Montag, 21. März 2016

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 Großteile der zerbröselnden Mittelschicht neigen nach Rechts

von Harald Schauff

[via scharf-links.de]

http://scharf-links.de/41.0.html?&tx_ttnews[pointer]=5&tx_ttnews[tt_news]=55206&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=9e9c4cb68f

Durch das Zeitgedächtnis hallen die Worte des früheren Bundespräsidenten Roman Herzog: 'Es muss ein Ruck durch Deutschland gehen.' Inzwischen ruckelt es ganz gewaltig und der Ruck hat ganz schön Rechtsdrall. Nicht nur hierzulande, sondern in weiten Teilen Europas: Siehe Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Schweiz, Skandinavien, Polen, Ungarn ... Die andere Seite gibt es auch: Griechenland, Portugal und Spanien orientieren sich stärker nach Links. Der Spalt innerhalb Europas vertieft sich.

Wie kommt es zu diesem Rechtsdrall? Geläufige Erklärungen aus Politik und Medien lauten: Viele Bürger reagierten besorgt und verängstigt angesichts Flüchtlingsschwemme und Terrorgefahr. Sie fühlten sich nicht wahr-, nicht ernstgenommen, nicht verstanden und nicht mehr vertreten von ihren Wahlbeauftragten. Vordergründig mag das stimmen. Über den Hintergrund schweigt man lieber, so er überhaupt wahr- und ernstgenommen wird: Der große Riss, der die Gesellschaft spaltet, die wachsende Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen. Aus ihm wächst die Unzufriedenheit, der Unmut, die Wut auf 'die da oben'. Sie geht weniger von den armen und ausgegrenzten Bevölkerungsteilen aus als vielmehr von der an den Rändern ausdünnenden Mittelschicht.

Jene plagen massive Abstiegsängste. Traditionell herrscht hier die Tendenz vor, nach unten zu treten, auf sozial Schwache, denen es angeblich besser geht als einem selbst, weil sie rundum versorgt würden, ohne etwas dafür zu leisten, während man selbst gezwungen sei zu arbeiten. Diese Klischees werden inzwischen verstärkt auf Flüchtlinge übertragen. Zusätzlich kreidet man ihnen die andere Herkunft an und stellt sie pauschal unter Terrorverdacht. Bevor man denen das 'Geld hinterherwerfe', solle man sich lieber um die 'eigenen Leute' in Not, vorrangig von Obdachlosigkeit Betroffenen, kümmern. Sozial Schwache werden gegen Flüchtlinge ausgespielt. Die Wirtschaftslobby greift die Vorlage dankbar auf und versucht einen Konkurrenzkampf zwischen Erwerbslosen und 'arbeitswilligen' Flüchtlingen aufzubauen, um die Löhne zu drücken.

Die nach rechts abdriftende, angefressene Mittelschicht begreift diese Zusammenhänge nicht. Ansonsten würde sich ihr Unmut gegen die Kapital-Lobby richten und sie für eine Umverteilung von oben nach unten auf die Straße gehen. Stattdessen macht sie Flüchtlinge und sozial Ausgegrenzte zu Sündenböcken. Die Medien mahnen hilflos und lassen den Hintergrund der sozialen Spaltung unberücksichtigt. Löbliche Ausnahme: Politmagazine wie 'Monitor'. Die Sendung vom 4.2.16 warnte vor dem sozialen Sprengstoff, den die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich birgt. Die 62 reichsten Menschen der Welt sind genauso vermögend wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, immerhin 3,6 Mrd. Menschen. Deutschland hat eine der größten Ungleichheiten der Privatvermögen in Europa und nähert sich langsam dem Niveau der USA an, wo inzwischen 45 Mill. Menschen, jeder siebte, Lebensmittelmarken erhalten.

Der Aderlass bzw. die Schrumpfung der Mittelschichten fiel in den letzten Jahrzehnten ins politische Kalkül. Gesetzliche Maßnahmen haben die Mittelschicht in den letzten 20 Jahren stärker belastet. Darunter: Die 'Abschaffung der Vermögenssteuer', 'Senkung des Spitzensteuersatzes', 'Senkung der Unternehmenssteuer' und 'niedrige Steuern auf Kapitalerträge'.

Selbst manche Vermögende halten diese einseitige Begünstigung großer Vermögen für ungerecht. Doch Schäubles neues Erbschaftssteuer-Konzept verschont große Betriebsvermögen eher und belastet kleine Vermögen und Hauseigentümer. Das Ungleichgewicht nimmt zu. Offiziell besitzt das reichste Zehntel der Bevölkerung etwas mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schätzt den Anteil sogar auf bis zu drei Viertel. Denn die reichsten 0,2 %, die vergoldete Spitze des Eisberges, werden statistisch nicht erfasst.

Die Gesellschaft driftet weiter auseinander. Die Drift fördert Ängste und das Gefühl, abgehängt zu werden. Dieses Klima begünstigt politische Rattenfänger.


Harald Schauff ist Redakteur der Kölner Obdachlosen- und Straßenzeitung "Querkopf". Sein Artikel ist im "Querkopf", Ausgabe März 2016, erschienen.




Leserbrief von A. Holberg - 10-03-16 14:49



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