Freitag, 3. Juli 2015

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Firmenich: 2 Strafanträge gegen Personalchefin

von Jessica Reisner
 
[via arbeitsunrecht.de]
 
http://arbeitsunrecht.de/firmenich-2-strafantraege-gegen-britta-maria-janssen/
 
 

Schlimmer Verdacht: Ist Britta Maria Janssen kriminell? Was sind die Motive der Konzernspitze?

Solidarität mit dem Betriebsrat bei Firmenich! Der nächste Gerichtstermin findet vor dem Arbeitsgreicht Köln (Pohligstraße 9, 50969 Köln) am 22. September 2015 um 11.00 Uhr in Saal 102 statt. (Aktenzeichen ArbG Köln 14 BV 84/15). Wer Union Buster Peter Wallisch mal live erleben will, hat hier die Gelegenheit. (Foto GNU-Lizenz, CC Tubifex)

Update zum Betriebsrats-Bashing beim Parfümhersteller

Der milliardenschwere Schweizer Konzern Firmenich stellt künstliche und kunstvolle Gerüche her. Damit wird vom roten Haribo-Gummibärchen bis zum Lidl-Waschmittel aus den Dalli-Werken alles versetzt, was schon beim Öffnen der Verpackung Aromen und Parfüme frei setzen soll.

Während auf der Website der Firma für „Happyness and Well-Being" durch olfaktorische Beeinflussung beworben wird, geht die Geschäftsleitung hinter den Kulissen mit härtesten Bandagen gegen Betriebsratsmitglieder vor. Seit unserem ersten Artikel vom April 2015 ( „Firmenich: der faule Duft des Union Busting") hat sich Personalchefin Britta Maria Janssen aus Erkelenz mittlerweile zwei Strafanträge nach §119 Betriebsverfassungsgesetz eingehandelt.

Damit muss sie nun persönliche Konsequenzen fürchten: Auf Behinderung der Betriebsratsarbeit steht bis zu einem Jahr Gefängnis. [1]

Im Fokus des aggressiven Vorgehens von Britta Maria Janssen und (Un-)Rechtsanwalt Peter Wallisch stand zunächst der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Nikola P.  Mit Wellen konstruierter Abmahnungen und einem Zustimmungsverfahren zu seiner Kündigung sollte offenbar ein Exempel statuiert werden.

Sie erreichten, dass die Belegschaft nach allen Regeln der Kunst aufgehetzt und gespalten, die Atmosphäre vergiftet wurde. Der amtierende Betriebsrat geriet in die Krise, weil ein Mitglied das Handtuch warf und kein Ersatzmitglied mehr zur Verfügung stand,  – ein Grund war nach glaubhaften Darstellungen aus dem Betrieb auch, dass eine Stellvertreterin mit befristeten Verträgen durch Nicht-Verlängerung kalt entsorgt worden sein soll. Dadurch brach der Betriebsrat zusammen und Neuwahlen stehen ins Haus. (Andere Stimmen aus der Firma bestreiten diese Darstellung, allerdings ohne weitere Fakten zu nennen. Siehe Kommentare)

Hans Peter Riegel aus Bonn aromatisiert seine roten Gummibären mit einem Duftstoff des Parfümherstellers Firmenich. Abnehmer ist unter anderem Aldi-Süd. (Foto Jessica Reisner)

Aufstand der roten Gummibärchen. Haribo aromatisiert sie bislang mit einem Duftstoff aus dem Hause Firmenich. (Foto J. Reisner)

Vorausgegangen war die gezielte Anwendung einer der miesesten Union Busting-Methoden (was ist das?), die im Vorgehen gegen gewählte Arbeitnehmervertreter üblich sind: Führungskräfte sollen Beschäftigte unter Druck gesetzt haben, eine Unterschriftensammlung gegen den Betriebsrat zu unterzeichnen. Nun drängt Personalchefin Janssen höchstpersönlich auf schnelle Neuwahlen. Das ist eher ungewöhnlich.

Soll ein gelber Betriebsrat installiert werden?

Die Vorsitzende des Wahlausschusses, Betriebsratsmitglied Maria B., pocht allerdings auf die gesetzesgemäße Durchführung der Wahl. Mit Hilfe des Anwaltes Philip Stühler-Walter stellte der Wahlausschuss nach §7 und §5 Abs 3, 4 BetrVG in Verbindung mit §18 Sozialgesetzbuch IV fest, welche Personen wahlberechtigt sind und erstellte eine entsprechende Wahlliste. Wahlberechtigt sind alle Personen über 18 Jahren und die Auszubildenden ab dem ersten Tag der Betriebszugehörigkeit. Leiharbeiter dürfen mitwählen, wenn sie seit 3 Monaten im Betrieb sind.

Leitende Angestellte und Fat Cats von der Kandidatenliste gestrichen

Ausgeschlossen von der Kandidatenliste zur BR-Wahl sind dagegen leitende Angestellte. Ob ein Beschäftigter als leitender Angestellter einzustufen ist, macht sich daran fest, ob an ihn das Durchschnittsgehalt leitender Angestellter der jeweiligen Firma gezahlt wird. Oder daran, dass das Jahresentgelt das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch überschreitet. Dieser Betrag liegt derzeit bei einem Jahresentgelt von 102.000,- Euro.

