Solare Angstbeißer
Kürzung der Photovoltaikförderung macht Private Equity Fonds aggressiv. Gewerkschaftsfeindliche Stimmung verschärft sich mit der Branchenkrise
Von Jörn Boewe
[via Junge Welt]
Am Donnerstag verhandelt das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) über die fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes der Photovoltaikfabrik First Solar in der ostbrandenburgischen Stadt. Ende April hatte das Unternehmen mit Hauptsitz in Tempe, Arizona, bekanntgegeben, seine beiden Werke in Brandenburg zu schließen und Deutschland zu verlassen. Drei Tage später wurde das Betriebsratsmitglied Sven Hennig entlassen. Als Begründung gab das Management gegenüber der Lokalpresse an, Hennig habe den Produktionsablauf gestört. Die IG Metall protestierte und erklärte, es handele sich offenkundig um eine politisch motivierte Kündigung (vgl. Interview in jW vom 23. April).First Solar gehört dem Risikokapitalfonds True North Partners, der wiederum vom US-amerikanischen Walton-Clan kontrolliert wird, der Familie, der auch die Supermarktkette WalMart gehört. »Gewerkschaftsfresser«, meint Sören Niemann-Findeisen vom IG-Metall-Vorstand. Zweimal brachte das Unternehmen die Mehrheit seiner Belegschaft mit Unterschriftenlisten gegen die Gründung eines Betriebsrates in Stellung. »Wenn die jemand aufgefordert hätte, Steine zu werfen, die hätten das gemacht«, erinnert sich der örtliche Gewerkschaftssekretär Siegfried Wied an die aufgeheizte Stimmung auf einer Betriebsversammlung. »Trotz allem haben ein paar engagierte Kollegen, zu denen auch Sven Hennig gehörte, die Sache weiterverfolgt. Bevor es dann zum Arbeitsgerichtsverfahren kam, das zweifellos die Einleitung der Betriebsratswahl ermöglicht hätte, hat die Geschäftsleitung dann einen eigenen Wahlvorstand aufgestellt, um die Dinge in ihrem Sinne zu beeinflussen.« Im Ergebnis gab es einen Betriebsrat, aber einen, in dem die IG Metall nur eine Minderheit hat. Die Mehrheit des Gremiums stimmte der Kündigung Hennigs zu. Ansonsten wäre die Entlassung eines Betriebsratsmitgliedes für das Unternehmen nicht ohne weiteres möglich gewesen.Die aggressive Haltung von First Solar sei zwar nicht typisch für die Branche, meint Niemann-Findeisen. Für ein »systematisches Union Busting« gebe es »keine Anzeichen«. Allerdings sei der Solarbranche »Mitbestimmung eher fremd«. Typisch sei auch eine »starke soziale Spaltung in den Betrieben«: Hochbezahlte Managementposten auf der einen und prekäre, sehr niedrig entlohnte Arbeitsverhältnisse auf der anderen Seite, extrem ungesunde Schichtsysteme und wenig Respekt für die Rechte der Beschäftigten speziell in der Produktion. Ein »krisenverschärfendes Moment« sei insbesondere auch die »Kapitalmarktorientierung« der meisten Solarfirmen.
Auffallend ist, daß die Fertigungsstätten größtenteils in Ostdeutschland liegen. Das entscheidende Kriterium dafür dürfte in der großzügigeren Förderpolitik der dortigen Landesregierungen gelegen haben. Wieviel insgesamt in die Branche geflossen ist, läßt sich aufgrund der unterschiedlichen und unübersichtlichen Förderinstrumente schwer feststellen. Schaut man sich aber einzelne Unternehmen an, ergibt sich ein aufschlußreiches Bild, wie staatliche Gelder, die als Anschubfinanzierung für eine gesellschaftlich sinnvolle Energiewende gedacht waren, letztlich vor allem zur Stützung privater Renditen und Finanzierung üppiger Vorstandsgehälter zweckentfremdet wurden.Beispiel Odersun AG: Das Unternehmen wurde 2006 mit 16 Mitarbeitern gegründet. Als 2008 ein institutioneller Anleger, der Virgin Green Fund, mit 40 Millionen Euro einstieg, legte die Landesregierung unter Federführung des damaligen Wirtschaftsministers Ulrich Junghanns (CDU) nochmal 21 Millionen, also ein gutes Drittel, drauf. 2010 lagen die Lohn- und Gehaltskosten des mittlerweile auf 260 Mitarbeiter angewachsenen Unternehmens bei 1,9 Millionen Euro. Dazu kamen aber nochmal 1,6 Millionen das war nach Recherchen der IG Metall die Summe, die sich die Odersun-Vorstände in jenem Jahr selbst als Vergütung genehmigten. Anderthalb Jahre später, im März 2012, meldete Odersun Insolvenz an.Die Kehrseite dieser öffentlich subventionierten Selbstbedienungsmentalität ist ein ebenfalls politisch gewollter Zugriff auf ein Reservoir ausreichend qualifizierter, aber entrechteter und weitgehend demoralisierter Arbeitskräfte: »Personalkosten in Ostbrandenburg liegen durchschnittlich ein Drittel niedriger als in den alten Bundesländern«, warb die staatlich finanzierte Wirtschaftsförderungsgesellschaft »Investor Center Ostbrandenburg GmbH« über Jahre. Zudem gebe es »vielfältige Möglichkeiten der Förderung von Lohnkosten und Schulungsmaßnahmen«. »Flexible Arbeitszeitmodelle« sowie »Schichtarbeit rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr« seien möglich, »eine große Zahl qualifizierter Arbeitskräfte« sei »sofort verfügbar«, und zwar »zu wettbewerbsfähigen Kosten«.Aktuell verschlechtern sich die Verwertungschancen der Branche aufgrund weltweiter Überkapazitäten, erstarkter Konkurrenz aus Asien und der Kürzung der europäischen Förderprogramme. Für das im Spätsommer 2011 verkündete Ziel der IG Metall, einen Solarbranchentarifvertrag zu erkämpfen, der sich am Niveau der Metall- und Elektroindustrie orientiert, ist das kein günstiges Klima. Dennoch sei das Standing der IG Metall in der Branche heute nicht schlecht, meint Niemann-Findeisen. Vor zwei Jahren hatte die Gewerkschaft hier »ein paar hundert Mitglieder«, heute seien es »mehrere tausend«. Insofern kann die Gewerkschaft ihre Forderungen heute trotz Krise von einer relativ gestärkten Position aus vorbringen: »Die Branche muß sich dem Thema des fairen Umgangs mit ihren Beschäftigten stellen, um engagiertes und qualifiziertes Personal zu halten und nachhaltige Geschäftsmodelle aufbauen zu können«, so Detlef Wetzel, zweiter Vorsitzender der IG Metall, gegenüber jW. »Oder sie wird mit dem sich abzeichnenden Ende der Förderwelle untergehen.«
Auffallend ist, daß die Fertigungsstätten größtenteils in Ostdeutschland liegen. Das entscheidende Kriterium dafür dürfte in der großzügigeren Förderpolitik der dortigen Landesregierungen gelegen haben. Wieviel insgesamt in die Branche geflossen ist, läßt sich aufgrund der unterschiedlichen und unübersichtlichen Förderinstrumente schwer feststellen. Schaut man sich aber einzelne Unternehmen an, ergibt sich ein aufschlußreiches Bild, wie staatliche Gelder, die als Anschubfinanzierung für eine gesellschaftlich sinnvolle Energiewende gedacht waren, letztlich vor allem zur Stützung privater Renditen und Finanzierung üppiger Vorstandsgehälter zweckentfremdet wurden.Beispiel Odersun AG: Das Unternehmen wurde 2006 mit 16 Mitarbeitern gegründet. Als 2008 ein institutioneller Anleger, der Virgin Green Fund, mit 40 Millionen Euro einstieg, legte die Landesregierung unter Federführung des damaligen Wirtschaftsministers Ulrich Junghanns (CDU) nochmal 21 Millionen, also ein gutes Drittel, drauf. 2010 lagen die Lohn- und Gehaltskosten des mittlerweile auf 260 Mitarbeiter angewachsenen Unternehmens bei 1,9 Millionen Euro. Dazu kamen aber nochmal 1,6 Millionen das war nach Recherchen der IG Metall die Summe, die sich die Odersun-Vorstände in jenem Jahr selbst als Vergütung genehmigten. Anderthalb Jahre später, im März 2012, meldete Odersun Insolvenz an.Die Kehrseite dieser öffentlich subventionierten Selbstbedienungsmentalität ist ein ebenfalls politisch gewollter Zugriff auf ein Reservoir ausreichend qualifizierter, aber entrechteter und weitgehend demoralisierter Arbeitskräfte: »Personalkosten in Ostbrandenburg liegen durchschnittlich ein Drittel niedriger als in den alten Bundesländern«, warb die staatlich finanzierte Wirtschaftsförderungsgesellschaft »Investor Center Ostbrandenburg GmbH« über Jahre. Zudem gebe es »vielfältige Möglichkeiten der Förderung von Lohnkosten und Schulungsmaßnahmen«. »Flexible Arbeitszeitmodelle« sowie »Schichtarbeit rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr« seien möglich, »eine große Zahl qualifizierter Arbeitskräfte« sei »sofort verfügbar«, und zwar »zu wettbewerbsfähigen Kosten«.Aktuell verschlechtern sich die Verwertungschancen der Branche aufgrund weltweiter Überkapazitäten, erstarkter Konkurrenz aus Asien und der Kürzung der europäischen Förderprogramme. Für das im Spätsommer 2011 verkündete Ziel der IG Metall, einen Solarbranchentarifvertrag zu erkämpfen, der sich am Niveau der Metall- und Elektroindustrie orientiert, ist das kein günstiges Klima. Dennoch sei das Standing der IG Metall in der Branche heute nicht schlecht, meint Niemann-Findeisen. Vor zwei Jahren hatte die Gewerkschaft hier »ein paar hundert Mitglieder«, heute seien es »mehrere tausend«. Insofern kann die Gewerkschaft ihre Forderungen heute trotz Krise von einer relativ gestärkten Position aus vorbringen: »Die Branche muß sich dem Thema des fairen Umgangs mit ihren Beschäftigten stellen, um engagiertes und qualifiziertes Personal zu halten und nachhaltige Geschäftsmodelle aufbauen zu können«, so Detlef Wetzel, zweiter Vorsitzender der IG Metall, gegenüber jW. »Oder sie wird mit dem sich abzeichnenden Ende der Förderwelle untergehen.«
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