Tödliche Polizeikugeln Wenn psychisch Kranke Opfer sind
[via Nachdenkseiten]
Am Vormittag des 28. Juni 2013 kommt es zu dem Vorfall, der auch international für Aufsehen sorgt: Im Zentrum Berlins erschießt ein Polizist einen nackten Mann, der im Neptunbrunnen badet, mit einem Messer hantiert und sich für den Messias hält. Ohne Warnschuss, gezielt in den Oberkörper.
Einen Kranken, der eigentlich Hilfe brauchte. Dennoch wird das Ermittlungsverfahren gegen den Schützen schnell eingestellt. Begründung: Notwehr. Kein Einzelfall.
Alle zehn Tage schießt in Deutschland ein Polizist gezielt auf einen Menschen, sagt die Statistik. Allein im letzten Jahrzehnt starben in Deutschland rund 80 Menschen durch Polizeikugeln.
Was die offiziellen Zahlen nicht preisgeben: Rund zwei Drittel der Getöteten sind nicht etwa Schwerstkriminelle, sondern Verwirrte oder Menschen in psychischen Ausnahmesituationen. Viele dieser Opfer hätten nicht sterben müssen, wenn sich Polizisten angemessen verhalten hätten.
Doch oft fehlt es an Erfahrung. Seit Jahren beklagen Polizeiwissenschaftler Ausbildungsdefizite, Mängel bei der Fähigkeit, Situationen richtig einzuschätzen, eine fehlende ausgefeilte Strategie im Umgang mit psychisch Kranken. Statt eingeübter Besonnenheit zeigten Beamte vielfach einen polizeitypischen Jagdtrieb, der Situationen erst eskalieren lasse. Das sich stets wiederholende Muster: Polizisten wollen einen "Verwirrten" stellen und erschießen ihn schließlich in "Notwehr" in einer Situation, in der die meisten Opfer laut Medizinern und Psychiatrieerfahrenen selbst in Panik sind und aus ihrer Sicht ebenfalls in Notwehr handeln.
Quelle: rbb
Anmerkung Orlando Pascheit:
Die Sendung lief gestern 21:00 21:45. Sie dürfte demnächst in der Mediathek des rbb stehen. Ein Interview mit dem rbb-Reporter Norbert Siegmund hier. Ein Text zum Thema mit Verweisen auf das Ausland ist in der Zeitschrift Psychiatrische Praxis 2014; 41(01): 50-52 erschienen Ich möchte einmal ganz naiv fragen: Was für eine Schießausbildung erhalten Polizisten?
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