Am Firmenich-Standort Kerpen sind demnach 9 Beschäftigte per BetrVG nicht dazu berechtigt an Betriebsratswahlen teilzunehmen. Darunter offensichtlich einige Personen, die das Management gerne im neu zu wählenden Gremium gesehen hätte. Als Krönung des Rechtsnihilimus soll die Personalchefin der Vorsitzenden des Wahlausschusses mit einem Strafantrag gedroht haben, sollten die von der Geschäftsleitung gewünschten Personen nicht noch auf der Wahlliste erscheinen.

Sowohl Maria B., die sich für korrekte Betriebsratswahlen einsetzt, als auch der freigestellte Nikola P. werden wieder kandidieren. Einige Beschäftigte, die angeben, die Liste gegen den Betriebsrat damals unter Druck unterzeichnet zu haben, kündigten hinter vorgehaltener Hand bereits an, ihr Kreuz dennoch wieder bei Nikola P. und Maria B. machen zu wollen.

Ein paar Fakten zu Firmenich

Für den CEO Patrick Firmenich und seine Verwandten, die das Unternehmen nunmehr in vierter Generation besitzen und von Genf aus leiten, arbeiten weltweit rund 6.000 Beschäftigte.  In der Aroma- und Duftstoff-Branche, die weltweit eine Oligopol-Struktur aufweist, ist Firmenich die Nr. 2. Jahresumtsatz 2009/2010: 2,84 Mrd. Schweizer Franken. (Quelle: Wikipedia.de) In Kerpen bei Köln ist der einzige Firmenich-Standort in Deutschland. Hier arbeiten nur rund 70 Beschäftigte vorwiegend für den Vertrieb der Produktpalette.

Pläne für den Standort unklar?

Patrick Firmenich wurde 2014 von der Unternehmervereinigung Swiss-American Chamber of Commerce (AmCham, Schweizerisch-Amerikanische Handelskammer) für seine Verdienste mit dem Albert Gallatin Preis geehrt. Die AmCham ist eine marktradikale Interessenvertretung, die für die Einschränkung von Arbeits- und Mitbestimmungsrechten nach US-Vorbild wirbt. Es ist sehr gut möglich, dass der Firmenich-Boss hier einen hardgekochten Stil im Umgang mit Betriebsräten näher gebracht bekommt sowie direkten Konktakt zu Union Busting-Dienstleistern erhält. (Bild: Ausschnitt Mitteilung zur Verleihung des Gallatin Awards 2014, screenshot vom 18. Juni 2015. Original:  AmCham.ch )

Firmenich hatte sich zwecks Bearbeitung des ungeliebten Betriebsrats zunächst von der als renommiert geltenden Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle beraten lassen. Nachdem das Mandat an die One-Man-Show des Hardcore-Arbeitsrechtlers Peter Wallisch ging, wurde es richtig schmutzig. CMS Hasche Sigle bemüht sich offenbar, nach außen das Image einer gediegenen internationalen Law Firm zu wahren. (Hinter den Kulissen waren CMS-Anwälte sowohl bei der Bekämpfung von Betriebsräten beim Kranhersteller Atlas in Delmenhorst (Fil Filipov), als auch UPS am Standort Köln-Bonn aktiv, wie das Buch „Die Fertigmacher" festhält). Peter Wallisch, der sich auch als Trainer und Vorstandmitglied des Vereins für integrierte Mediation e.V. ausgibt, steht dagegen offenbar gerne als Mann für's Grobe in der Öffentlichkeit. Er scheute bereits im Fall Götz Brot keine schmutzigen Methoden bei der skrupellosen Zerschlagung eines Betriebsrat.

Wozu das alles?

Eine Anti-Betriebsrats-Beratung durch die Kanzlei CMS Hasche Sigle, offenes Union Busting durch Peter Wallisch, Einigungsstellen und Mediationen: das alles schlägt teuer zu Buche. Wir fragen uns, was hinter diesem Manöver steckt. Es war keineswegs so, dass der Betriebsrat ins Fadenkreuz geriet, weil er empfindliche Forderungen gestellt hätte. Dazu kam das Gremium erst gar nicht, da seine Mitglieder sofort unter Beschuss gerieten. Der Grund für das aggressive Vorgehen muss also woanders ligen, sofern man davon ausgeht, dass hier keine mitbestimmungsfeindlichen Amokläufer am Werk sind (diese gibt es durchaus!), sondern kühl kalkulierende Geschäftsleute.

Verfolgen wir die zweite Option, so kommen wir zu folgenden Überlegungen: Soll der Standort in Kerpen geschlossen werden? Dann wäre ein Sozialplan mittlerweile auch kaum teurer, als die Kosten welche durch die meterdicken Schrift- und üppigen Stundensätze der Union Buster produziert wurden. Sollen Firmenteile oder gar die Firma verkauft werden? Dann ginge es hier um das berühmt-berüchtigte Aufhübschen der Braut, denn eine betriebsratsfreie Firma lässt sich auf den internationalen Kapitalmärkten, die nach US-amerikanischen Standards messen, leichter versilbern. Was Firmenich wohl nicht eingerechnet hat, ist ein möglicher Imageschaden.

Jene Beschäftigten, die vielleicht glauben, dass sie in Zukunft keinen konfliktbereiten Betriebsrat brauchen, sollten daher anfangen sich Gedanken zu machen. Denn nach einer Übernahme durch aggressive Finanzinvestoren kreist für gewöhnlich erst Recht der Hammer.

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Fußnoten

[1] Bei Geldstrafen wegen Verstößen gegen $119 BetrVG wird mit einem Tagessatz von einem Dreißigstel des Nettogehalts gerechnet. Bei bisher ausgeurteilten Fällen kamen zwischen 120 und 150 Tagessätze zusammen.




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