplatz in der bundesweiten Statistik ein. Ähnlich viele Fälle rechter Tötungsdelikte, wie sie allein in Leipzig seit 1990 vorkamen, gibt es sonst nur in Berlin.« Köditz kündigte an, daß ihre Fraktion das Thema nach der Landtagswahl, die in Sachsen am 31. August stattfindet, erneut auf die Tagesordnung setzen werde.

www.kerstin-koeditz.de


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